Zlata Chochieva gehört zu talentiertesten russischen Pianisten ihrer Generation. Lange wurde sie als Geheimtipp unter Klavierkennern gehandelt, die ihre Einspielung von Chopins hochvirtuosen Konzertetüden feierten und ihre Aufnahmen von Sergei Rachmaninows Études-Tableaux bewunderten. Nach und nach wird jedoch die Musikwelt auf diese außergewöhnliche Künstlerin aufmerksam, die die Kraft einer Martha Argerich mit dem Klangsinn von Michail Pletnev zu vereinen weiß; letzterer war neben dem französischen Starpädagogen Jacques Rouvier auch ihr Lehrer.
Der Gründer und künstlerische Leiter des Berliner Klavierfestivals Barnaby Weiler hat Zlata Chochieva bereits seit einigen Jahren auf dem Radar. 2019 trat sie erstmals im Rahmen seines Festivals auf, letztes Jahr war sie ebenfalls dort zu Gast und beeindruckte das Publikum mit ihren originellen Interpretationen der hochkomplexen Klaviersonaten von Alexander Skrjabin.
Dieses Jahr hat er die aus Moskau stammende und in Berlin lebende Pianistin erneut eingeladen, den Rachmaninow-Schwerpunkt seines Festivals mitzugestalten, den er zum 150. Geburtstag des russischen Komponisten im Konzerthaus am Gendarmenmarkt eingeplant hat. Für diesen hat Zlata Chochieva neben einer Auswahl von Prèludes und Études-Tableaux Rachmaninows „Corelli-Variationen“ ausgewählt und einige Transkriptionen seiner Lieder sowie von Orchesterwerken anderer Komponisten.
Im ersten Prélude bleibt die 38-Jährige klanglich ein wenig unter ihren Möglichkeiten, es fehlt an kantabler Linie, an Wärme im Ton. Das ändert sich jedoch schnell, bereits im zweiten Stück, dem Préludes op. 23 Nr. 3 mit dem charakteristischen Bass-Motiv, das an den Gesang russischen Männerchöre erinnert, bringt sie den warm und bassbetont intonierten Bösendorfer-Flügel wunderbar zum Klingen. In der Nr. 7 des Zyklus’, die sehr an Chopins Etüden erinnert, zeigt sie dann, was für eine phänomenale Virtuosin in ihr steckt. Da jagt sie durch die Sechzehntel als ginge es um ihr Leben, trotzdem vergisst sie bei aller sportlichen Herausforderung nie, dass es sich um ein romantisches Charakterstück handelt.
Der letzte Teil des Klavierabends gehört den Transkriptionen
Des Weiteren ist es faszinierend, wie es ihr gelingt in einem Geflecht von mehreren Stimmen jeder Stimme eine eigene Farbe und Intensität zu verleihen. Bisweilen glaubt man ein Ensemble verschiedener Instrumente zu hören, etwa in dem wunderschönen Prélude op. 32 Nr. 5, das sich unter Chochievas Händen in eine nostalgische Flötenelegie über einer sanften Harfenbegleitung zu verwandeln scheint. Diese Fähigkeit zur Klangfarben-Differenzierung kommen ihr auch in den „Corelli-Variationen“ zugute, in denen sie mal die klangliche Intimität eines Trios suggeriert, mal die Monumentalität eines Sinfonieorchesters.
Der letzte Teil des Recitals gehört den Transkriptionen, hier gelingen Zlata Chochieva zauberhaft-poetische Momente in der Klavierfassung von Tschaikowskys „Wiegenlied“, auch die knisternde Leichtigkeit des Scherzos aus Mendelssohns „Sommernachtstraum“-Musik vermittelt sie sehr überzeugend. Zu Recht gab es da im gut gefüllten Kleinen Saal des Konzerthauses frenetischen Beifall; Zlata Chochieva bedankte sich dafür mit zwei Zugaben.
Berliner Klavierfestival im Konzerthaus am Gendarmenmarkt, Mitte. Tel. 2030 92101 Nächste Termine: Anton Gerzenberg am 15.5. sowie Zlata Chochieva (Klavier), Nicolas Dautricourt (Violine), Per Nyrström (Cello) am 17.5. jeweils 20 Uhr