Viel bühnenbildnerischen Aufwand braucht die 1994 in Vilnius geborene Regisseurin Uršulė Barto nicht, um Magda Romanskas „Opheliamaschine“ im Werkraum des Berliner Ensembles in Szene zu setzen. Rechts sehen wir einen hölzernen Kasten, aus dem Ophelia (Nina Bruns) im Lauf des Abends immer wieder neu hervorkommen wird, als wäre sie gerade dort produziert worden – mit immer neuen Rollenzuschreibungen und an sie gerichteten Erwartungen. In der Bühnenmitte findet sich ein mobiles Stück Kunstrasen auf einer hölzernen Kiste. Ein Grab genauso sehr wie Anspielung auf die berühmteste Ophelia-Darstellung der jüngeren Kunstgeschichte, das nach ihr benannte Gemälde von John Everett Millais aus dem Jahr 1852, das Hamlets Geliebte in einem Fluss treibend zeigt, kurz vor ihrem Tod.
Ein eigenständiges, widersprüchliches Wesen
Mehr als 400 Jahre sind vergangen, seit Shakespeares berühmtes Drama entstand – vier Jahrhunderte, in denen Ophelia meist nicht viel mehr war als eine Nebenfigur, nicht Subjekt, sondern Objekt der tragischen Verwicklungen. Hatte Heiner Müller in seiner „Hamletmaschine“ 1977 den Protagonisten aus seiner Rolle befreit, so holte das die Dramatikerin Magda Romanska wiederum vier Jahrzehnte später für Ophelia nach. Die acht Monologe, aus denen das Stück besteht, sind vor allem eine Selbstermächtigung. Sie zeigen Ophelia in verschiedenen Rollen, die sie als eigenständiges, durchaus auch widersprüchliches Wesen markieren.
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Die großartige, spielfreudige Nina Bruns versteht dieser Komplexität glaubwürdiges Leben einzuhauchen. „Ich bin schwanger“ ruft sie, aus ihrer Kiste hervorspringend, ein ums andere Mal – um, enttäuscht oder brüskiert von der Reaktion ihres Geliebten (Maximilian Diehle) oder dessen Mutter Gertrud (Hilke Altefrohne) gleich wieder dorthin zurückzukehren. Im Tanz um Ophelias Vielseitigkeit als Frau, als Liebende, als Intellektuelle verhakt sie sich mit Hamlet ein ums andere Mal. Das hat in seinen besten Momenten etwas erfrischend Anarchisches, in seinen schwächeren bleibt es ohne genauere Kenntnis der Textvorlage leider unverständlich.
Als Visitenkarte ist es dennoch bemerkenswert. Uršulė Barto inszeniert im Rahmen des Nachwuchsförderprogramms „Worx“, in dem auch ihre Regiekollegin Fritzi Wartenberg Ella Hicksons „The Writer“ inszenieren wird (Premiere: 11. November).
Berliner Ensemble, Bertolt-Brecht-Platz 1, Mitte. Termine: 17., 19., 21., 24. und 26. Oktober, jeweils 20 Uhr (21. Oktober: 20.15 Uhr).