Theater

Auge in Auge mit Helene Weigel: „Antigone :: Comeback“

| Lesedauer: 3 Minuten
Wer ist Antigone? Claudia Renner als Helene Weigel.

Wer ist Antigone? Claudia Renner als Helene Weigel.

Foto: Heinz Holzmann / mail@heinz-holzmann.at

In den Uferstudios zeigt das Theaterkollektiv „Raum + Zeit“ eine immersive Installation über Bertolt Brecht und Helene Weigel

Man muss auf die Stimme hören, und zwar genau, denn sie kennt den Weg. Zu Beginn der immersiven Installation „Antigone :: Comeback“, die vom 19.-23. Oktober in den Uferstudios zu erleben ist, werden die Gäste mit einem Kopfhörer und einem kleinen mp3-Player ausgestattet. Die Stimme sagt, wo es langgeht: An den Bäumen im Hof vorbei, durch den langen Gang, dann nach links zu den drei Glastüren, davon die mittlere. Zwischendurch macht sie ein nettes Wortspiel, in dem Friedrich Luft vorkommt.

Das deutsch-schweizerische Theaterkollektiv „Raum und Zeit“ um die Dramaturgin Alexandra Althoff, den Regisseur Bernhard Mikeska und Lothar Kittstein ist für die Arbeit „Berlau :: Königreich der Geister“, zu sehen in der vergangenen Spielzeit am Berliner Ensemble, von der Berliner Morgenpost und Deutschlandfunk Kultur mit dem Friedrich-Luft-Preis ausgezeichnet worden, die Verleihung findet am 7. November im Neuen Haus des Berliner Ensembles statt. „Antigone :: Comeback“, das im Oktober 2018 im schweizerischen Chur uraufgeführt wurde und nun seine Berlin-Premiere feiert, ist mit der Berlau-Installation eng verzahnt – entwicklungsgeschichtlich und inhaltlich. Und doch behauptet es souverän seine Eigenständigkeit.

Lesen Sie auch:Friedrich-Luft-Preis für „Berlau :: Königreich der Geister“

In beiden Arbeiten geht es um Frauen im engen Arbeitsumfeld Bertolt Brechts, in beiden um die Frage nach Rollenzuschreibungen und Herrschaftsausübung am Theater, in beiden sehr existenziell und ergreifend um Identität. „Antigone :: Comeback“ führt in das Jahr 1948. Aus dem amerikanischen Exil zurückgekehrt, proben Brecht und Helene Weigel in der Schweiz das „Antigone-Modell“. Helene Weigel hat seit zehn Jahren nicht mehr auf der Bühne gestanden, Brecht braucht unbedingt einen Erfolg, um in Europa wieder Fuß zu fassen. Dabei kommt es fast zwingend zu Konflikten.

In die das Publikum im Wortsinn eintaucht, jeder Gast für sich. Hat man die Spielstätte gefunden und betreten, weisen stumme Mitarbeiterinnen den Weg in einen Holzkubus. Mit der VR-Brille findet man sich in einer schmucklosen Garderobe wieder. Ein Blick nach unten lässt das Antigone-Kostüm erkennen. Der Zuschauer ist Helene Weigel, Helene Weigel ist der Zuschauer: Es geht in dieser Installation darum, Grenzen aufzuheben – zwischen Traum und Wirklichkeit, aber auch zwischen dem Ich und dem Gegenüber.

Lektion über das Herrschen und Beherrschtwerden

Auf die virtuelle Bühne geführt, findet man sich in einer Probensituation wieder, in der Bertolt Brecht (Peter Jecklin) gottgleich und tyrannisch die Szene beherrscht. Mal bellt er aus dem Parkett herauf, man solle es doch besser zeigen, das Leiden der Antigone, dann wieder taucht er im Kostüm des Kreon in unmittelbarer Nähe auf. Es ist eine Lektion über Herrschen und Beherrschtwerden, die hier erteilt wird – und welche Kosten dies zeitigt, ist kurz darauf in direkter und höchst realer Gegenwart der Schauspielerin Claudia Renner zu erfahren, die in der Garderobe den Zuschauer direkt anspricht – und wiederum nicht, denn sie hadert mit sich selbst, sie ringt um ihre Würde. Die vielleicht acht Minuten, in denen man sie in der Rolle der Helene Weigel erleben kann, sind atemberaubend intensiv.

Wie auch der vielleicht 50 Minuten dauernde Abend als Ganzes: Eine kluge, aufrüttelnde, lange nachwirkende Reflexion über das Theater und das Leben.

Uferstudios Berlin, Uferstr. 23/Badstr. 41a, Mitte. Tickets: www.raumundzeit.art/antigone