Die Wirtschaftslage in Deutschland ist unverändert gut. Entsprechend erfreulich ist auch die Tendenz auf dem Arbeitsmarkt. Für eine Gruppe allerdings bleibt die Perspektive düster. Nach einer Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen geht diese Entwicklung an den meisten Hartz-IV-Empfängern vorbei. Eine Riesenenttäuschung für alle gutmeinenden Sozialpolitiker angesichts der Masse vielfältigster milliardenschwerer staatlicher Förder- und Ausbildungsprogramme. Dabei liegt der zentrale Grund für die verpassten Aufstiegschancen auf der Hand: mangelnder Schul- mit folglich verpasstem Ausbildungsabschluss und damit eine dauerhaft mangelnde Qualifikation für die Anforderungen des Arbeitsmarkts.
Die Zahlen des Instituts sind schonungslos. Empfänger des anfänglichen Arbeitslosengelds I schaffen es relativ schnell, auf den regulären Arbeitsmarkt zurückzukehren: 2015 war es fast jeder Zweite. Von den längerfristig Beschäftigungslosen mit Arbeitslosengeld II gelang das knapp 17 Prozent. Eine sich seit Jahren bestätigende Tendenz. Und noch eine ernüchternde Erkenntnis der Studie: Fördermaßnahmen und/oder Eingliederungszuschüsse an Betriebe gehen nur selten in stabile Beschäftigungsverhältnisse über.
Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt blieb aus
Bundesweit hat Hartz IV also nicht zu der erhofften Wende zurück in die Beschäftigung mit dem Ziel Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt gesorgt. Dank einer auskömmlichen Pauschale sollte ja eigentlich das alte zersplitterte Sozialhilferecht abgelöst werden, damit sich die Menschen darauf konzentrieren können, wieder eine existenzsichernde Arbeit zu finden und nicht länger auf das Beantragen von Sozialleistungen. Gut erdacht in der Theorie, in der Praxis eher verpufft. Um nachträglich mehr individuelle Gerechtigkeit zu schaffen, haben Politik und Gerichte den richtigen Ansatz der Pauschalleistung durch immer neue Nachbesserungen verwässert. Mit der Folge, dass sich Arbeitslose wie die Mitarbeiter der Arbeitsagenturen wieder mehr mit Anträgen für zusätzliche soziale Wohltaten befassen als mit der Jobvermittlung.
Auch Berliner Unternehmer beklagen fehlende Qualifikation zu vieler Arbeitsloser in der Hauptstadt. Fast jeder zweite habe keinen Berufsabschluss, sagten dieser Tage der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, Christian Amsinck. Dabei geht es der Berliner Wirtschaft derzeit so gut wie selten zuvor. Sie bietet neue Arbeitsplätze an, findet unter den knapp 200.000 Beschäftigungslosen aber kaum die Gesuchten.
Arbeitsplätze für Unqualifizierte sind rar
Arbeitsplätze für Gering- oder Unqualifizierte sind rar, der Kampf um sie wird noch heftiger werden angesichts des Zustroms der Flüchtlinge. Es ist überfällig, dass in Berlin aus fatalen Fehlern gelernt wird. Es bleibt ein nicht hinzunehmendes bildungspolitisches Desaster, wenn noch immer etwa zehn Prozent der Berliner Schüler ohne Abschluss ins Leben, meist in eine programmierte Hartz-IV-Karriere entlassen werden. Für die Flüchtlinge geht es nach Registrierung und Unterbringung im vergangenen Jahr in diesem Jahr nun um ihre sprachliche und berufliche Qualifizierung und Integration. Die Einzelinitiativen der Berliner Wirtschaftsverbände müssen endlich zusammen mit dem Senat gebündelt und zu einer langfristigen Strategie entwickelt werden. Der vom Senat vorgelegte Entwurf für einen Masterplan Integration könnte die richtige Richtung weisen. Aber niemand sollte auf kurzfristige, gar sich selbst ergebende Lösungen setzen. Diese Hoffnung hat schon einmal getrogen.
Misslingt wieder – wie bei einem Teil der schon länger in der Stadt lebenden Migranten – die sprachliche und berufliche Qualifizierung, droht eine sozialpolitische Zeitbombe. Staat und Gesellschaft haben das Ihre zu tun, dies zu verhindern. Aber auch jeder Einzelne. Damit Hartz IV allenfalls eine befristete Durststrecke wird, kein Dauerzustand.