Ulrike Schirrmacher ist Theaterleiterin in Dieter Hallervordens „Wühlmäusen“. Von Dieter Nuhr bis Horst Evers holt die gelernte Chemielaborantin die besten Comedians der Nation nach Westend.
Eigentlich ist es fast egal, an welchem Wochentag man den Fernseher einschaltet: Auf irgendeinem Sender läuft immer eine Aufzeichnung des „Kleinkunstfestivals“ in den Wühlmäusen. Beim Spaßmarathon gelingt es stets, den Feierabend auf humorvoll-intelligente Weise einzuläuten. Kaum ein anderes deutsches Kabarett-Theater hat so eine permanente Medienpräsenz wie das Haus am Theodor-Heuss-Platz.
Das liegt aber nicht nur am renommierten Festival, sondern auch am prominenten Hausherrn Dieter Hallervorden, dessen Name untrennbar mit den Wühlmäusen verbunden ist. Er wacht genauestens über die Geschicke seines Hauses. Allerdings als Graue Eminenz, denn die Fäden zieht eine andere: Ulrike Schirrmacher, die Theaterleiterin.
Immer ausverkauft
Bis das Publikum nach einem anregenden Abend gut gelaunt nach Hause geht, ist es ein weiter Weg. Ulrike Schirrmacher aber sagt, dass schon die Atmosphäre des Theaters einen gelungenen Besuch garantiert. „Trotz der Größe des Theaters mit 516 Plätzen sind wir ein wirklich familiäres, intimes Haus. Wir versuchen, das durch ein offenes freundliches Team zu betonen“, sagt die 40-Jährige. Wer das Foyer der Wühlmäuse betritt, erlebt nicht selten, dass die Tür zu Ulrike Schirrmachers Büro offen steht. Für viele ist das eine Einladung einzutreten und der Chefin ohne Hemmungen Fragen zu stellen. Eine Direktheit, die man sich so vielleicht auch in anderen Häusern wünscht.
Das Entscheidende sind natürlich die Künstler. In den Wühlmäusen erlebt man die Spitzenkräfte des Humorgeschäfts wie Dieter Nuhr und Horst Evers. Karten für einen der beiden zu bekommen, erfordert den Fans höchste Planungsfertigkeiten ab. Zu schnell sind ihre Auftritte ausverkauft. Das Programm ist offenbar so attraktiv, dass es nicht nur Berliner, sondern auch viele Touristen tief in den Westen der Stadt lockt. In den Reiseführern der Welt ist der Sitz des Ensembles seit vielen Jahren fester Bestandteil.
Ulrike Schirrmacher war anfangs durchaus etwas skeptisch, was den Standort betraf, als die Wühlmäuse im Jahr 2000 von der citynahen Nürnberger Straße an den Theodor-Heuss-Platz zogen. „Hier gibt es keine Laufkundschaft. Die Zuschauer müssen sich explizit für eine Veranstaltung entscheiden. Das Publikum hat sich aber erstaunlich schnell darauf eingestellt“, sagt sie.
Ein Grund dafür ist sicherlich auch die hohe Zahl der Gastspiele, die oft kaum mehr als einen Tag dauern und entweder sehr prominent oder zumindest vielversprechend besetzt sind. Wer TV-Prominenz wie Arnulf Rating oder Frank Lüdecke sowie Shootingstars wie Matthias Tretter oder Florian Schröder erleben möchte tritt nicht selten innerhalb einer Woche gleich mehrfach die Fahrt nach Westend an. Sicherlich ein Verdienst der Theaterleiterin.
Dabei waren Kabarett und Comedy weit von der Berufsvorstellung der gebürtigen Karlsruherin entfernt. Ulrike Schirrmacher ist nämlich ausgebildete Chemielaborantin. Doch schon während der Lehrjahre erkannte sie, wie sehr es ihr lag, im Rahmen ihrer Betriebsratsarbeit Ausstellungen und Veranstaltungen zu organisieren. Daher hing sie den Laborkittel an den Nagel und ging nach Potsdam, wo sie zum ersten Jahrgang Studierender im Fachbereich „Kulturarbeit“ gehörte.
Nach dem Studium betreute sie zunächst kleinere Projekte. Eines Tages lernte sie 1999 ganz zufällig den Fahrer von Dieter Hallervorden kennen. Ulrike Schirrmacher erfuhr von ihm, dass der unverwüstliche Spaßmacher und Kabarettist jemanden für sein neues Haus am Theodor-Heuss-Platz suchte. Sie bewarb sich und war bald Teil des Leitungsteams. Dabei war ihr einziger Kontakt zur Kleinkunstszene bis dahin eine Vorstellung von Comedian Piet Klocke gewesen.
Doch fortan wurde ihr das Genre zur Herzensangelegenheit: „Es war ein Glücksfall. Ich hatte plötzlich die Chance, Kultur an einem namhaften und traditionsreichen Theater der Stadt zu machen und in Berlin Fuß zu fassen. Dass es eine so lange Zusammenarbeit wird, hätte ich aber nicht gedacht“, sagt Ulrike Schirrmacher.
Seit 2008 leitet sie das Haus allein. Seither ist sie immer auf der Suche nach Nachwuchskabarettisten und neuen Künstlern. „Der Pool an Künstlern ist in den letzten Jahren enorm gewachsen. Für mich ist es daher auch eine schöne Aufgabe, Newcomern und anderen, weniger bekannten Kabarettisten eine Chance zu geben. Um das zu ermöglichen, müssen die großen Namen die Kasse füllen“, erklärt sie.
Das erste Haus am Platz
Unter ihrer Ägide stehen die Wühlmäuse nach wie vor auch für das politische Kabarett, ebenso für Konzerte und Lesungen. „Man muss uns zu den großen Theatern Berlins zählen. Wir bereichern die Stadt“, sagt Ulrike Schirrmacher selbstbewusst. Nach den Namen der verpflichteten Komikern zu urteilen, sind die Wühlmäuse tatsächlich das erste Haus am Platz.
Ulrike Schirrmacher könnte sich kaum vorstellen, woanders zu arbeiten: „Hier haben sich über die Jahre hinweg wunderbare Kontakte ergeben. Es wurden Freundschaften geschlossen und Netzwerke geknüpft. Viele Künstler kommen regelmäßig zu uns.“
Als Charlottenburgerin schätzt sie auch die nähere Umgebung des Theaters: „Die Infrastruktur ist ausgezeichnet, das Haus ist bestens angebunden. Wir sind zwar keine Touristenmeile, es gibt weder hippe Läden noch eine angesagte Szene, dafür ist alles gutbürgerlich, sehr grün und entspannt.“
So wirkt auch ihr privates Umfeld nahe dem Schloss Charlottenburg. Für sie ist die Gegend rund um ihre Wohnung, manchmal sogar bis hin zum Savignyplatz (siehe Infokasten), ein wunderbarer Rückzugsort. Ein wenig Ruhe nach dem Trubel im Kabarett-Theater.