Das Berliner Landgericht hat die Einstweilige Verfügung gegen die Schaubühne auf – das Stück „Fear“ darf Gesichter zeigen.

„Sie müssen hier nicht Theater machen“, sagt der Vorsitzende Richter recht früh in der Verhandlung in Richtung Johnny Eisenberg. Seiner Aufforderung wird an diesem Dienstagvormittag im Landgericht am Tegeler Weg nicht Folge geleistet werden. Die Anwälte der beiden Parteien zeigen ein schönes Schauspiel, schlagfertig, rhetorisch stark und bei aller Freude an der eigenen Darstellung mit Hingebung um die Sache ringend. Man hätte auch umstandslos Eintritt für die Gerichtsverhandlung bezahlt.

Auf der einen Seite stehen Johnny Eisenberg und Stefanie Schork, die die Schaubühne vertreten, auf der anderen Seite Jan Hegemann, Partner der Anwaltssozietät Raue LLP. Seine Mandatin ist Hedwig Freifrau von Beverfoerde, eine Sprecherin der „Demo für alle“. Nach eigenen Angaben tritt die Organisation „für Ehe und Familie, auf die unsere Gesellschaft seit Jahrtausenden gründet“, ein und wende sich „gegen die alles durchdringenden Umerziehungsversuche gut organisierter Lobbygruppen und Ideologen“. Sie ist anwesend, im Gegensatz zu Beatrix von Storch, der stellvertretenden Vorsitzende der AfD. Beide haben sich dagegen gewehrt, dass ihre Fotos und Bilder in der Aufführung „Fear“ an der Schaubühne, das im November Premiere hatte, gezeigt werden. Und beide haben verloren: Am Nachmittag nimmt das Landgericht die einstweilige Verfügung zurück. Das Landgericht habe sich der Auffassung der Schaubühne, unter dem Schutz der Kunstfreiheit gehandelt zu haben, angeschlossen, so Eisenberg. Jan Hegemann von der Anwaltssozietät Raue LLP, sagte gegenüber der Berliner Morgenpost, dass er natürlich prüfe, in die Berufung zu gehen, doch zuvor müsse er einmal die Urteilsgründe lesen.

Abzuwägen galt es zwischen Persönlichkeitsrechten und Kunstfreiheit. Anwalt Hegemann sieht am Vormittag bei der Verhandlung sogar die Menschenwürde seiner Mandatin verletzt, was aus seiner Sicht den Vorteil hätte, dass die Menschenwürdegarantie absolut ist und damit nicht abwägungsfähig. Von Beverfoerde habe sich nichts zu Schulden kommen lassen, so ihr Anwalt, warum müsse sie sich das gefallen lassen?

Wobei, was genau ihre Persönlichkeitsrechte verletzt, war umstritten. Dass kein Mensch mit ein bisschen Restverstand gern sein Konterfei aneinandergereiht mit der mutmaßlichen Terroristin Beate Zschäpe und dem Massenmörder Anders Breivik sehen möchte, ist nachvollziehbar. Anwalt Hegemann verweist auch darauf, dass die dargestellten Personen nicht funktionalisiert worden seien, auch würde von Beverfoerdes Maske die Augen ausgerissen werden.

Die Gegenseite beharrt darauf, dass in dem Stück mitnichten Augen ausgerissen werden, das sei einfach falsch. Als problematisch erweist sich für Hegemann, dass weder er noch seine Mandatin das Stück gesehen hatten, so konnten die Anwälte der Schaubühne, die die Inszenierung kennen, ihre Sicht auf das Stück ungebremst schildern. Falk Richters Stück stelle demnach dar, wie seine Figuren, fröhlich saturierte Hipster mit einer Neigung zu Yoga und Urban Gardening, sich auf Recherchetour durch die Netzwerke der Rechten begeben und dabei auf die Untoten der deutschen Vergangenheit stoßen, die Zombies. Diese seien keine realen Personen, sondern stammen aus der Gedankenwelt der Hipster. Das Stück zeige, was passiere, wenn die Ängste der Gesellschaft wahr werden. Zudem sei von Beverfoerde „Frontfrau der christlichen Fundamentalisten“ und nicht „die nette Nachbarin“, sie müsse sich der Kritik stellen.

Von Beverfoerde sagt dem Gericht, sie trete für nichts „Abartiges und Angstmachendes“ ein, von ihr werde ein „Zerrbild“ dargestellt. „Was heute möglich ist, finde ich unglaublich. Diesem Urteil würde sich die Schaubühne anschließen, wenngleich mit einer anderen Begründung. Denn diesen Gerichtsprozess sehen sie als Teil einer Kampagne der Rechtskonservativen, die jede Kritik an ihr mit Hassmails, Anfeindungen und Gewaltandrohung beantwortet.