Kein Tag ohne Karl-Theodor zu Guttenberg. Zuerst im Bundestag befragt , dann von der Universität Bayreuth die Doktorwürde aberkannt: Auch der Mittwoch stand ganz im Zeichen des Verteidigungsministers. Zum Abschluss eröffnete noch Frank Plasberg in seiner Sendung „hart aber fair“ die nächste Runde in der Medien, Politik und Universitätslandschaft beherrschenden Diskussion um den „Blödsinn, den ich da geschrieben habe.“ (KTzG, Rede in Kelkheim, 21.2.2011)
Dabei hatte der Moderator mit dem Fluch des späten Sendetermins zu kämpfen. Etliche seiner Kollegen hatten in ihren jeweiligen Talk-Formaten das Thema schon zuvor bis ins Detail durchexerziert. Zudem war das Kapitel Doktortitel kurz vor dem Beginn des Gesprächs endgültig zugeschlagen worden. Daher machte sich Plasberg mit seinen Gästen auf die Suche nach Aspekten, die bislang noch nicht betrachtet worden waren. Am Ende landete die Runde doch bei der allgegenwärtigen Frage: Rücktritt oder nicht?
Zunächst aber wurde ein wenig über die Diskrepanz zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung sinniert. Warum urteilt die Bevölkerung deutlich milder über zu Guttenbergs Handeln als es die Medien tun? Und warum sind die Beliebtheitswerte des CSU-Politikers trotz der „fehlerhaften Doktorabeit“ (KTzG, Fragestunde im Bundestag, 23.2.2011) ungebrochen hoch? Fehlt „dem kleinen Mann von der Straße“ (vgl. Ulrich Roski, TELDEC 1974) der Einblick in die Wichtigkeit korrekten wissenschaftlichen Arbeitens?
So zumindest die Vermutung von Thomas Oppermann. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion war einer von zwei Gesprächsteilnehmern bei Plasberg, denen die Aberkennung des Doktortitels als Konsequenz nicht weit genug geht. Auch für Hans Leyendecker, Ressortleiter Investigative Recherche der „Süddeutschen Zeitung“, sollen die Konsequenzen weiter gehen: Rücktritt also, oder Rauswurf. Alleine schon, weil zu Guttenberg dem akademischen Nachwuchs nicht mehr als Vorbild zu präsentieren sei.
Unisono warnten beide vor einer verheerenden Signalwirkung für die Wissenschaft im Lande, bliebe der ehemalige Doktor im Amt. „Es geht nicht um ein paar Fußnoten und Gänsefüßchen. Hier ist mit Raffinesse und Frechheit in einem Umfang kopiert worden, wie es bisher nur selten passiert ist“, sagte Leyendecker über das Ausmaß des Abschreibens, worüber zu Guttenberg am Tage im Bundestag gesagt hatte, dies sei weder wissentlich, noch willentlich geschehen. Durch eine Bagatellisierung dieser Angelegenheit aber werde die Glaubwürdigkeit der Politik in Mitleidenschaft gezogen, so Leyendecker.
Ein weiteres Duo war da ganz anderer Meinung. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt verortete den adligen Parteifreund in Sachen „Schuld und Sühne“ (vgl. Fjodor Dostojewski, 1866) im grünen Bereich. Zur Untermauerung dieser Sicht verwies Nikolaus Blome, Leiter des "Bild"-Hauptstadtbüros, auf die Stimme des Volkes. „Die Bürger haben sich ein Bild gemacht, sie haben abgewogen und die Mehrheit möchte, dass Karl-Theodor zu Guttenberg im Amt bleibt.“ Frank Plasberg konnte gleich die passenden Zahlen präsentieren. Laut einer aktuellen Umfrage sprächen sich derzeit 72 Prozent der Befragten gegen einen Rücktritt des Verteidigungsministers aus.
„Kampagne der Opposition“ hier, „verzockte Führungskompetenz“ dort: Früh waren die Positionen geklärt. Durch einige Einspielfilme unterbrochen, wurden diese noch mehrfach wiederholt. Aufeinander zu bewegten sich Nord- und Südpol im Verlauf der Sendung erwartungsgemäß nicht. Immerhin ging es weit weniger hitzig zu als noch am Nachmittag während der Aktuellen Stunde im Bundestag. Man ließ einander sogar ausreden.
Zwischendurch hob der fünfte Gast in der Runde das Gespräch auf eine christliche Ebene. Von Entschuldigen und Vergeben sprach der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, von moralischen Standards und von Werten. Zudem appellierte er an alle, den Menschen Karl-Theodor nicht nur nach diesem einen Ereignis zu beurteilen. Man solle nicht nur den fehlgeleiteten Wissenschaftler sehen, sondern auch den Politiker und die Privatperson.
Die Bundeskanzlerin hatte eine solche Spaltung der Person Guttenberg bereits Anfang der Woche versucht, als sie davon sprach, einen Minister und keinen wissenschaftlichen Assistenten angestellt zu haben. Eine Bemerkung, die Thomas Oppermann nicht unerwidert stehen lassen wollte. „Dann kann man auch jemanden anstellen, der einmal pro Monat betrunken Auto fährt, und sagen, man habe ja keinen Fahrer gesucht.“ Auf einen Quellenverweis verzichtete der SPD-Mann. In sehr ähnlichem Wortlaut hatte sich erst nachmittags Dr. Dietmar Bartsch, Bundestagsmitglied der Linken, geäußert. Dieses ungekennzeichnete Zitat sollte an diesem Abend jedoch lediglich eine Fußnote bleiben.
Der letzte Schmunzler der Sendung ging auf den Deckel von Alexander Dobrindt. Selbstsicher hievte dieser den inzwischen viel zitierten Begriff „Kairos“ aus dem Vorwort der Guttenbergschen Dissertation – „Klartextpolitiker?“ (Plasberg, „hart aber fair“, 23.2.11) – vom Griechischen ins Lateinische. Alte Sprache ist, wenn man trotzdem lacht.
Zum Ende der obligatorischen schnellen Schlussrunde dürften alle anderen Talkmaster in Deutschlands Fernsehlandschaft erleichtert aufgeatmet haben. Frank Plasberg hat noch genug vom Thema übrig gelassen, um auch in den nächsten Tagen die Guttenberg-Festspiele im TV weiterführen zu können.