Tempodrom

Warum Barbara Schönebergers „Oliba“ unverzeihlich ist

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Frederic Schwilden

Foto: Sebastian Kahnert / dpa

Eine perfekte Show, aber eine Spur zu glatt – Die Moderatorin Barbara Schöneberger hat in Berlin ihr neues Album vorgestellt: „Bekannt aus Funk und Fernsehen“.

Das Schlimme an Abkürzungen ist, dass sie meistens so wahnsinnig dumm klingen. Wenn man in Bochum zum Beispiel eine Schnipo-Schranke bestellt, kriegt man ein Schnitzel mit Pommes mit Ketchup und Mayonnaise. Grausam, oder? Abkürzungen klingen entweder nach Militär oder nach jemandem, der mit einem Fuchsschwanz am Auto in den Graben fährt, weil er seine Freundin mit 150 auf der Landstraße davon überzeugen wollte, dass er auch freihändig mit verbundenen Augen fahren kann, während über die Autolautsprecher „Moonlight Shadow“ in der Trance-Version läuft.

Im fast ausverkauften Tempodrom steht also Barbara Schöneberger auf der Bühne. Natürlich hat sie keinen Fuchsschwanz am Auto. Und Trance würde sie auch nicht hören. Aber sie singt wirklich ein Stück, das „Schuld war nur dein Oliba“ heißt. Oliba ist die Abkürzung für Oberlippenbart. Zuvor hatte sie noch ein Stück gesungen, das „Mein Mann der Wal“ hieß. Und sie witzelt also im einen Moment darüber, dass ihr Mann ja früher der Mann der Wahl und jetzt eben der Wal sei. Und sie zieht sich verschiedene Kleider an. Rosa, silberglitzernd, blau, schwarz. Mann, sieht die Barbara Schöneberger gut aus in den Kleidern. Aber das mit dem Oliba, das kann man ihr einfach nicht verzeihen.

Hymnen auf den Schnubbi

„Denn das da über deinen Lippen war perfekt und unbestritten / der schönste Schnubbi, den man jemals sah / Und ich wusste, dass es Liebe war, ich wusste das es Liebe war/ Und schuld war nur dein Oliba“ – die erwachsene Frau Barbara Schöneberger, 40 ist sie jetzt, singt also von Schnubbis, von Olibas. Und ihre echt gute Band spielt dazu flötige Revue-Pool-Musik. So eine Musik, die gespielt wird, wenn James Bond an einem Hotel-Pool vorbei geht und den jungen Dingern auf die Brüste starrt.

Schönebergers Tournee heißt „Bekannt aus Funk und Fernsehen“. Das stimmt ja auch. Barbara Schöneberger kennt man einfach, wenn man in Deutschland lebt. Besonders natürlich wegen der schönen Werbung für die Salatspezialitäten. Fleischsalat. Kartoffelsalat. Geflügelsalat, Heringssalat. Das erzählt sie sogar selbst an diesem Abend und meint auch, dass es bald eine neue Serie an Dips geben würde, die würden aber noch getestet. Sie fände übrigens ihre Art zu werben besonders ehrlich, weil sie ja einfach nur „oh Mann, oh Mann“ sagt zu den Produkten, und nicht wer weiß was versprechen würde.

Ihr Visagist, ein Fassadenbauer

Schönebergers Abend ist eine Mischung aus Konzert, Varieté und Kabarett. Diese Mischung ist bei deutschen Fernsehgesichtern, die nicht mehr ganz so frisch sind, sehr beliebt. Reinhold Beckmann geht mit einer Band auf Tour, Ina Müller und eben auch die Schöneberger. Und die Themen sind eigentlich immer gleich. Müller und Schöneberger machen den Frauen also Mut.

Schöneberger nennt ihren Visagisten Fassadenbauer, und dann lachen die Frauen im Publikum, weil Schöneberger meint, dass ihr Visagist früher mit drei Pinseln und einem Konturenstift gekommen sei, jetzt aber immer mit mehreren Koffern käme. Und Beckmann singt von Dorfschönheiten mit Achselhaaren oder vom Knutschen im Käfer. Die Idee hinter diesen Abenden ist stets, dass sich der Star für sein Publikum ein bisschen erniedrigt, aber nur so, dass es nicht ganz peinlich ist. In Wahrheit ist ja gar nichts peinlich, aber die Schöneberger, der Beckmann, oder die Müller, die wirken dann wie einer aus dem Volk, kassieren aber am Ende trotzdem die dicke Gage und lachen sich schief.

Eine Diva kündigt nicht an

Das meiste, wofür Barbara Schöneberger steht, also diese charmante Unverschämtheit, ihre blitzschnelle, scharfe Rhetorik, das verblasst im starren Korsett des Show-Ablaufs. Man merkt, dass sie die Abende zuvor, an den gleichen Stellen, die gleichen Witze gemacht hat. Das ist nicht schlimm. Nur, dass man es eben merkt, das ist schlimm. Sie könnte die Diva geben, natürlich wäre das eine Rolle, aber so kündigt sie an, dass sie sich noch umziehen müsse. Eine Diva kündigt nicht an.

Und über die Lautsprecher hallt es durch das Tempodrom: „Barbara Schöneberger wird exklusiv für Sie in ein neues Kleid geschossen.“ Bestimmt hat ihr der Regisseur gesagt, das wäre „frech“ oder „witzig“ oder es hätte „Pep“, aber die Vorstellung, dass Schöneberger in ein Kleid geschossen wird, aus so einer Zirkuskanone heraus, mit einem blauem Fahrradhelm, das ist irgendwie unsexy.

Perfektion, die nicht weh tut

Gayle Tufts singt übrigens auch noch ein Stück aus ihrem neuen Programm. Ganz viele Liebeslieder in einem. Erst „Against All Odds“, dann den Titanic-Song von Celine Dion und noch „Nothing Compares 2 U“ von Prince. Dabei lässt sich Gayle Tufts auf den Boden fallen und täuscht einen Weinkrampf vor. Die Barbara Schöneberger macht das gut so, in Stuttgart kam Hartmut Engler von Pur vorbei und in Hamburg Ina Müller. In Berlin natürlich die Tufts. Das sind die Regeln des Showgeschäfts. Man unterstützt sich, wo man nur kann.

In zweieinhalb Stunden singt sie also über 20 Lieder. „I Love Schwiegermutter“, gefolgt von „Herr Kaiser“. Ein Cover von Nancy Sinatras „You Only Live Twice“. Unterhaltend ist das zweifelsohne, also es tut niemandem weh. Sogar Barbara Schönebergers Stimme geht in Ordnung. Viel klarer und artikulierter als die von Ina Müller. Schönebergers Band ist perfekt. So ein präzises Bassspiel, die Backgroundsängerin, der Drummer, der Gitarrist, all das ist perfekt. Aber das mit dem Oliba kann man selbst Barbara Schöneberger nicht verzeihen.