Der CDU-Generalsekretär wirbt für moderne Industriepolitik und bemängelt “sozialromantische Ladenhüter“ von SPD und Grünen.
Morgenpost Online: Herr Gröhe, mit welchen drei Begriffen soll die CDU im Superwahljahr 2011 verbunden werden?
Hermann Gröhe: Moderne Standortpolitik, Bürgergesellschaft, Heimat gestalten.
Morgenpost Online: Wie wollen sie ohne Mehrheit im Bundesrat Heimat gestalten?
Hermann Gröhe: Wir haben eine klare Mehrheit im Bundestag. Im Bundesrat darf es keine rot-grüne Blockade geben, deshalb setzen wir auf die Kraft der Argumente und sind auch zu sinnvollen Kompromissen bereit.
Morgenpost Online: Von den sieben Landtagswahlen wird gleich die erste in Hamburg verloren gehen.
Hermann Gröhe: Wir geben keine Wahl verloren. Unser Ziel ist stets die Regierungsverantwortung.
Morgenpost Online: Die Grünen sind Ihr Hauptgegner?
Hermann Gröhe: Dass man die Grünen derzeit öffentlich stärker wahrnimmt als die Genossen, ist nicht überzeugender Programmatik, sondern dem Totalausfall der SPD geschuldet. Die SPD klammert sich verzweifelt an alte sozialromantische Ladenhüter. Wie immer soll viel verteilt werden – wo das Geld herkommen soll, weiß aber keiner.
Morgenpost Online: Haben Sie sich zu lange einreden lassen, dass die CDU urbaner werden muss?
Hermann Gröhe: Nein. Gerade für die programmatische Entwicklung unserer Partei ist ein intensiver Kontakt zu großstädtischen Milieus, zu Universitäten und zur Kulturszene unabdingbar. Gleichzeitig brauchen wir als Volkspartei die Zustimmung in Stadt und Land. In keiner anderen Partei hat der ländliche Raum einen solchen Anwalt wie in der CDU. Die SPD kümmert sich nur noch um eine schwindende Kernklientel. Diesen Fehler machen wir als Volkspartei nicht. Wir bleiben breit aufgestellt.
Morgenpost Online: Die SPD hat sich als Fortschrittspartei ausgerufen und die Abschaffung des Ehegattensplittings gefordert. Das klingt doch fortschrittlich.
Hermann Gröhe: Das ist ein Rückschrittsprogramm! Anders als SPD und Grüne vertrauen wir den Menschen. Die Familien wissen am besten, wie sie Familien- und Erwerbstätigkeit untereinander aufteilen. Durch das Ehegattensplitting wird das in einer Familie erzielte Einkommen unabhängig von der konkreten Arbeitsteilung beiden Partnern in gleicher Weise zugerechnet. Das ist partnerschaftlich. Freiheit statt linke Bevormundung. Das ist fortschrittlich.
Morgenpost Online: Wie kann die CDU begründen, dass unverheiratete Paare mit Kind steuerlich schlechter gestellt sind als verheiratete Paare ohne Kind?
Hermann Gröhe: Das Grundgesetz bekennt sich ausdrücklich zur Förderung von Ehe und Familie. Eine Abschaffung des Splittings wäre aus meiner Sicht verfassungswidrig. Und wir als CDU stehen eindeutig zur besonderen Förderung der Ehe und werden das Ehegattensplitting nicht antasten. Im Übrigen entfaltet sich der Vorteil des Splittings vor allem, wenn ein Partner auf Erwerbsarbeit verzichtet. In der Regel arbeiten aber in Ehen ohne Kinder beide Partner.
Morgenpost Online: Auch die Grünen sind gegen das Splitting. Sie bezeichnen sie als Dagegen-Partei. Wird die CDU bei ihrer Konfrontationshaltung bleiben?
Hermann Gröhe: Deutschland ist Industrieland und steht vor zentralen Weichenstellungen. Wer jedes wichtige Infrastrukturprojekt bekämpft, den werden wir weiter als Dagegen-Partei bezeichnen.
Morgenpost Online: Auch auf der Vorstands-Klausur in Mainz?
Hermann Gröhe: Wir stehen für eine moderne Standortpolitik im Interesse der Menschen! Wir wollen, dass der Standort Deutschland auch in Zukunft stark ist und im internationalen Vergleich an der Spitze steht. Rote und Grüne versuchen, Industriepolitik als Politik für die Bosse schlechtzumachen. Eine solche Haltung schadet unserem Land. Gute Industriepolitik ist im ureigensten Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Damit Deutschland spitze bleibt, müssen Bildung und Forschung Vorrang haben. Wir werden deshalb eine Kommission einsetzen, die bildungspolitische Leitsätze erarbeiten soll, die auf dem Parteitag im November verabschiedet werden. Eine weitere Kommission unter Vorsitz von Stefan Mappus wird sich mit dem Thema moderne Mobilität beschäftigen. Wir brauchen einen Durchbruch bei den Elektroautos und eine fortschreitende Modernisierung unserer Infrastruktur.
Morgenpost Online: In Sachen Infrastruktur drängt doch sich doch eher das Thema Bahn auf. Sollte der Bund angesichts seiner Verantwortung dafür besser auf die 500 Millionen Euro Dividende verzichten?
Hermann Gröhe: Nein, denn wir brauchen diesen Beitrag zur Konsolidierung.
Morgenpost Online: Industriepolitik klingt nach weiteren Subventionsgräbern...
Hermann Gröhe: Moderne Industriepolitik muss Dauersubventionen vermeiden. Aber unsere Industrie braucht Rückenwind für Innovationen, um zum Beispiel die Abhängigkeit von bestimmten Rohstoffen zu reduzieren. Deshalb fördern wir die Spitzenforschung. Kein Land hat mehr Know-how, um zu beweisen, dass eine nachhaltige Industrieproduktion möglich ist.
Morgenpost Online: Viele Bürger bekämpfen Infrastrukturprojekte. Und Innenminister Thomas de Maizière legt ein Gesetz vor, das ihre Beteiligung einschränkt.
Hermann Gröhe: Vorschläge, Verfahren zu beschleunigen und zu bündeln, sind richtig. Aber wir werden sehr darauf achten, dass die Information der Bürger und ihre Beteiligung nicht auf der Strecke bleiben.
Morgenpost Online: Ab Montag wird sich eine Enquete-Kommission des Bundestags mit einer Neudefinition des Wachstums auseinandersetzen. Beschäftigt diese Frage auch die CDU?
Hermann Gröhe: Wir werden dort intensiv mitarbeiten und auch auf unserer Klausur darauf eingehen. Gelingendes Leben bedeutet nicht nur, immer mehr zu haben. Besser leben schließt auch gesund leben und sicher leben mit ein. Es geht um eine lebenswerte Heimat.
Morgenpost Online: Weiß denn künftig also der Staat besser, was Glück ist?
Hermann Gröhe: Diese Gefahr sehe ich bei dem freiheitlichen Politikansatz der CDU nicht. Unser Leitbild ist es, Menschen stark zu machen, damit sie ihren Weg gehen.
Morgenpost Online: Wenn sie die Wahl hätten zwischen mehr Geld oder mehr Zeit, wie würden Sie entscheiden?
Hermann Gröhe: Ich stelle mich gerne einer Aufgabe, die mit hoher zeitlicher Belastung verbunden ist. Ich erlebe in Bewerbungsgesprächen aber auch, dass junge, leistungswillige Menschen erklären, dass der Job für sie nicht alles ist, dass sie Zeit haben wollen für ihre Familie und andere Dinge. Das finde ich sympathisch und vollkommen in Ordnung.