Die dritte Berlin Art Week, die am Dienstag eröffnet wird, wirbt mit einem umfangreichen Programm. Zehn Tipps der Morgenpost, die den Besuch von Spandau bis Steglitz erleichtern.

Das Programm ist prall gefüllt, ein dickes Heft weist all die Vernissagen und Veranstaltungen aus. Der Berliner Kunstherbst startet am heutigen Dienstag. Zum dritten Mal sponsert der Senat das Event unter der Marke „Berlin Art Week“. Der Kunst-Marathon zieht sich durch die ganze Stadt, sympathisch ist, dass diesmal von Spandau bis Steglitz kleinere Kunstorte und Projekträume dabei sind, die oft vergessen werden.

Auch Privatsammlungen wie der Me Collectors Room oder die Fahrbereitschaft sind vertreten, ebenso wie die Nationalgalerie als Institution. Die Vernissagen finden an verschiedenen Tagen statt, damit alle etwas davon haben, bezirksweise hat man sich sogar abgesprochen. Als Headquarter fungiert die Akademie der Künste am Hanseatenweg, dort findet heute die Eröffnung statt.

Und mit drei Bands wird auch ordentlich gefeiert. Es kooperieren diesmal nicht nur Galerien und Museen, erstmals findet auch eine Konferenz zum Thema Kunst und Kapital statt, die ARTfi. Aber: Alles schafft keiner, daher zehn Tipps zur Auswahl.

1. ABC

Die ABC (Art Berlin Contemporary) ist das Galerien-Schwergewicht der Art Week. In der bewährten Station, dem ehemaligen Postbahnhof am Gleisdreieck, präsentiert sich die weitläufige Verkaufsausstellung mit 115 Galerien, allein 54 kommen aus Berlin. England ist vertreten, die USA, Brasilien und auch China. Galerien wie Lokal 30 aus Warschau, Polansky aus Prag und Kisterem aus Budapest bilden den Osteuropa-Fokus. Die ABC möchte – als Nachfolger des Art Forums – partout keine traditionelle Kunstmesse sein, sondern experimentell, der offene Recycling-Look ist das Markenzeichen. Die Bananenhalle ist für Performances und Videos reserviert, für den kürzlich verstorbenen Filmkünstler Harun Farocki wird es dort am 20. September eine Gedenkveranstaltung geben. Draußen gibt es auch Kunst: Christian Jankowski zeigt seine kritischen „Neons“ auf dem Dach. (Station Berlin, ehemaliger Postbahnhof am Gleisdreieck, Luckenwalder Str. 4-6, Kreuzberg)

2. Ai Weiwei

Gerade war Chinas drangsalierter Aktivist und Künstler in einem Kurzfilm im Netz zu sehen, dort gibt er einen schweigenden Wasserlieferanten, und das in Peking, wo er noch überwacht wird. Jetzt ist er wieder in Berlin mit seiner Kunst – in der Galerie Neugerriemschneider. Er kennt die eher intimen Räumlichkeiten, hat hier schon einmal ausgestellt. Er arbeitet mal wieder mit Ton und Holz, den traditionellen chinesischen Materialien. Seine „Frames“, 44 in Huali-Holz gefertigte Holzrahmen, ziehen sich durch alle Räume der Galerie. Es wurde einst zur Herstellung der kaiserlichen Tempelanlagen benutzt. Im Gegensatz zur Großausstellung im Gropius-Bau wirkt das hier geradezu meditativ. Ai Weiwei wartet immer noch auf seinen Pass, ausreisen kann er deshalb noch nicht. (Neugerriemschneider, Linienstraße 154)

3. Berliner Liste

Die Satelliten-Messe gehört eigentlich nicht zum offiziellen Programm, an der Qualität gab es die Jahre zuvor stets etwas zu kritteln. Trotzdem hat sie durchgehalten, diesmal bespielt sie das lichte Postfuhramt am Ostbahnhof. Die Macher haben versprochen, etwas zu ändern. Eingeladen wurden 112 Galerien, viele davon aus Berlin, die großen Namen sind es natürlich nicht. Aber was dort so angekündigt wird bei Andreas Melzer und Artt T W Pankow, rechtfertigt auf jeden Fall einen kurzen Kunst-Check vor Ort. (Postbahnhof am Ostbahnhof, Str. der Pariser Kommune 8)

