Der Sonntagskrimi

„Ronny“: Ein besonders intensiver „Polizeiruf 110“

| Lesedauer: 4 Minuten
Kommissarin Brasch (Claudia Michelsen) verhört Matthias Precht (Thomas Schubert), den Betreuer im Kinderheim.

Kommissarin Brasch (Claudia Michelsen) verhört Matthias Precht (Thomas Schubert), den Betreuer im Kinderheim.

Foto: ARD / MDR

Claudia Michelsen als Mater Dolorosa: In ihrem 19. Fall im Magdeburger „Polizeiruf 110“ geht es um ein verschwundenes Waisenkind.

Sie ist ja immer persönlich angefasst, die Kommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) aus dem Magdeburger „Polizeiruf 110“. Eine professionelle Distanz zu den Untaten, die sie aufzuklären hat, kriegt sie nie so recht hin. Ein Privatleben hat sie nicht, sie lebt nur für ihre Fälle. Und scheint an all den Ungerechtigkeiten der Welt, mit denen sie da konfrontiert wird, mitzuleiden. Das macht sie fürs Publikum auch so sympathisch, zu einer Identifikationsfigur, einer Art Mater Dolorosa des Sonntagskrimis.

Das gilt ganz besonders für ihren mittlerweile 17. Fall „Ronny“. Denn da ist ein Waisenjunge verschwunden. In einer Krimireihe denkt man da natürlich sofort an Mord. Nicht so aber Kommissarin Brasch. Sie hofft bis zuletzt, das Kind noch lebend zu finden. Sie wird deshalb mehrfach laut und fordernd, auch gegenüber den Kollegen.

Ein Junge verschwindet - und die Kommissarin ist besonders angefasst

Denn der Fall erinnert sie einmal mehr an die Existenz ihres eigenen Sohnes erinnert, der nichts mehr mit ihr zu tun haben will. Und an ihre eigene Kindheit. Denn sie hat eine Heimvergangenheit. Und dann ist da auch noch ein alter Fall um ein verschwundenes Kind, das nie gefunden wurde. Was die Ermittlerin nie verwunden hat.

Der Zuschauer ist anfangs weiter als Frau Brasch. Denn in den ersten Minuten sieht man, wie der kleine Ronny (Johann Barnstorf) seinen zehnten Geburtstag im Heim feiert, wie er dort ein Fahrrad geschenkt bekommt und so tut, als ob er sich freut. Doch eigentlich will er nur zu seiner Mutter, Sabine Hartwig (Ceci Schuh), die mal ein Drogenproblem hatte und deshalb das Sorgerecht für ihn verlor. Jetzt lebt sie mit ihrem neuen Freund René Maier (Oskar Bökelmann) zusammen, hat auch ein Fest für Ronny vorbereitet.

Lesen Sie auch: Gefangen im Goldenen Käfig: Willem Dafoes famose One-Man-Show „Inside“ im Kino

Aber der Freund mag nicht mitfeiern. Es wird gleich klar, er kann mit dem Jungen nichts anfangen. Bald kommt es zum Streit, René wirft den Jungen raus. In nur wenigen Minuten zeichnet sich da ein trauriges Familienbild ab, voller zerrütteter Verhältnisse und zerstörter Illusionen. Danach ist der Junge verschwunden. Und natürlich gerät sofort der Freund der Mutter unter Verdacht, der nach der Auseinandersetzung lange spazieren war, um, wie er meint, seine Wut abzureagieren.

Da tritt dann Kommissarin Brasch auf. Und ist mal wieder fassungslos. Über das kaltherzige Verhalten des Verdächtigen. Aber auch über die phlegmatische Mutter, die ihren Freund erst mal in Schutz nimmt und nur portionsweise mit der Wahrheit rausrückt. Auch wenn sie bei René nicht mehr ins Auto steigt, was Brasch nicht verborgen bleibt.

Ein intensiver Krimi, der lange nachwirkt – mit einem verstörenden Ende

Aber auch in Ronnys Heim ist nicht alles, wie es sein sollte. Die Heimleiterin Gaby Kleinschmidt (Maja Schöne) scheint überfordert, mit ihrem Job, vor allem aber mit ihrem pubertären Sohn Gordon (Valentin Oppermann). Der beschuldigt dann noch den Heimbetreuer Matthias Precht (Thomas Schubert), ihn beim Angeln auf der Elbe sexuell belästigt zu haben, und lässt anklingen, dass er das wohl auch bei Ronny versucht hat. Ist der Mann ein Pädophiler? Schnell ist man mit Vorurteilen zur Hand, eine Hexenjagd zeichnet sich ab. Schließlich wird Ronnys Fahrrad gefunden, in der Elbe.

Der Fall wird zum Nervenkrieg. Nicht nur für die dünnhäutige Ermittlerin. Auch für die Zuschauer. Der Krimi von Barbara Ott (Regie) und Jan Braren (Drehbuch) ist sehr intensiv und wirkt lange nach. Vor allem durch seinen verstörenden Schluss.