Klavierfestival

Pianist Anton Gerzenberg setzt auf romantische Virtuosität

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Felix Stephan
Pianist Anton Gerzenberg.

Pianist Anton Gerzenberg.

Foto: Andrej Grilc

Der 26-jährige Hamburger Anton Gerzenberg gab beim Berliner Klavierfestival im Konzerthaus sein Debüt, u.a. mit Werken von Schubert.

Berlin. Es gibt so viele Dinge, die den Erfolg einer Pianistenkarriere beeinflussen. Dinge, die mit dem musikalischen Talent gar nichts zu tun haben: der Zufall, der Zeitgeist, ein attraktives Äußeres, eine spannende Lebensgeschichte, das richtige Marketing, ein langer Atem. Helfen kann aber auch ein mutiger Konzertveranstalter, der gern nach frischen, neuen Gesichtern Ausschau hält. Ein Veranstalter wie der Engländer Barnaby Weiler, Gründer des Berliner Klavierfestivals und Liebhaber der virtuosen Romantik.

Romantisch virtuos geht es jetzt auch bei Anton Gerzenbergs Berlin-Debüt zu, am Montagabend im Konzerthaus. Mit Schuberts „Wanderer-Fantasie“ D 760 und einer ganzen zweiten Konzerthälfte Franz Liszt, inklusive der schwindelerregend schweren Klavier-Transkription von Wagners „Tannhäuser“-Ouvertüre. Und was soll man sagen? Der Erwartungsdruck, der auf dem 26-jährigen Gerzenberg lastet, ist deutlich zu spüren. Seine Erleichterung am Ende ebenso.

Es ist aber auch eine anspruchsvolle Situation: Gerzenberg spielt das vierte und letzte Solo-Rezital des Festivals, nach den vergleichsweise berühmten Pianisten Nikolai Lugansky und Benjamin Grosvenor. Und nach Zlata Chochieva, die 2021 in der Jury des Züricher Géza-Anda-Wettbewerbs saß – jenes Wettbewerbs, den Gerzenberg gewann. Damals spielte er auf einem Steinway-Flügel, diesmal auf einem Bösendorfer.

Ein Bösendorfer-Flügel ist wärmer im Klang, aber auch launischer

Aber warum ist das erwähnenswert? Weil es klanglich einen großen Unterschied macht. Und weil es viel schwieriger ist, auf einem Bösendorfer zu spielen. Der Steinway: metallisch-silbrig im Grundklang, ausgewogen in den Registern, sehr zuverlässig. Wenn man einen Steinway kennt, kennt man alle. Der Bösendorfer dagegen: deutlich wärmer und individueller, aber auch launisch und sensibel. Einerseits kommt dies Gerzenbergs Klavierspiel entgegen, denn die holzige Wärme des Bösendorfers mischt sich gut mit Gerzenbergs eher kühlem Anschlag.

Doch anderseits reagiert das Instrument empfindlich auf Druck und Anspannung – was vor allem in der ersten Konzerthälfte zu spüren ist. Schumanns „Papillons“ op. 2 gleich zu Beginn wirken solide und kontrolliert. Es fehlt die Leichtigkeit, es fehlt die tänzerische Eleganz. Gerzenberg denkt diese Musik konsequent von der Oberstimme aus. Er hebt sie stark hervor, nutzt sie als festen Rahmen. Auf Dauer vermisst man den Reichtum an Klangfarben, der auf einem Bösendorfer-Flügel möglich wäre. Und in Schuberts „Wanderer-Fantasie“ dann die Überraschungsmomente und das Risiko. Vielleicht gehören Schumann und Schubert aber auch gerade zu jenen Komponisten, die Gerzenberg nicht direkt am Herzen liegen.

Ganz anders dagegen Liszt: Hier blüht Gerzenberg auf, hier ist er in seinem Element. Beeindruckend sein starker Ausdruckswille in den „Années de pèlerinage“-Stücken, vor allem beim wild schäumenden „Orage“ und im abgründigen „Vallée d’Obermann“. Als souveräner Salon-Virtuose präsentiert sich Gerzenberg schließlich in seiner ersten Zugabe – dem „Liebesleid“ von Kreisler-Rachmaninoff.