4. KGB

Bespitzelung steckt natürlich nicht hinter der markanten Abkürzung – gemeint ist der Verbund für die 30 Kommunalen Galerien Berlins. Sie stehen bekanntlich stets im Schatten der kommerziellen Galerien. Die KGB-Kunstwoche soll nun zeigen, wie stark sich die Kieze gerade für junge Künstler machen, die hier oft ihre erste Chance erhalten. Warum nicht mal andere Wege gehen neben den klassischen Kunstmeilen in Mitte? Da gibt es die Alte Feuerwache in Kreuzberg, das Gotische Haus in Spandau, eine Entdeckung ist auf jeden Fall das Mies van der Rohe-Haus in Lichtenberg. Gerold Millers illusionistische Arbeiten spielen mit der historischen Architektur. Kleiner Tipp: Am 20. September (14 Uhr, ab Rotes Rathaus) gibt es drei verschiedene, jeweils vierstündige KGB-Bustouren von Spandau über Steglitz bis Treptow. Informationen unter: www.kgberlin.net

5. Kunst-Flieger

Roman Signer, Schweizer Bildhauer, gibt zur Eröffnung des Kesselhauses als neues Ausstellungsdomizil einen spektakulären Einstand. In der alten Kindl-Brauerei in Neukölln installiert er hoch oben in 20 Metern Höhe ein quietschgelb-rotes, kreiselndes Sportflugzeug – Fluglärm inklusive. „Kitfox Experimental“ ist 200 Kilo schwer und hat zehn Meter Spannbreite. Gut möglich, dass sich da gar nicht jeder drunter stellen mag. Das Flugzeug ist echt, nach der Präsentation soll es wieder verkauft werden, es kann ja fliegen, auch wenn es jetzt so ohne Motor da hängt wie ein Hähnchen am Haken ohne Herz. Als Kurator und Künstler es – natürlich zerlegt – über die Schweizer Grenze brachten, sagte der Zöllner nur knapp: „Was habt ihr da für ein geiles Ding.“ Sudhaus, Café und Ateliers sollen Ende des Jahres, spätestens Sommer 2015 eröffnen. Bis dahin bleibt der Flieger. Ein wenig Kunst-Bohéme wird der Umgebung auf jeden Fall gut tun. (Kindl – Zentrum für zeitgenössische Kultur, Am Sudhaus 2)

6. Neustart

Die „Positions“ hat Galerist Kristian Jarmuschek auf die Beine gestellt, 52 Galerien sind bei ihm versammelt. Ein Messeformat, dass mal nicht nur die jungen Berliner Künstler und Galerien bedienen möchte, sondern sich auf jene Positionen der 90er-Jahre berufen möchte, die „Berlin zu dem gemacht haben, was es heute ist“. Klingt vielversprechend. Das Projekt ersetzt die „Preview“-Satelliten-Messe, in deren Vorstand Jarmuschek auch gehörte. Die Galerie Deschler ist dabei mit Rainer Fetting, die Galerie Anna Lüpertz oder die Galerie Zellermayer. Eine klassische Position: gezeigt wird Petra Petipiere, eine Meisterschülerin von Paul Klee. 5000 Euro kostet die Teilnahme. Man wird sehen, wie sich das Format entwickelt. Sehenswert ist allein die Ausstellungslocation im ehemaligen Kaufhaus Jandorf, 1904 gebaut, später bekannt als „Haus der Mode“ in der DDR. (Kaufhaus Jahndorf, Brunnenstraße 19-21)

