Morddrohungen erreichen Falk Richter, nachdem er ein Stück über die neuen Rechten inszeniert hat. Ein Gespräch über das politische Klima.
In den vergangenen Tagen wurde die Schaubühne beschmiert, es gab Morddrohungen gegen den Regisseur Falk Richter, der sich in seinem Theaterstück „Fear“ mit der Entwicklung im rechten politischen Spektrum, mit der AfD und Pegida, beschäftigt. Falk Richter ist derzeit in Taiwan, das Gespräch wurde per Mail geführt.
Berliner Morgenpost: Herr Richter, vor der Inszenierung vor „Fear“ haben Sie gesagt, dass in den Medien, in Talkshows, auf Demos, im Internet wieder „ungehemmt gehasst, gepöbelt, diskriminiert“ werde. Nun sind Sie selber in das Visier des Pöbels geraten, es gibt Morddrohungen gegen Sie. Überrascht Sie das?
Falk Richter: Ja, das hat mich sehr überrascht. Ich setze mich in meinen Stücken oft kritisch mit dem aktuellen Zeitgeschehen auseinander, auch mit den Mitteln der Satire, Zuspitzung, Parodie - zum Beispiel bei meinen Stücken „Unter Eis“ und „Small town boy“. Aber außer der AfD hat noch nie jemand dazu aufgerufen, mein Stück abzusetzen, und bislang wurde ich noch nie körperlich bedroht. Das ist ein neues Klima in Deutschland.
Haben Sie Angst?
Ich habe Angst, dass sich das politische Klima, das mit den sich radikalisierenden neuen Rechten in Deutschland eingezogen ist, weiterhin verschärft. 500 Asylbewerberheime haben gebrannt, es gab ein Attentat auf eine Bürgermeisterkandidatin, Journalisten werden tätlich angegriffen oder verbal bedroht. Ich schreibe ein Stück über diese Situation und erhalte Morddrohungen. In welchem Land leben wir eigentlich?
Haben Sie das Gefühl, gehasst zu werden?
Es gibt einen diffusen Hass bei Menschen aus dem Umfeld von AfD, Pegida und anderen rechtsnationalen Bewegungen, eine enorme Unzufriedenheit mit sich selbst, mit einer komplexer werdenden Gesellschaft. Dieser Hass kann sich zur Zeit gegen alles richten: Mal wird dazu aufgerufen Kanzlerin Merkel zu hängen, alle Grenzen dicht zu machen und die Flüchtlinge an der Grenze abzuknallen oder ein Theaterstück, das sich kritisch mit rechten Strömungen auseinandersetzt, abzusetzen und den Autor zu lynchen. Dieser Hass richtet sich also gegen alle, die nicht mit ihnen einer Meinung sind, nicht nur gegen mich.
Wenn wir die Morddrohungen und die Beschimpfungen beiseite lassen, ist das nicht auch wohltuend, dass das politische Theater zur Abwechslung eine Reaktion hervorruft?
Ich bekomme neben den Hassmails und Morddrohungen auch sehr viele sehr positive Reaktionen und Zuschriften auf mein Stück. Insofern habe ich das Gefühl, das Stück trifft einen derzeit sehr empfindlichen Nerv: Wie geht die zivile Mehrheit dieses Landes mit AfD, Pegida und anderen rechten Bewegungen um? Wie verteidigen wir die Demokratie und die Freiheit gegen diese neuen rechten anti-demokratischen Strömungen?
Es ist doch zum ersten Mal seit Ewigkeiten, dass das Subjekt, das auf der Bühne verhandelt wird, sich zu Wort meldet.
Und es meldet sich genau so zu Wort, wie ich es auf der Bühne zeige: mit Verleumdungsversuchen, mit Hass, mit Morddrohungen. Mein Stück ist in der Realität angekommen, mit der es sich künstlerisch auseinandersetzt.
Denken Sie darüber nach, die Proteste von rechts in irgendeiner Form in Ihr strukturell ja ziemlich offenes Stück zu integrieren?
Es gibt eine sehr lange, sehr wirre, beinahe psychotische Hassmail von der Journalistin Bettina Röhl, die mich übelst beschimpft und mir droht. Röhl hat vor kurzem auch zu einem Staatsstreich aufgerufen und zur Absetzung Merkels, um „die Invasoren“, die nach Deutschland eindringen, endlich abzuwehren. Ich überlege gerade, ob ich diese Email einbaue in mein Stück, sie ist krasser, als alles, was ich mir ausdenken könnte.
