Am 17. September eröffnen im Ostflügel des Humboldt Forums die neuen Sammlungspräsentationen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin. Zur vollständigen Öffnung des Hauses ist ein 24-Stunden-Programm geplant, vom Schlüterhof bis zur Dachterrasse. Ein Gespräch mit Hartmut Dorgerloh, dem Generalintendanten des Humboldt Forums.
Herr Dorgerloh, ab der kommenden Woche wird das Humboldt Forum mit der Eröffnung des Ostflügels vollständig zugänglich sein. Wie laufen die Vorbereitungen?
Hartmut Dorgerloh: Die Vorbereitungen sind abgeschlossen, in diesen Tagen erwarten wir viele internationale Gäste. Das ist der große Unterschied zu den beiden Eröffnungen, die wir bereits hatten: Wir können jetzt in viel stärkerem Maße partizipativ entstandene, gemeinsam kuratierte Projekte sichtbar machen. Und das Publikum kann unsere Partner auch bei Führungen, Diskussionen und Performances im Schlüterhof und in den Ausstellungen, im Rahmen einer 24-Stunden-Öffnung ganz direkt treffen.
Das sind Menschen aus den Herkunftsländern?
Es sind Menschen aus der ganzen Welt, und ganz unterschiedliche: Lehrerinnen aus Kolumbien, Museumsleute aus Namibia, Filmemacher aus Papua-Neuguinea, Vertreterinnen aus indigenen Communities, zum Beispiel aus Amazonien. Das wird auch in den Wechselausstellungen besonders deutlich. „Herkunftsländer“ heißt übrigens nicht automatisch, dass tausende Kilometer Anreise erforderlich sind. Wir sind ein Haus der internationalen Vielstimmigkeit, aber auch der diversen Stadtgesellschaft. Diese beiden Dimensionen unserer Arbeit wollen wir an diesem Eröffnungswochenende zeigen. Und gleichzeitig haben wir viele Workshops mit unseren Gästen, mit dem Ziel, dass sie sich untereinander besser kennenlernen und Gemeinsames entwickeln. Das Humboldt Forum versteht sich da auch als Ermöglicher.
Mit dem Ostflügel werden auch die Räume für die Benin-Bronzen zu sehen sein. Da hat sich in den letzten Monaten viel getan. Wie hat sich das auf das kuratorische Konzept ausgewirkt?
Die Kolleginnen und Kollegen vom Ethnologischen Museum haben mit den Partnern aus Nigeria diese beiden Ausstellungsräume überarbeitet. Und da ist etwas sehr Anderes herausgekommen, auch gestalterisch und mit einer viel stärkeren Einbeziehung von zeitgenössischen künstlerischen Positionen. Diese Form der Zusammenarbeit, die in den temporären Ausstellungen besonders stark sichtbar ist, wird auch in den Dauerausstellungen zukünftig eine immer wichtigere Rolle spielen, nicht nur im Hinblick auf vollzogene Restitutionsentscheidungen, wie bei den Benin Bronzen.
An den bereits zugänglichen Ausstellungsbereichen der Staatlichen Museen gab es Kritik, das Schlagwort der „kolonialen Amnesie“ machte die Runde.
Ich finde, dass man in der Gesamtschau noch einmal sehr viel deutlicher sieht, dass pauschale Beurteilungen dieser Ausstellungen wenig hilfreich sind. Das sind sehr verschiedene Themen, Kontexte und Fragestellungen. Es gibt bestimmte Ausstellungsbereiche, die sich sehr dezidiert und schwerpunktmäßig mit der Kolonialgeschichte beschäftigen.
Wie bewerten Sie die öffentliche Debatte in der Rückschau?
Ich finde es gut, dass die Diskussionen, die es rund um das Humboldt Forum schon vor seiner Eröffnung gab, viele politische Entscheidungen und auch veränderte Haltungen in Museen befördert hat, nicht nur in Berlin. Die Grundlagenstrategie für die vier Partner im Humboldt Forum – die Stiftung Humboldt Forum, die Stiftung Stadtmuseum Berlin, die Staatlichen Museen und die Humboldt-Universität –, schreibt genau fest, dass wir ein Ort für die internationale Vielstimmigkeit, für Transdisziplinarität und Erfahrungswissen und für die diverse Stadtgesellschaft sein wollen. Daraus folgt auch, dass wir uns weniger wichtig nehmen und zuhören sollten, anstatt zu senden. Das ist der große Schritt nach vorn, und dafür braucht es langjährige Vertrauensarbeit und es stabile Verhältnisse, auch finanziell. Da ist es nicht förderlich, wenn im laufenden Haushalt fünf Millionen Euro gestrichen werden, wie es in diesem Jahr geschehen ist. Das ist eine Hypothek für internationale Zusammenarbeit.
Gibt es Differenzen zwischen Medienecho und Publikumsresonanz?
Das Medienecho ist sehr breit und vielfältig, auch international. Und auch die positive Publikumsresonanz bestärkt uns. Viele unserer Besucherinnen und Besucher sagen, sie müssten noch einmal wiederkommen, weil sie längst nicht alles sehen konnten. Wir sehen auch, dass unser großes Angebot eine noch bessere Orientierung im Haus für das Publikum erforderlich macht. Und wir werden zunehmend auch als ein Ort wahrgenommen, der kein Museum ist, sondern wirklich ein Forum. Wir müssen unser Publikum natürlich auch gewinnen, damit das gelingen kann – wir konnten das gut beobachten bei unserem Sommer-Open-Air, das dieses Jahr deutlich mehr Besucher hatte, doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. Bei der Langen Nacht der Museen waren wir der am stärksten besuchte Ort, das sind natürlich schöne Ergebnisse. Es gibt ein reges Publikumsinteresse, und das nicht nur, weil wir ein attraktiver Ort sind, sondern weil wir auch wichtige Themen ansprechen.
