Man sei immer noch darauf aus, den Tod mit dem Glück zu versöhnen, schrieb der große französische Mediävist und Annales-Historiker Philippe Ariès 1980 am Ende seiner epochalen Studie „Geschichte des Todes“. Der Blick auf die Endlichkeit eines jeden Lebens wirft die letzten Fragen auf, nach dem Trost, nach dem Danach, nach dem Sinn. Sie zu stellen, erschüttert existenziell. Sie werden deshalb gern vermieden.
Insofern geht das Humboldt Forum mit der sehenswerten Sonderschau „un_endlich. Leben mit dem Tod“, die an diesem Wochenende eröffnet, ein Wagnis ein. Das Lebensende ist ein Thema, das gern vertagt wird, zumal am Ende des Winters und kurz vor den Osterferien. Andererseits drängt es sich in diesem Haus geradezu auf, das sich in den Worten seines Generalintendanten Hartmut Dorgerloh als „internationale Dialogplattform“ versteht: Jede Kultur muss sich zum Tod verhalten, jede gebraucht dafür ihre eigenen Riten und Glaubenssätze, jede befasst sich auf eigene Weise mit den Erkenntnissen der Wissenschaft.
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Der Schweizer Kurator Detlef Vögeli hat die Schau in fünf Akten konzipiert und dabei eng mit dem britischen Bühnenbildner Tom Piper zusammengearbeitet. Die Theatermetapher mitsamt dem unvermeidlichen Fall des Vorhangs leuchtet ein. Der Rundgang beginnt mit einem Blick auf den vor 13,8 Milliarden Jahren entstandenen Kosmos und auf die Anfänge des Lebens auf der Erde vor 3,8 Milliarden Jahren. Verdanken wir unser Dasein der Absurdität einer zufälligen Massenzusammenballung im Universum? Warum gibt es überhaupt etwas und nicht nichts?
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Die Ausstellung stellt Fragen und öffnet Vorstellungsräume – einerseits: In kleinen, zum Zeitverbringen einladenden Zelten werden Jenseitskonzepte der Weltreligionen von deren Vertretern formuliert. Auf Ruhebänken kann man sich per Kopfhörer mit dem eigenen Verhältnis zur Endlichkeit konfrontieren lassen. Andererseits widmet sie sich den Realien des Todes: Sterbebegleiter von allen Kontinenten berichten in einer eindrucksvoll inszenierten Videokonferenz von den letzten Momenten menschlichen Lebens, Statistiken klären über Todesursachen auf, Leihgaben aus dem Naturkundemuseum erinnern an das Ende der Arten. Ein zutiefst trauriger Film erzählt von einer Schiffskatastrophe im Mittelmeer im Jahr 2015 und davon, was von den ertrunkenen Menschen blieb. Der Besuch in dieser Ausstellung ist nicht leicht. Aber man möchte ihn nicht missen.
Humboldt Forum, Schloßplatz 1, Mitte. 1. April bis 26. November. Geöffnet Mi.-Mo. 10.30-18.30 Uhr. Informationen, auch über das umfangreiche Begleitprogramm unter humboldtforum.org