Coconut Hero

Teamarbeit beim Film: Die eine schreibt, der andere dreht

| Lesedauer: 8 Minuten
Peter Zander
Filmemacher Florian Cossen und Elena von Saucken.

Filmemacher Florian Cossen und Elena von Saucken.

Foto: Amin Akhtar

Elena von Saucken und Florian Cossen drehten ihren Film "Coconut Hero" in Kanada. Den Produzenten wäre der Schwarzwald lieber gewesen.

Drehbücher zu schreiben, ist ein trostloser Beruf. Man sitzt überwiegend allein in seinem Kämmerlein. Und gibt am Ende sein Produkt ab. Was der Regisseur am Set daraus macht, darauf hat man meist keinerlei Einfluss. Wenn man Glück hat, wird man zur Premiere des fertigen Films geladen und darf dann sehen, was von den eigenen Ideen übrig geblieben ist.

Um diesem Frust zu entgehen, inszenieren die einen ihre Filme selbst, die sogenannten Autorenfilmer. Und die anderen gehen eine feste Verbindung mit dem Regisseur oder der Regisseurin ein. Man hat auch schon von Geschwistern gehört, die zusammen ihre Skripts verfassen (die Coens und Wachowskis), oder von einer Mutter, die für ihren Sohnemann schreibt (Heide und Christian Schwochow).

Selten aber ist die Verbindung so eng wie bei Florian Cossen und Elena von Saucken. Sie sind ein Paar, zu Hause wie am Set. Sie entwickeln ihre Filme gemeinsam. Mit einer klaren Rollenverteilung: Die Dame schreibt’s, und der Herr verfilmt’s.

So haben sie es bei ihrem Debüt „Das Lied in mir“ gemacht, jenem anrührenden Drama, in dem Jessica Schwarz herauskriegen muss, dass ihr leiblicher Vater gar nicht Michael Gwisdek ist, sondern dass ihre Eltern Opfer der argentinischen Militärdiktatur geworden sind und der vermeintliche Vater sie einfach mitgenommen hat.

„Das Lied in mir“ hat vor fünf Jahren eine schöne Preis- und Festivalkarriere gemacht, die in zwei Lolas beim Deutschen Filmpreis und drei Auszeichungen beim Filmfestival von Montréal gipfelte. Nun legen sie mit „Coconut Hero“, der am Donnerstag ins Kino kommt und heute Berlin-Premiere im Filmtheater am Friedrichshain feiert, ihren zweiten Film vor.

Und der ist so ganz anders als der erste. Kein Drama, sondern eine rabenschwarze Komödie über einen 16-Jährigen, der sich das Leben nehmen will. Dessen erster Versuch mit einem Gewehr knapp daneben geht und alles anstellt, um es beim zweiten Mal besser zu machen.

Wobei ihm ein Hirntumor überraschend zu Hilfe kommt. Nach der Nick-Hornby-Verfilmung „A Long Way Home“ ein weiterer Beleg, dass man über Suizidversuche zumindest im Kino auch befreiend lachen kann.

Erster Film in Süd-, zweiter Film in Nordamerika

„Das Lied in mir“ wurde in Südamerika gedreht, „Coconut Hero“ in Nordamerika, in den Wäldern von Kanada. Warum in die Ferne schweifen? Warum nicht mal einen Film zu Hause drehen? Die beiden lachen, als wir sie in Schöneberg auf einen Kaffee treffen und diese Frage stellen. Denn die bekamen sie oft zu hören. Nicht nur von Journalisten. Vor allem auch von Produzenten. „Warum dreht ihr das nicht im Schwarzwald?“, bekamen sie zu hören.

„Wir hätten das viel schneller finanziert bekommen“, gibt Cossen zu. „Wahrscheinlich hätten wir auch mehr Geld gehabt.“ Filmförderer öffnen ihre Geldtöpfchen aber halt nur, wenn einige Szenen auch in ihrer Region gedreht werden. Das Paar pflegt die Frage gewöhnlich mit einem lässigen „Warum nicht?“ abzubügeln. „Wenn ich einen Film in Berlin drehe“, sagt Cossen, „habe ich doch auch die Wahl zu überlegen, ob das im Prenzlauer Berg oder in Marzahn spielt.“

Mit vielen Sprachen aufgewachsen

Für Cossen ist das auch ein biografisches Moment. Er ist als Diplomatensohn in Tel Aviv geboren, kam als Vierjähriger nach Montréal, mit neun nach Barcelona und erst mit 15 nach Bonn und damit ins Land seiner Eltern. Er ist also mit vielen Sprachen, dafür aber komplett ohne Film und Fernsehen aufgewachsen. Elena von Saucken dagegen ist in München geboren und aufgewachsen und ist der Tarantino von den beiden, weil sie alle Filme kennt.

