Mode-Fotografie

F.C. Gundlach zeigt Berlin nach dem Krieg

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Gabriela Walde

Haute Couture und Glamour statt Tristesse und Elend: In seiner Ausstellung "Berliner Durchreise" zeigt der Modefotograf F.C. Gundlach pünktlich zur Fashion Week die Modemetropole Berlin nach dem Krieg.

Das gemeinsame Treffen darf man sich wohl als einen dieser vitalen Herrenabende vorstellen, bei denen am Ende ein neues Projekt steht. Vor zwei Jahren – im Rahmen der Fashion Week – treffen sich F.C. Gundlach, der 84-jährige Sammler und einer der angesehensten Modefotografen der Nachkriegszeit und Bruno Brunnet von CFA, einer der angesagten Galeristen Berlins, und plauschen munter über Berlin, Mode, Kunst und darüber, wie gut es der Hauptstadt stünde, wie einst internationale Mode-Metropole zu sein. Die beiden Herren waren sich einig darüber, dass Berlin modemäßig durchaus noch Potenzial hat – und am Schluss entstand – rechtzeitig zur Fashion Week Anfang Juli – die Ausstellung „Berliner Durchreise“ mit rund 250 Fotos von F.C. Gundlach aus den Jahren 1953 bis 1964. Der Titel nimmt Bezug auf die 1950 gegründete Modewoche. Die Hängung ist so clever, dass verschiedene Geschichten erzählt werden.

Für CFA ist diese Schau ein absolutes Novum, eigentlich ist die Galerie auf Gegenwartskünstler wie Anselm Reyle, Raymond Pettibon oder Jonathan Meese abonniert.

Das Schöne ist, dass Gundlachs Vintage Prints weit mehr zeigen, als Berlins Models und Mode in den Fünfziger und Sechzigern, sondern ein flirrendes Kapitel Kulturgeschichte, das einmal mehr deutlich macht, wie vital die Stadt trotz Krieg und Zerstörung war. Dennoch war Berlin keine Stadt des lebendigen Wirtschaftswunders wie München oder Düsseldorf. Die politische Situation hing „wie ein Damoklesschwert über allem“, erzählt F.C. Gundlach.

Rechtzeitig zur Fashion Week

In diesen Jahren war er als Mode- und Reportagefotograf unterwegs, Auftraggeber war das goldversetzte, edle Magazin „Film und Frau“, das damals sechzig Pfennig kostete und Themen behandelte, die man heute als „Zeitgeist“ beschreiben wurde. Rund 100 Cover und 5000 Seiten entstanden so mit seinen Motiven. Nur für die Frauenzeitschrift „Brigitte“ sollte er später mehr fotografieren.

„Es gab bei uns keine Trümmer“, sagt Gundlach. „Nach dem Krieg wollte die keiner sehen. Dennoch bauten wir keine Pseudo-Welt in unseren Fotos auf, aber wir setzten auf Wünsche und Träume. Um ehrlich zu sein, die Garderobe war nicht erschwinglich. Also spielten wir große Welt mit Weißfuchsstola und Nerz.“ Bei CFA gibt es also ein Wiedersehen mit Ikonen, darunter jene Aufnahme mit der schönen schwarzen Lady in Pelz und Perlmutt vor dem Brandenburger Tor – entstanden eine Woche vor dem Mauerbau im August 1961.

Berlin hatte sich als ehemalige Modemetropole nach dem Krieg schnell wieder berappeln können, denn die alte, dezentrale Struktur bestand noch. Modeschöpfer wie Gerd Staebe und Hans Seger, Hans Gehringer und Uli Richter entwarfen am Kurfürstendamm, Stoffimporteure, Zwischenmeister und Schneiderinnen arbeiteten rund um den Hausvogteiplatz. Erst mit dem Bau der Mauer brach dieses Modell zusammen.

Für den „Stern“ dokumentierte Gundlach zudem die großen Gesellschaftsereignisse, die die Berliner elektrisierten, weil sie ein Stück weite Welt und mit ihr etwas Glamour in die Trümmerstadt zurück brachten. Wie die Eröffnung des Hilton Hotels im November 1958 an der Budapester Straße – es kostete damals 27 Millionen und galt mit seiner Schachbrett-Fassade, die jetzt unter Denkmalschutz steht, als das modernste Hotel Europas. Mr. Conrad Hilton reiste an, persönlich geladen waren natürlich Bürgermeister Willy Brandt und auch Hedda Adlon, deren Hotel 1945 durch einen Brand zerstört worden war. „Frau Adlon trug einen Chinchilla, er galt als das Teuerste, was es damals gab, nur war er etwas gelbstichig.“ Dazu muss man wissen, dieser Pelz muss aufwendig gepflegt werden. „Das Hotel hat den Krieg nicht überlebt, Frau Adlon hat ihn überlebt – und ihr Chinchilla auch irgendwo.“ Solche Geschichten und skurrile Detailbeobachtungen kann nur Gundlach erzählen. 1960 ist er bei der 10. Berlinale dabei, er soll ein Porträt von Garry Grant machen; der Hollywood-Schauspieler will erst eine Handtasche kaufen. Gundlach begleitet ihn also zu Goldpfeil, wo die Verkäuferin nahezu in Ohmacht fällt, als sie spät erst „Mr. Wunderful“ erkennt.

Im gleichen Jahr wird im Juni der Neubau der Akademie der Künste am Hanseatenweg geöffnet. Das „Who is Who“ der Kulturszene trifft sich hier, die Architekten Werner Düttmann und Hans Scharoun sind dabei, die Tänzerin Mary Wigman sowie der legendäre Theaterkritiker Friedrich Luft. Dieses Zusammentreffen wirkt ein wenig wie ein intellektuelles Sit-in, es wird geraucht, getrunken und heiß diskutiert. Die aus dem Exil zurückgekehrte Lotte Lenya will vor Publikum singen, doch ihr versagt vor Rührung die Stimme. Gundlach hat dieses Psychogramm der Heimkehrerin in verschiedenen Nuancen festgehalten.

Zumindest was die Models betrifft, so findet Gundlach, sei es früher schwieriger gewesen, – es gab keine Agenturen, die alles managten. Dennoch sei der Fotograf damals autarker und freier gewesen, „es gibt Make-up-Artisten, Stylisten, Agenten und und und. Jeder will mitreden. Früher konnte man als Fotograf seine Inszenierung selbst verantworten.“

Jeder trägt heute „seine“ Mode

Doch mit der Mode läuft es heute lockerer, wenn auch nicht unbedingt schöner, schon gar nicht eleganter, findet er. Wo früher schmalste Taillen waren, gibt's heute legere Streetwear. Egal, „schließlich ist heute jeder sein eigener Modeschöpfer!“

CFA, Contemporary Fine Arts, am Kupfergraben, Berlin-Mitte. Tel.: (030) 2887870. 11-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr. Bis 30. Juli 2011. Die Preise liegen bei 3500 bis 12.000 Euro.