7. Schwindel

In der Akademie am Hanseatenweg schlägt dieses Jahr das Herz des Kunstherbstes, der dort auch mit Bands und Performances am heutigen Dienstag eröffnet. Eine schöne Idee, diese vom Bauhaus inspirierte Architektur-Ikone im Westen der Stadt neu zu entdecken. Die Akademie mit ihrem Hauptsitz am Pariser Platz stellte die „alte Schwester“ in den letzten Jahren arg in den Schatten. Die tolle Bar im Studiofoyer soll wieder zu vollem Einsatz kommen. Als das Haus 1960 eröffnete, war es Symbol für einen offenen, transparenten Ort der freien Künste. Vor diesem Hintergrund geht man jetzt dicht ran an die Gegenwart: „Schwindel der Wirklichkeit“, so heißt die zentrale Ausstellung, die sich mit der Veränderung unserer Wahrnehmung im digitalen Zeitalter beschäftigt. Wird man in zehn Jahren Gemälde ganz anders sehen? Oder Filme begehen können? Die Künstlerliste jedenfalls ist mit Olafur Eliasson, Tino Sehgal und Thomas Demand beeindruckend gut besetzt. (Akademie der Künste, Hanseatenweg 10)

8. Radikal

Der Mann ist komplett auf Bilder-Speed. Ryan Trecartin, Jahrgang 1981, ist wohl einer der radikalsten Vertreter seiner Generation, die mit dem Internet groß wurde. Seine Videobilder sind wie ein knalliger Horrorstrudel, eine Mischung aus greller Animation und apokalyptischen Sounds in wahnsinnigem Tempo und krassen Schnitten. In Amerika ist er total angesagt, Klaus Biesenbach hat ihn dort schon ausgestellt, jetzt also ist er in den Kunstwerken, Biesenbachs alter Wirkungsstätte, angekommen. Die große Halle hat sich bis unter die Decke in einen grasgrünen Kino-Kasten verwandelt. Sechs Videos, sechs Projektoren, sechs Versionen eines Filmes, umspielt von 30 Soundkanälen: dass dem Zuschauern Hören und Sehen vergeht. Aber so ist er, der digital artist. (Kunstwerke, Auguststr. 69)

9. Andächtig

Es gibt Leute, die suchen inmitten dieses Trubels in Mitte auch Ruhe. Einer von ihnen ist der russische Maler Nikolai Makarov. Vor 20 Jahren gründete er bereits sein „Stilles Museum“ in der Linienstraße. Hier konnte man vor seinen gedämpften, zeitverlorenen Bildern, gewissermaßen Boten der Entschleunigung, meditieren. Einige Jahre war der Ort dicht, nun eröffnet er neu. Peter Raue nennt das Projekt einen „säkularisierten Andachtsraum“. Zur Art Week wird etwas mehr zu sehen sein: Architekturmodelle bekannter Architekten wie Stephan Braunfels, Max Dudler oder Franco Stella, die sich mit dem Thema „Raum der Stille“ befasst haben. (Museum der Stille, Linienstraße 154a)

10. Kurios

Die Galerie Neu ist auf den Vogel gekommen. Marc Camille Chaimowicz lässt 40 Kanarienvögel frei im ehemaligen Heizraum in der Linienstraße flattern. Nur ein Vorhang trennt Besucher von den Sängern im Federkleid. Der Künstler selbst lebt in London umgeben von vielen Wellensittichen. Das Ambiente der Vögelchen besteht aus 40 Vasen, die der Künstler designt hat, gebrannt wurden sie in der Bottega Ceramica Gatti, wo schon die Keramiken für die Futuristen hergestellt wurden. Chaimowicz begann Ende der 60er-Jahre als einer der ersten Künstler in Europa mit Performances und Installationen zu arbeiten, jüngere Künstlergeneration entdecken den verrückten Grenzgänger zwischen Design und Kunst gerade wieder. Die Vasen kann man kaufen, die Vögel nicht. Sie werden während der Ausstellung betreut, lässt der Künstler ausrichten. (Galerie Neu, Linienstr. 119 abc)

Berlin Art Week, 16. bis 21.9., Tel. 030-24749775, www.berlinartweek.de