Das Bundesverfassungsgericht prüft seit heute, ob die strikten Rauchverbote in Kneipen gegen das Grundgesetz verstoßen. Eine der Beschwerden, die für die Verhandlungen ausgesucht wurden, stammt von der Berliner Wirtin Sylvia Thimm. Wie viele Eckkneipenbesitzer sieht sie durch das Rauchverbot ihre Existenz bedroht.
Das Bundesverfassungsgericht hat in Karlsruhe mit der Verhandlung über die umstrittenen Rauchverbote in Kneipen und Gaststätten begonnen. Zu den Gastronomen, die gebannt nach Karlsruhe blicken, gehört auf jeden Fall Sylvia Thimm aus Berlin. Eine von drei beispielhaft ausgewählten Klagen stammt ihr. Thimm ist Gastwirtin und betreibt in Prenzlauer Berg die Musikkneipe „Doors“. Die ist eher klein (36 Quadratmeter) und hat keinen Extra-Raum für Raucher, wie es vorgeschrieben ist.
Die meisten ihrer Gäste seien Raucher, sagt Thimm, und dass sie erwartet, mit dem Rauchverbot die Hälfte ihres Umsatzes zu verlieren. Damit ist sie sicht allein. Die Wirtin steht laut Hotel- und Gaststättenverband für etwa 500 kleine Kneipen in der Hauptstadt, die durch das neue Gesetz Umsatzeinbrüche verzeichnen oder befürchten.
Neben Thimms Klage prüft der Erste Senat zwei Verfassungsbeschwerden aus Baden-Württemberg: die eines Kneipen-Inhabers aus Tübingen und des Betreibers einer Heilbronner Disco. Dass es keine Ausnahmeregelungen für Kleinst-Kneipen gebe, verstoße gegen das im Grundgesetz verbriefte Recht auf freie Berufsausübung sowie die Eigentumsgarantie, behaupten sie.
DIHK-Umfrage: Rund 50 Prozent Umsatzrückgang
Die Verfassungsbeschwerden werden auch vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) unterstützt. Der Verband sieht die Existenz vieler Eckkneipen gefährdet. Nach Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), verzeichnet fast jeder zweiter gastronomischer Betrieb seit Einführung des Rauchverbotes Umsatzeinbußen, wie die „Berliner Zeitung“ berichtet.
Besonders stark betroffen sind demzufolge die Eck- beziehungsweise die Ein-Raum-Kneipen, die die Forderung nach abgetrennten Räumen nicht erfüllen können. Dort stellen 51 Prozent Umsatzrückgänge fest, davon wiederum knapp die Hälfte sogar sehr starke. In diesen Kneipen ist das Rauchen mit Ausnahme der Länder Sachsen und Rheinland-Pfalz nicht mehr gestattet. Gastbetriebe mit zwei oder mehr Räumen kommen der Umfrage zufolge etwas glimpflicher davon. Hier konstatieren 47 Prozent Umsatzverluste, allerdings fühlt sich davon nur ein Drittel sehr stark betroffen.
Lompscher nach Karlsruhe gereist
Wie es für die Einraumkneipen weiter geht, soll im noch Sommer klar sein. Spätestens Anfang August wird der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts unter Vorsitz von Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier ein Urteil verkünden. Die Entscheidung soll richtungweisend für die zum Teil unterschiedlichen Regelungen in allen Bundesländern sein.
Doch auch die Befürworter des strikten Nichtraucherschutzes kämpfen in Karlsruhe. Zur Verteidigung der zum Schutz der Nichtraucher erlassenen Landesgesetze sind die baden-württembergische Sozialministerin Monika Stolz (CDU) und die Berliner Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) zu der Verhandlung gereist. Den Bundestag vertritt der SPD-Abgeordnete Lothar Binding, der seit Jahren zu den entschiedensten Verfechtern weitgehender Verbote zum Schutz vor Passivrauchen gehört.
Experten warnen vor Gesundheitsgefahr
Die Deutsche Krebshilfe warnte unterdessen vor einer Aufweichung der Rauchverbote in Gaststätten. Ihre Präsidentin Dagmar Schipanski sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Wenn die Länderregelungen durch Ausnahmen und Modifizierungen der Rauchverbote noch weiter aufgeweicht werden, bekommt Deutschland beim Schutz vor dem Passivrauchen die rote Lampe in Europa.“
Nach Angaben der Krebsgesellschaft sterben jedes Jahr in Deutschland 140.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Flächendeckende Rauchverbote in allen öffentlichen Gebäuden einschließlich der Gastronomie seien der beste Weg zum Schutz vor den Gefahren.
AP/dpa/ddp/apä