Sie schlafen unter Brücken oder in Bahnhöfen, manchmal sind sie betrunken und pöbeln herum und gelegentlich – sprechen wir es aus – fühlt man sich genervt, wenn sie „Motz“ oder „Straßenfeger“ verkaufen, oder wenn man merkt, dass einige von ihnen sich seit Tagen nicht gewaschen haben. Es sind Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen durch die Maschen der staatlichen Unterstützungssysteme gefallen sind und deshalb keine Wohnung haben. Sind sie selbst schuld an ihrer Lage? Schon die Frage führt in die Irre. Denn in der Regel sind es Menschen, die irgendwie „neben der Kappe sind“. So drückte es kürzlich Dieter Puhl, der Leiter der Stadtmission am Bahnhof Zoo, aus. Puhl nutzte die Wendung nicht, um Obdachlose zu stigmatisieren – sondern um zu erklären, warum sie so sind, wie sie sind.
Fachleute schätzen, dass in Berlin etwa 7000 Menschen ohne feste Bleibe leben. Sie haben unsere Solidarität und unser Verständnis verdient. Und nicht nur das. Auch die öffentliche Hand muss sie unterstützen – und zwar, ganz handfest, mit Geld und mehr Notunterkünften. Immerhin, seit Januar gibt es in den Einrichtungen 65 Schlafplätze mehr als bisher. 820 Plätze sind es nun, heißt es aus der Sozialverwaltung. Das ist gut – aber angesichts von geschätzt rund 7000 Menschen ohne feste Bleibe nicht gut genug.
Berlin wächst und darüber kann man sich nur freuen. Die Wirtschaft boomt und auch darüber sollte man sich freuen, nicht zuletzt, weil das Wachstum Arbeitsplätze schafft und ein gut laufender Arbeitsmarkt zwar keine Garantie, aber doch einer der besten Schutzmechanismen gegen das Abrutschen in die Armut ist. Aber nicht alle werden vom Boom profitieren – eben weil sie, um die Worte des Leiters der Stadtmission aufzugreifen, eben etwas „neben der Kappe“ sind. Wir sollten diese Menschen in der Boomtown Berlin nicht vergessen.
Wo es Hilfe gibt
Ärzte: Medizinische Versorgung bietet die Berliner Stadtmission (Lehrter Straße 68) mit vier Krankenbetten. Hilfe gibt es auch im Gesundheitszentrum der Jenny De la Torre Stiftung (Pflugstraße 12, Friedrichshain).
Kältehilfe: Auf der Webseite der Kältehilfe finden Internetnutzer einen Überblick über Schlafmöglichkeiten in Berlin. Nach Bezirken sind Einrichtungen gelistet, die für Obdachlose zur Verfügung stehen.
Kältebusse: Ab 18 Uhr steht der Wärmebus des Deutschen Roten Kreuzes zur Verfügung (Tel. 0170 / 910 00 42), ab 21 Uhr der Kältebus der Stadtmission (Tel. 0178 / 523 58 38).
BVG überfordert: Zu viele Obdachlose nachts in U-Bahnhöfen
Wie sich Berliner Obdachlose durch den Winter kämpfen
Warum so viele Menschen auf der Straße leben müssen
Unsichtbar - Obdachlose über das Leben auf der Straße