Late Night "Illner"

Guttenbergs Abgang und das "süße Gift des Zweifels"

| Lesedauer: 5 Minuten
Christoph Löhr

Nach Guttenbergs Zapfenstreich sendete Maybrit Illner dem Ex-Minister einen weiteren Abschiedsgruß hinterher. Und bediente dabei die Verschwörungstheoretiker.

In Gesprächssituationen gibt es einige Dinge, die wirklich unangenehm sind: das Erklären der eigenen Witze zum Beispiel. Oder das gnadenlose Breittreten eines eigentlich erledigten Themas. Seit Wochen haben sich Deutschlands Talk-Granden mit allerlei Gästen in den Plagiatsfall rund um Karl-Theodor zu Guttenberg verbissen. So recht davon lassen können sie offensichtlich nicht. Warum sonst hätte Maybrit Illner noch eine derart überflüssige Ehrenrunde drehen sollen?

Den endgültigen Abschied des Ex-Ministers beim großen Zapfenstreich zum Anlass nehmend, präsentierte die Moderatorin in ihrer Sendung die x-te Variation über das Thema. Wenn die Konkurrenz von der ARD das festliche Tuten, Blasen und Salutieren schon live auf die Mattscheibe zaubert, möchte man eben zumindest bei der Zweitverwertung in der ersten Reihe dabei sein.

Immerhin hatten Illner und ihre Redaktion einige Gesprächspartner aus dem Hut gezaubert, die sich bis jetzt noch nicht über die Maßen zum tiefen Fall des hohen Herrn geäußert hatten. Die brachten aber auch nur längst besprochenes ein – zwar neu formuliert, aber trotzdem langweilig. Dabei war die Fragestellung des Abends betont zukunftsgewandt formuliert: „Braucht das Land neue Helden?“

Die Antwort war schon nach wenigen Minuten gefunden: „Kann sein.“ Danach erging man sich wieder in der Nacherzählung und Bewertung der altbekannten Geschichte. Wen das noch vom Hocker haute, muss in den letzten vierzehn Tagen am Südpol spazieren gewesen sein. Zwischendurch hätte man sich Herrenwitz-Veteran Fips Asmussen ins Studio gewünscht, der ein paar seiner Pointen erklärt. Aber eine Talk-Show ist eben kein Wunschkonzert.

Die SMS an Angela Merkel

So blieb dem geduldigen Zuschauer nichts anderes übrig, als sich einmal mehr die Rolle einiger CDU-Politiker im Allgemeinen und der Kanzlerin im Speziellen darlegen zu lassen. Hans-Ulrich Jörges, Mitglied der „Stern“-Chefredaktion, kam dabei mit der nicht mehr ganz frischen These um die Ecke, dass der Rücktritt zu Guttenbergs Angela Merkel weit weniger traurig gestimmt habe, als man vermuten könnte.

Wie zum Beweis ließ Maybrit Illner ein Video einspielen, das am vergangenen Wochenende im Internet aufgetaucht war. In diesem ist die Regierungschefin beim Erhalt einer SMS zu sehen, die sie gleich ihrer Nachbarin zeigt: passenderweise Bildungsministerin Annette Schavan. Beide wirken beim Anblick der Kurznachricht alles andere als konsterniert.

Ob es sich dabei um die Mitteilung des Guttenbergschen Rücktritts handelt, ist nicht zu belegen. Ambitionierten Verschwörungstheoretikern dürfte das Filmchen dennoch Wasser auf die Mühlen geschüttet haben.

Einer der Studiogäste schien sich mit solchen Gedanken bislang noch gar nicht beschäftigt zu haben. Dementsprechend beeindruckt zeigte sich Wilfried Scharnagl. Hatte der CSU-Politiker kurz zuvor noch vom Schulterschluss der Union („abgesehen von wenigen Abtrünnigen“) geschwärmt, konnte man in der Folgezeit die Wirkung beobachten, die das „süße Gift des Zweifels“ beim ehemaligen Chefredakteur des „Bayernkurier“ hinterließ. „Vielleicht gibt es mehr aufzuarbeiten als ich bisher angenommen habe“, ließ er die Runde an seiner Schlussfolgerung teilhaben.

Doch die war inzwischen schon längst im Thema fort gefahren. CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs sprach von der Lücke, die Karl-Theodor zu Guttenberg in der Politik hinterlassen habe. Derweil lobte „Bunte“-Chefredakteurin Patricia Riekel den überragenden Glamour-Faktor des Blaublüters und seiner Ehefrau. Wirklich neue Erkenntnisse hatte keiner der beiden zu bieten.

Dietmar Bartsch und der Adel

Derweil versuchte Dietmar Bartsch, stellvertretender Fraktionschef der Linken, eine seiner Aussagen während der Anhörung im Bundestag – inzwischen auch schon ein paar Tage her – zu relativieren. Mit der Anmerkung, früher hätte der Adel gewusst, was in solchen Momenten zu tun sei, habe er den damaligen Verteidigungsminister keineswegs zum Freitod überreden wollen.

„In früheren Zeiten haben sich Mitglieder des Adels reumütig in ein Kloster begeben, wenn die Ehre verloren war. Nur das habe ich damit andeuten wollen.“ Mit dieser Erklärung hatte er den einen oder anderen Lacher auf seiner Seite – ungläubige Lacher der Marke „Wer’s glaubt!“

Eine kurze Abhandlung Scharnagls zur Geschichte des Kommunismus später wurde auch schon der nächste Programmpunkt angegangen: die Macht des Internets.

Alle Zuschauer, die auch diesen überstanden, durften zum Schluss noch an den Einschätzungen der Anwesenden teilhaben, ob und wann Karl-Theodor zu Guttenberg in die Politik zurückkehren wird. „Ja und bald“, meinten die einen, „eher nicht“ die anderen. Nur Patricia Riekel schien die Frage nicht sonderlich zu tangieren. Für eine „Bunte“-Titelstory wird es schließlich auch ohne Land- oder Bundestagsmandat reichen.

Dann fand die Diskussion ihr wohl verdientes Ende. Eindrucksvoll hatten alle Beteiligten unter Beweis gestellt, dass zur Plagiatsaffäre wirklich alles gesagt ist – das meiste inzwischen sogar doppelt und dreifach. Demjenigen Talkmaster, der das Thema in den nächsten Tagen noch einmal aufwärmen möchte, sei bei der Suche nach Gesprächspartnern, die man noch nicht gehört und gesehen hat, viel Glück gewünscht.

Vielleicht versucht der oder die es mit Gläserrücken oder ähnlich Okkultem. Die Meinung von Franz-Josef Strauß könnte eventuell doch noch irgendwen zum Einschalten bewegen. Die üblichen Verdächtigen werden jedenfalls niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken.