Jürgen Kloosterhuis hält eine Akte hoch. Er trägt den ausnehmend schönen Titel „Direktor des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz“, und was er dort auf der Pressekonferenz am Montag präsentiert, sind Aktienvermerke von preußischen Beamten des Finanzministeriums im Ersten Weltkrieg.
Diese beklagten sich bitterlich, dass sie keine Kriegsanleihen zeichnen und so nicht ihren Patriotismus demonstrieren durften. Vielleicht sorgten sie sich auch um die entgangenen Gewinne, wer weiß es? Diese Akten sind im kommenden Jahr zu sehen, wenn die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit zahlreichen Ausstellungen ihren Teil zum Themenjahr „1914. Aufbruch. Weltbruch“ beitragen möchte.
Das nächste Jahr, so viel steht fest, wird ein Erinnerungsjahr. Das ist auch nicht falsch, seit Monaten in den Bestsellerlisten ist das gar nicht genug zu preisende Buch des australischen Historikers Christopher Clarke „Die Schlafwandler“ über den Ersten Weltkrieg, in diesen Wochen hat Herfried Münkler mit „Der Große Krieg“ nachgelegt.
Viel versprechend: Die Schau „Avantgarde“ im Kulturforum
Insbesondere in Deutschland habe der Zweite Weltkrieg den Ersten Weltkrieg „historisch überlagert“, so Stiftungspräsident Hermann Parzinger. „Ein breites Panorama“ habe man sich nun für 16 Ausstellungen vorgenommen. Manches kommt etwas obskur daher, wie etwa die Ausstellung „Arkadien. Paradies auf Papier“ über Landschaft und Mythos in Italien im späten Mittelalter. „1914 wurde als Abschied vom goldenen Zeitalter empfunden“, so die Begründung. Auf die muss man erst einmal kommen.
Viel versprechender klingt die Schau „Avantgarde“, in der die „futuristische Euphorie und Debatten um den Stil, Weltflucht und Rebellion“ beleuchtet werden sollen, dies ist ab Juni in den Ausstellungshallen Kulturforum zu sehen. Im November wird im Museum für Fotografie die Ausstellung „Fotografie im Ersten Weltkrieg“ eröffnet, die sich der visuellen Propagandaschlacht widmet.
„Wir haben keine zentrale These zum Ersten Weltkrieg“
Als zentraler Ausstellungsort im kommenden Jahr in Berlin gilt das Deutsche Historische Museum, das im Juni „1914–1918. Der Erste Weltkrieg“ präsentiert. Die Staatlichen Museen zu Berlin werden sich den Aspekten des Krieges zuwenden, die nicht im unmittelbaren Fokus liegen. „Wir sind eine kunst- und kulturgeschichtliche Sammlung“, sagte Parzinger.
Angesprochen auf Erkenntnisgewinne bei den Recherchen, sagte er: „Wir haben keine zentrale These zum Ersten Weltkrieg.“ Das ist wohl das Schlauste, was man machen kann. Denn wenn man die 1500 Seiten von Clarke & Münkler auf einen Satz zusammenfassen möchte, dann lautet er: „Es hätte auch alles anders kommen können.“ Es war nicht zwingend, dass es zu diesem Ersten Weltkrieg kommen musste. Nur im Nachhinein versucht man gern, das geht den Historikern wie dem Rest der Menschheit so, Unerklärliches irgendwie rational zu begründen.