In einem der Räume der „Berlin Global“-Ausstellung im Humboldt Forum ist ein Grabstein ausgestellt, der 2018 im Wrangelkiez aufgetaucht war: Mit der Aufschrift „6,20/qm“ wurde damals von einem Künstlerkollektiv das bezahlbare Wohnen symbolisch begraben. Aktionen wie diese verlieren schnell an Aufmerksamkeit. Um dem entgegenzuwirken, hat „Berlin Global“ nun vier Freiflächen ausgespart, die von Initiativen, Organisationen und freien Gruppen bespielt werden können – vorausgesetzt, das eingereichte Konzept überzeugt die Jury.
Barbara Bernardi und Linda Paganelli, zwei Künstlerinnen aus Italien, seit 2008 und 2017 in Berlin, und der gebürtige Franzose Vincent Voignier, seit 2003 in der Stadt, haben das mit „Wir bleiben! Gentrifizierung und Widerstand in Berlin“ geschafft. Auf interaktiven Bildschirmen kommen in der Ausstellung Berlinerinnen und Berliner zu Wort: vom amerikanischen Künstler, der einmal wegen der günstigen Mieten in die Stadt kam, bis den Betreibern des Kinos am Ostkreuz, denen der Vertrag gekündigt wurde.
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Am Freitag war Eröffnung mit einem für das Humboldt Forum eher untypischen Publikum: Unter die Künstlerinnen und Museumsleute mischten sich Kreuzberger Altlinke, Punks, ehemalige Obdachlose und Ost-Berliner Intelligenz. Also viele, denen das rekonstruierte Schloss eigentlich ein Dorn im Auge ist. Aber darum ging es an diesem Abend nicht – offiziell. Indirekt aber schon?
Die Künstlerinnen erzählen, dass nicht jeder mit ihnen reden wollte, sobald sie das Humboldt Forum ins Spiel brachten. Der Ort sei „imperialistisch, der Namensgeber ein Wegbereiter des Kolonialismus“, heißt es dazu in einem Videostatement eines Nicht-Teilnehmers. Viele Vorbehalte im Vorfeld also. Dennoch ist es den Künstlerinnen gelungen, 18 Interviews zu führen und so die Freifläche mit Initiativen zu füllen, die sonst nur hier und da sichtbar werden, wenn die Polizei zur Räumung anrückt. Der Weg durch die Stadt auf der Suche nach Widerstand habe sie verändert, sagt Barbara Bernardi, der Blickwinkel sei ein rein subjektiver. Das spiegele sich in der Collage, die nur ein Sinnbild sein könne für die Veränderungen, die nicht immer sichtbar sind.
„Wir bleiben“: Debatten anhand der Habersaathstraße
Darüber diskutierten dann die Interviewten selbst. Beispiel Habersaathstraße: Ein Plattenbau für Mitarbeiterinnen der Charité, 2006 von der Stadt für 2,2 Millionen Euro verkauft mit dem Versprechen, dass sich für die Mieter nichts ändere, wechselte 2018 für diesmal 22 Millionen Euro erneut den Besitzer. Der neue Investor wollte den Bau abreißen, Kündigungen flatterten ins Haus, vielen wurde die Unsicherheit zu groß. Daniel Diekmann wollte bleiben. Mit seiner Initiative „Leerstand hab ich saath“ holte er neue Mieterinnen, auch Obdachlose vom Alexanderplatz ins Haus. Janet Amon ist eine davon. Für sie ist diese Wohnung der Anfang in ein geregeltes Leben, „waschen, duschen, Freunde einladen“, sagte sie.
Dabei betrifft Gentrifizierung auch den Mittelstand. Conny Pfeiffer vom „Netzwerk #200Häuser“ berät Mieterinnen mit Eigenbedarfskündigung. Warum die Politik, so wenig dagegen tue, wurde sie gefragt. „Politiker sind selbst meist Eigentümer“ vermutete sie. Damit erklärt sich für sie auch, dass seit dem Enteignungs-Volksbegehren so wenig passiert sei. Eine zu simple Erklärung für einen hochkomplexen Prozess.
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