Große Komiker haben oft eine tragische Seite. Das weiß man nicht erst seit Krusty dem Clown von den Simpsons, der im normalen Leben ein finsterer Geselle ist. Der Komödien-Star Robin Williams wurde jahrelang von Depressionen gequält. Charlie Chaplin war daheim ein Tyrann, der Autor des „Fliegenden Klassenzimmers“, Erich Kästner, ein Grummelbär.
Nun hat also der beliebteste deutscher Entertainer Hape Kerkeling seine Autobiographie geschrieben: „Der Junge muss an die frische Luft“. Vorab wurde bekannt, dass er als Kind Furchtbares erleben musste. Seine depressive Mutter brachte sich mit Schlaftabletten um, er lag als Achtjähriger in ihrem Arm, nicht ahnend, dass sie um ihr Leben rang. Das steht in seinem neuen Buch. An diesem Abend bei Sandra Maischberger redet er über seine Kindheit. Es ist Buchmessezeit, und schweres Schicksal hin oder her, so ein Buch will beworben werden. Dafür sind Talkshows wie Maischberger ideal.
Plötzlich ist Publikum im Saal
Ungewöhnlich – es sitzt Publikum bei Maischberger. „Weil dieser Mann vor Publikum arbeitet“, wie Sandra Maischberger ihren Abend eröffnet. Bonanza-Musik, und herein tritt Kerkeling. Das Publikum applaudiert und jubelt. Der Mann ist beliebt, klar. Warum Bonanza? Weil er seine Kindheit im Wilden Westen der Bundesrepublik verlebte: im Ruhrgebiet.
Und dann erzählt Kerkeling aus seiner Kindheit, von seiner Familie. Von seiner „bekloppten Oma“, die mit der Kutsche durch das Ruhrgebiet fuhr. Die Oma hat einen Krämerladen, Klein-Hape lernt dort: „Dat dat Leben nich leicht is. Und wenn et nich leicht is, dann muss man et sich jut machen.“ Er liebt als Kind das warmherzige Ruhrgebiet – und er lernt dazu.
Der Tod der Großmutter
Die Oma stirbt an Krebs, unerwartet und schnell. „Als sie plötzlich weg war, fehlte der Impuls.“ Die Heiterkeit, die Beklopptheit, es wird dunkler im Leben der Familie. Sein Buch hat er der Mutter gewidmet, die an einer schweren Depression erkrankt war. Die Krankheit wird verstärkt durch einen Umzug, auch davon, dass sie ihren Beruf aufgibt. Obendrein eine fehlgeschlagene Operation, die ihren Geschmacks- und Geruchssinn zerstört. Die Dunkelheit übernimmt ihr Leben. Wie gelähmt sei sie gewesen, sagt Hape Kerkeling.
„Ich bin lustig. Ich bin fröhlich.“ So hat das Kind Hape reagiert. Er versucht, die Mutter aus der Finsternis zu holen. Und verliert den Kampf. „Wie bleibt ein Junge zurück, der so etwas erlebt“, fragt Maischberger. Kerkeling zuckt mit den Schultern. „Da fehlen mir die Worte.“ Sehr traumatisch sei es gewesen. Wie eine schwere Kriegsverletzung.
Das Leben ein Fest
„Was sind die dreißig Jahre Karriere gegen dieses eine Ereignis?“, fragt er heute. Ihm sei beim Schreiben klar geworden, dass es unehrlich gewesen wäre, eine Autobiographie zu verfassen, in der die Geschichte der Mutter nicht erwähnt würde. Er tut es, und er trifft einen guten Ton.
„Das Leben soll ein großes Fest werden“, schreibt Kerkeling. Lachen, Humor, Leichtigkeit. Er weiß schon früh, er will ins Fernsehen. Er schreibt alle an – Saarländischer Rundfunk, WDR, DDR-Fernsehen. Und er schafft es. Talent plus Fleiß. „Und ich hatte Glück.“ Es wird, trotz allem, ein leichter Abend. Es geht um seine legendärsten Sketche (wie Königin Beatrix), sein Schwulsein, die doppelte Ablehnung von „Wetten, dass..?“.
Freundin Isabel Varell, Schauspielerin und zuletzt bekannt aus dem Dschungel-Camp, kommt noch dazu und spricht irritierenderweise nur von „H.P.“. Hapunktpepunkt. „H.P. ist wirklich so, wie sich ihn die Menschen vorstellen“, sagt Varell – er sei tatsächlich kein „Kotzbrocken“ wie manch anderer berühmter Komiker. Deutlicher kann man es nicht sagen. Ein schönes Schlusswort.