Wie gut werden die Außenflächen genutzt?
Die Außenflächen müssen zunächst fertig gebaut werden, das ist die Aufgabe des Landes Berlin. Wir finden es schade, dass das Freiheits- und Einheitsdenkmal vor dem Eosanderportal noch nicht fertiggebaut ist, das wird vermutlich erst nächstes Jahr im Sommer der Fall sein. Wir hoffen, dass es dann eine baldige Realisierung der Treppe zur Spree gibt, um noch einmal eine andere Anbindung des Raumes zu haben. Zur Karl-Liebknecht-Straße hin hoffen wir auf einen schnellen Abschluss der Bauarbeiten. Wir bauen ja auch noch das Sanchi-Tor an die Lustgartenseite. Wir sehen, dass bestimmte Bereiche sehr gut funktionieren, zum Beispiel die Spree-Terrasse. In anderen Bereichen, zum Beispiel auf der Südseite, muss man die Aufenthaltsqualität vor allem in den immer heißeren Sommern noch verbessern. Da müssen wir uns etwas überlegen – aber auch das ist im Wesentlichen eine Aufgabe des Landes Berlin. Vielleicht wäre ein Brunnen eine gute Idee.
Welche Ausstellung im Humboldt Forum war bislang die erfolgreichste?
Das lässt sich schwer beantworten, weil die meisten Ausstellungen eintrittsfrei sind. Was sehr erfolgreich war, obwohl sie in der Corona-Zeit lief, war die Kinderausstellung „Nimm Platz!“. Das hat uns sehr ermutigt, zu überlegen, ob wir bei der weiteren Planung des Humboldt Forums nicht ein dauerhaftes Ausstellungsangebot für Kinder brauchen.
Die Stiftung Stadtmuseum lässt das Marinehaus umgestalten. Ist es denkbar, dass sich Berlin nach der Fertigstellung wieder aus dem Humboldt Forum verabschiedet?
Wir haben insgesamt im Haus ein deutlich jüngeres und vielfältigeres Publikum als andere Museen. In der Berlin-Ausstellung macht sich das deutlich bemerkbar, und auch deshalb freuen wir uns darüber, das Stadtmuseum mit „Berlin Global“ im Haus zu haben. Aber die Ausstellung ersetzt nicht, was im Marinehaus und im Märkischen Museum realisiert werden soll, nämlich eine neue, zeitgemäße Darstellung der gesamten Stadtgeschichte. Ich hoffe, dass Berlin nicht den einen Standort gegen den anderen ausspielt.
Es gab Ärger zwischen der Stiftung Humboldt Forum und dem Förderverein Berliner Schloss, weil die Spendengelder für die Rekonstruktion der Fassade zum Teil aus rechten Kreisen stammten. Der Förderverein weigert sich, die Namen offenzulegen. Wie ist der Stand der Dinge?
Wir sind mit dem Förderverein aktuell in wieder konstruktiven Gesprächen. Wir müssen jetzt, wo die Baumaßnahmen im Wesentlichen abgeschlossen ist, die Frage klären, wie die künftige Zusammenarbeit aussieht. Auch der Förderverein hat gesehen, dass ein transparenter und differenzierter Umgang mit den Spendengeldern heute etwas ist, was viel stärker von der Öffentlichkeit erwartet wird.
Die Stiftung nimmt in Zukunft keine Großspenden mehr an, deren Herkunft unklar ist.
Das steht ganz klar in unserem Entwurf der neuen Spendenrichtlinie. Und wir hoffen sehr, dass der Stiftungsrat sie im Herbst verabschiedet.
Wie ist es um die Finanzierung des Humboldt Forums für die nächsten Jahre bestellt?
Wir sind ein neues Haus und merken gerade, dass wir im Unterschied zu vielen anderen Einrichtungen beispielsweise noch gar nicht sagen können, wie viel Energie wir einsparen – weil wir noch gar nicht wissen, wie viel wir verbrauchen. Wir gehen jetzt erstmals in den vollständigen Betrieb, und wir müssen ganz klar sagen, dass wir noch keine gesicherte Grundfinanzierung für die nächsten Jahre haben. Wir müssen mit dem Bund darüber reden, wie die hohen Erwartungen an das Humboldt Forum umgesetzt und finanziell abgesichert werden können. Aber auch das Land Berlin ist mit seinen beiden Einrichtungen, Humboldt Universität und Stadtmuseum, an der Finanzierung des Humboldt Forums beteiligt.
Im Herbst ist mit dramatisch steigenden Energiepreisen zu rechnen. Was bedeutet das für Ihre Einrichtung?
Wir haben zwar die größte Geothermie-Anlage in der Stadt, und es hilft uns auch, dass wir besonders dicke Wände haben – das ist ein Vorteil der historischen Rekonstruktion der Fassade. Wir müssen aber jetzt erst einmal sehen, wie viel Energie wir insgesamt überhaupt brauchen. Wir haben weit über 100 raumlufttechnische Anlagen, darunter allein 40 Klimaanlagen im Haus, die ein stabiles Raumklima für die Kunstgüter sicherstellen – auf einer Ausstellungsfläche von vier Fußballfeldern. Momentan rechnen wir mindestens mit einer Verdopplung der Energiekosten. Aber klar, da schauen wir ganz aktiv nach Einsparmöglichkeiten, nicht nur durch die abgeschaltete Außenbeleuchtung.