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"Anne Will": Reichsbürger-Putsch kein Plan von Wirrköpfen

| Lesedauer: 3 Minuten
Paul Ritter
Das sind Reichsbürger

Das sind Reichsbürger

Eine ihrer Gruppierungen hat den gewaltsamen Umsturz des politischen Systems in Deutschland geplant. Das sind die Reichsbürger.

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Reichsbürger haben einen Umsturz geplant. Bei "Anne Will" zeigte sich, warum man den Fall nicht als Plan von Wirrköpfen abtun sollte.

Berlin. In der vergangenen Woche ging ein Schock durch die Republik. Eine Reichsbürger-Verschwörung wurde von Ermittlern enttarnt, das Ziel der Gruppe: einen Prinzen an die Spitze des Staates putschen.

Die Runde bei "Anne Will" nahm das am Sonntagabend zum Anlass, breiter zu diskutierten. "Wie groß ist die Terrorgefahr durch Staatsfeinde?", war die Sendung überschrieben.

"Anne Will" – Diese Gäste waren dabei

  • Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin des Innern und für Heimat
  • Herbert Reul (CDU), Innenminister in Nordrhein-Westfalen
  • Janine Wissler (Die Linke), Parteivorsitzende
  • Gerhart Baum (FDP), Bundesinnenminister a. D.
  • Florian Flade, Journalist bei WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung

Reichsbürger-Razzia: Wie gefährlich war die Gruppe?

Einig war sich die Runde darin, dass die Pläne der Verschwörung ernst zu nehmen waren. Es habe eine weitreichende Planung gegeben, die etwa ein Eindringen in den Bundestag und die Einsetzung einer neuen Regierung vorsah, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

Auch ihr Landeskollege aus NRW, Herbert Reul, stellte sich Behauptungen entgegen, wonach es sich um eine dusselige Gruppe von Wirrköpfen handelt. "Da waren Leute dabei, die wissen, wie man das macht – und die Zugang zu Waffen hatten", sagte der CDU-Politiker.

Reichsbürger: Was ist das für eine Szene?

Aufschluss über den Hintergrund der Gruppe gab Florian Flade. Es handle sich um Menschen, deren Radikalisierung sich oft nicht mehr konkret zuordnen lasse, sagte der Journalist, der in dem Bereich und auch zu dem konkreten Fall recherchiert hat. Das FBI habe daher den Begriff des Salatbarextremismus geprägt – ein Extremismus, bei dem sich die Handelnden ihre Ideologie aus Verschwörungstheorien und dem Rechtsextremismus und Antisemitismus zusammen suchen.

Entsprechend divers beschrieb Flade die Szene insgesamt. Es handle sich zum Beispiel um Menschen mit gebrochenen Biografien oder solche, die sich in der Pandemie radikalisiert hätten. "Sie verbindet eine Staats- und Demokratiefeindlichkeit", sagte der Journalist.

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"Anne Will": Haben Polizei und Bundeswehr ein strukturelles Problem?

Auffällig ist, dass es immer wieder Verbindungen in die Sicherheitsbehörden gibt. Janine Wissler machte dazu gegen den Widerstand von Herbert Reul und dem früheren FDP-Innenminister Gerhart Baum deutlich, dass es sich um ein grundsätzliches Problem handelt. "Das müssen Vorgesetzte über Jahre mitbekommen haben", sagte die Chefin der Linkspartei unter Verweis auf die vielen rechten Chatgruppen in Polizei und Bundeswehr. Dort gebe es eine Kultur des Wegschauens und wenig Aufklärung. "Es ist immer die Rede von Einzelfällen – die Netzwerke dahinter werden nicht angeschaut."

Von ebensolchen "Einzelfällen" sprach NRW-Innenminister Reul. Allerdings machte er auch einen wichtigen Punkt: Das Problem sei, dass man identifizierte Beamte kaum aus dem Dienst bekomme, weil die Verfahren kompliziert und langwierig sind – ein Problem, das die Bundesinnenministerin bald lösen will, indem sie Behörden ermächtigt, die Dienstverhältnisse per Verwaltungsakt aufzulösen.

Das Fazit

Diese Ausgabe von "Anne Will" machte deutlich, dass die aufgedeckte Verschwörung der Reichsbürger kaum isoliert gesehen werden kann. Vielmehr ist sie der größte Fall eines tieferliegenden Problems: In der Bundesrepublik gibt es eine beachtliche Zahl von Menschen, die die demokratische Ordnung zumindest kritisch sieht oder gar umstoßen will.

Im Vergleich zu früheren Bedrohungslagen ist das eine neue Qualität. Die RAF sei gescheitert, weil sie das Volk nicht erreicht habe, sagte Gerhart Baum. "Das ist in diesem Fall anders, und das macht mir Sorgen."

Zur Ausgabe von "Anne Will" in der ARD-Mediathek.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.