Atelierbesuch

Wie Armin Boehm das Chaos der Gegenwart erforscht

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Armin Boehm in seinem Atelier in Prenzlauer Berg.

Armin Boehm in seinem Atelier in Prenzlauer Berg.

Foto: Florian Boillot

Der Berliner Künstler Armin Boehm bannt unsere verwirrende Zeit in faszinierende Bilder. Nun wird er dafür geehrt.

Man kann Armin Boehms Gemälde „Monetozän“ (2017) gefühlte Ewigkeiten studieren und wird doch nicht damit fertig. Eine Gesellschaft von Kartenspielern ist hier um einen Tisch versammelt, aus dem eine Geldwolke emporsteigt. Die Züge eines doppelgesichtigen Scheichs sind erkennbar, neben ihm ein wütender, entfernt an Adolf Hitler erinnernder Mann im Rollstuhl, er hat schwarze Schweißflecken unter den Achseln und drischt die Karten auf den Tisch. Ihm gegenüber ein halb sphärisches, halb roboterhaftes Wesen, das auf einem Panzer sitzt und auf dessen Schoß ein halbnacktes, ebenfalls doppelgesichtiges Wesen liegt und die Regenbogen-Fahne schwenkt.

Vielleicht ließe sich sagen, Boehm habe die fiebrigen Höllenvisionen eines Hieronymus Bosch hier mit den kriegsbeschädigten Welten eines Otto Dix verschränkt. Das Spiel mit den kunsthistorischen Bezügen ist offensichtlich, und doch weisen seine Bilder weit darüber hinaus – nicht nur in ihrer stilistischen Eigenständigkeit und auch nicht nur in dem Sinn, dass die Gegenwart mit ihrem Urwald aus Bildsprachen, Symbolen, Logos und Zeichensätzen bei ihm immer mit von der Partie ist. Wer Armin Boehm in seinem Atelier in Prenzlauer Berg besucht und mit ihm seine Arbeiten betrachtet, der versteht schnell, dass für ihn Bilder auch als physische Phänomene wichtig sind, als Wechselspiel von Farbe und Stoff auf einer Leinwand – und die sich daraus ergebende Frage, wie ein Bild uns etwas erzählt, auf welchen Wegen es dazu kommt.

Man darf dem 1972 in Aachen geborenen Künstler übrigens gratulieren – und mit ihm das Essener Museum Folkwang. Das Ausstellungshaus hatte sich um den in diesem Jahr erstmals vergebenen Tiemann-Preis mit dem Vorschlag beworben, vier Bilder Boehms anzukaufen – und den Zuschlag erhalten. Die Ingeborg und Dr. H. Jürgen Tiemann-Stiftung vergibt 50.000 Euro an Museen und Kunstinstitutionen, die über eine eigene Sammlung von Kunst verfügen. Im Fall des Museums Folkwang bildet der Expressionismus der 1920er- und 1930er-Jahre, vertreten unter anderem durch Künstler wie Max Beckmann, George Grosz und Otto Dix, einen Schwerpunkt – Armin Boehms Arbeiten verlängern sie sinnstiftend in die Gegenwart. Am 3. November wird es im Museum einen Festakt im Beisein des Künstlers geben.

Armin Boehm freut sich darauf. Von der Wand in seinem Atelier grüßt „Pepe, der Frosch“, eines der im digitalen Raum gern weitergereichten Maskottchen, von denen sein künstlerisches Universum so umfassend bevölkert ist. In einem anderen Bild ist die blauhaarige Marge Simpson zu erkennen – noch so eine Figur, die immer wieder in unserer zusehends überforderten Aufmerksamkeit herumspaziert. Armin Boehms kraftvolle Bilder handeln auch von der Frage, wohin das führen könnte. Von dem „digitalen Mittelalter“ unserer Gegenwart hat er in einem Interview gesprochen. Er ist sein Chronist.