Sie muss aber beim Schreiben inspiriert werden. Fremde Orte hätten da einen ganz anderen Reiz. „Wenn wir auf eine Idee stoßen“, sagt sie, „überlegen wir immer: Ist das überhaupt Deutschland? Oder wäre es nicht spannender, wenn wir das an einen anderen Spielplatz verlegen?“

Auf Kanada kamen sie, als sie hier 2010 „Das Lied in mir“ vorstellten und ein bisschen herumgereist sind. Wunderschöne Landschaft, endlose Wälder. Sie gingen da schon mit ihrem nächsten Stoff schwanger, ein Jugendlicher, der in seinem Provinzstädtchen keine Perspektive sieht. Und es sei doch viel interessanter, das mit einer filmischen Ästhetik zu verbinden, die auch das Gefühl von Weite, Horizont und Freiheit verspricht.

„Diese Ambivalenz“, sagt der 36-Jährige, „Langeweile nicht mit Langeweile, Depression nicht durch depressive Bilder zu erzählen, ist doch viel spannender.“ Elena von Saucken hat das also auf Kanada konzipiert, hat das Drehbuch auf Englisch geschrieben. Und dann wurde es vor Ort mit kanadischen Schauspielern gedreht – fernab von jeder Infrastruktur. Eine Herausforderung, ach was, ein Albtraum für jeden Produzenten.

Doppelter Exotenbonus

Das Risiko aber hat sich mehr als gelohnt. „Coconut Hero“ ist ein großartiger Film. Und, trotz allem, eine Hymne auf das Leben. Nun haben die in München lebenden Filmemacher einen doppelten Exotenbonus. Denn hierzulande wirkt ihr Film wie ein klassischer amerikanischer Indie, in dem nur „Victoria“-Regisseur Sebastian Schipper als Schauspieler eine Verbindung zu Deutschland erkennen lässt.

In Amerika dagegen empfindet man den Film als sehr europäisch, ja, es wird ihm sogar ein skandinavischer Humor attestiert. „American Indie made by Germans“, so hat man ihn auf dem Filmfest in München vorgestellt. Die Hauptsache aber ist: Er wird überall verstanden. Und gut aufgenommen.

Wie das Paar vor zehn Jahren zusammenkam, darüber gibt es zwei Varianten. Ihre und seine. Sie lernten sich an der Filmhochschule in Ludwigsburg kennen, so weit stimmen sie überein. Sie hat damals Produktion studiert und wollte einen Kurzfilm produzieren, hat ihn als Regisseur aber abgelehnt, weil sie gleich merkte, dass er ihr zu sehr gefalle, um mit ihm professionell arbeiten zu können. „Nein“, widerspricht er, „sie hat abgesagt, weil ich es gewagt habe, am Drehbuch zu kritisieren.“ Er, kontert sie, habe dann ein halbes Jahr nicht mehr mit ihr geredet.

So spielen sich die beiden die Bälle zu. Das zeigt vielleicht schon die Art auf, wie sie ihre Filme entwickeln. In ihrer Team- und Partnerarbeit gibt es klare Regeln. Sie schreibt, und er inszeniert. Es gebe auch ein Vetorecht, bestätigen beide, aber das werde selten genutzt.

Zäune gegen die berufliche Frustration

Wichtiger sei das Fundament des Einverständnisses. „Wenn uns beiden etwas gefällt, gibt einem das große Sicherheit. Wenn es nur einem gefällt, ergründen wir, was noch nicht daran stimmt.“ So verfahren sie nicht nur beim Verfassen des Buchs, sondern auch an jedem Abend nach dem Dreh.

Das erklärt wohl, warum ihre Filme so stimmig und ausgefeilt sind. Aber ist das ein Segen oder nicht auch ein Fluch, ständig alles zusammen zu machen? „Es ist ein wunderschöner Fluch“, orakelt Cossen. „Es ist ein Segen, diese Passion zu teilen.“ Man versteht sich ohne Worte, intuitiv, das sei ein Riesenvorsprung. Aber natürlich kann man abends nicht nach Hause und einfach abschalten, wenn der andere gerade eine zündende Idee hat.

Dreharbeiten, sagen beide, seien eine „lange Wanderung durch Täler“. Die berufliche Frustration nicht ins Private mitzunehmen, das funktioniere nicht immer. „Aber“, so Cossen, „man kann ihr ein paar Zäune in den Weg stellen.“