Wenn Sie gewusst hätten, welche Reaktionen „Fear“ hervorruft, hätten Sie das Stück anders gestaltet? Leiser vielleicht? Oder noch offensiver?
Ich finde es so genau richtig.
Das Gorki-Theater behandelt ja derzeit auch verstärkt politische Themen. Glauben Sie an eine Renaissance des politischen Theaters, oder ist das nur eine kurzfristige Bewegung?
Ich habe mich in meinen Texten und Inszenierungen immer schon mit politischen und gesellschaftlich relevanten Themen versucht, auseinander zu setzen. Europa verändert sich gerade, Deutschland auch, es gibt große geopolitische Veränderungen in der Welt, wir wissen nicht, wohin die Reise geht, da kann das Theater Räume schaffen, in denen wir uns damit auseinandersetzen.
Sie haben sich für „Fear“ intensiv mit der AfD beschäftigt. Haben Sie etwas erfahren, was Sie über diese Partei nicht wussten?
Neu war mir, dass die AfD so eng zusammen arbeitet mit den christlichen Fundamentalisten der „Demo für alle“, die sich gegen die Bildungspläne zur Akzeptanz von sexueller Vielfalt einsetzt und zum Beispiel Homosexuellen Therapien anbieten will, um sie von ihrer „Krankheit“ zu heilen. Neu war mir, dass es so viel unmittelbare Zusammenarbeit zwischen dem rechtsnationalen Lager der CDU und der AfD gibt. Dort hat sich eine Gruppe um Beatrix von Storch, Birgit Kelle, Freifrau von Beverfoerde und Vera Lengsfeld gebildet. Ich hoffe sehr, dass die CDU klare Kante zeigen und sich nicht auf die AfD zubewegen wird.
Vor ein paar Monaten dachte man noch, die AfD zerlege sich selbst. Sie scheint ja doch einen größeren Zusammenhalt zu haben, als Außenstehende das vermuten
Warten wir mal ab. Björn Höcke ist mittlerweile so extrem in seinen Äußerungen, dass ich hoffe, dass das die letzten bürgerlichen Wähler davon abhalten wird, sich der AfD anzuschließen.
Es gibt, so zumindest meine Beobachtung, eine Unfähigkeit, sich mit AfD- und Pegida-Anhängern auseinanderzusetzen. Man wird diese Gruppe nicht durch Verachtung überzeugen und auch nicht damit, indem man sie als verwirrtes, verführtes Häuflein darstellt.
Ich glaube, die meisten AfD- und Pegida- Mitläufer sind nicht erreichbar für rationale Argumente. Jetzt gilt es, zu gucken, dass jede Straftat, die sie begehen, verfolgt wird, dass man härter gegen volksverhetzende Statements und Gewalt vorgeht. Der Rechtsstaat muss die Zivilgesellschaft zumindest gegen die Extremisten dieser rechtsnationalen Bewegung schützen.
Die „Welt“ schrieb über Theaterunfug und kritisierte die Wortwahl im Stück, da werde von „Schuss zwischen die Augen“ gesprochen, von „wegmachen“ und „unter die Erde bringen“. Bekämpfen Sie Gewaltrhetorik mit Gewaltrhetorik?
In der angesprochenen Szene des Stückes zeige ich einen jungen Berliner Hipster, der sich zum ersten Mal überhaupt in die verschlungenen Welten des Internets stürzt und neben sehr vielen HBO-Serien, in denen es Zombies und Monster zu sehen gibt, auch anfängt, sich durch alle möglichen Hassblogs und Youtubeclips von Pegida-Aufmärschen und AfD-Politikerreden zu wühlen. In seinem Kopf verschwimmen alle diese Bilder. Und viele dieser Bilder erzählen von Gewalt, und die Sprache von Pegida und AfD ist ebenfalls voller Gewalt.
Hass erzeugt also Hass, in der Spirale sind wir?
Das Stück betrachtet den Hass der neuen Rechten ja aus der Perspektive einer aufgeklärt-großstädtischen Hipster-Community. Deren persönliche Geschichten sind eines, das ich dem Hass entgegenzusetzen versuche, aber zugleich ist die sich in Urban Gardening und Selbstfindung flüchtende Gruppe auch als Kritik zu verstehen an uns selbst: wie viel Zivilcourage, zivilgesellschaftliches Engagement und auch welche Utopien setzen wir den sich ausbreitenden neuen Reaktionären entgegen?