Das Künstlerhaus Bethanien hat nach 35 Jahren seinen bisherigen Standort am Mariannenplatz in Kreuzberg verlassen und ist in ein Gebäude an der Kottbusser Straße gezogen. Zur Eröffnung kam auch Mr. Karstadt.

Mr. Karstadt alias Nicolas Berggruen weht geradezu in den Kreuzberger Kiez, sein schwarzes Handy fest in der Hand, als sei es eine Waffe im Anschlag. Hier in der Kottbusser Straße 10, ganz in der Nähe zum Kotti, umgeben von türkischen Bazars, einem Frauenladen und dem Reisebüro Özdemir wirkt er, der Immobilien-Global Player, zugegeben etwas fremd mit seinem gebügelten rosafarbenen Hemd und dem blauen Business-Anzug. Dass er an diesem Freitagmittag, in turbulenten Karstadt-Vertragsverhandlungstagen, überhaupt gekommen ist, ist ein sympathisches Statement.

Berggruen und seine Holding haben vor etwas mehr als einem Jahr in der Kottbusser Straße eine alte Fabrikhalle mit den typisch gerasterten Fenstern und den gekachelten Innenhöfen gekauft. Mehr als 12.000 Quadratmeter erstreckt sich der Gebäudekomplex, der neues Domizil des Künstlerhauses Bethanien ist. „Lichtfabrik“ hat Berggruen die Immobilie getauft, ehemals im Besitz der Gebrüder Israel, die dort Leuchtkörper für Gaslampen herstellten. Viel mehr weiß man nicht, es gibt kaum alte Fotos. Mit dem Museum Kreuzberg ist man in Kontakt, um weiter zu recherchieren.

„Wenn ich suche, dann gucke ich nach schönen, ästhetischen Gebäuden mit hohen Decken, im Zusammenspiel mit der Kunst ist das einfach ideal“, sagt der Kunstliebhaber mit eigener Sammlung. Oft sind es jüdische Immobilien, in die er investiert. Hat das vielleicht mit Berggruens eigener Familiengeschichte zu tun? „Wir kaufen nicht mit Augenmerk auf jüdische Geschichte. Doch wer sich in Berlin mit Häusern beschäftigt, findet überall Spuren jüdischen Lebens“, sagt Geschäftsführer Samuel Czarny. 70 Prozent von Berggruens Projekten liegen in Kreuzberg, beispielsweise an der Oranienstraße. Ein Kiez der Zukunft, findet er. Hier möchte er weiter kaufen. „Ein toller Bezirk, der nach der Wende zum Verlierer geriet. Heute aber für das offene, dynamische Berlin steht.“ Berggruen ist sich sicher, dass sich der Kiez in zehn bis fünfzehn Jahren gut durchmischen wird. Die Berggruen Holding ist dabei, ihren Sitz in die Kottbusser Straße zu verlegen.

Für Künstlerhaus-Leiter Christoph Tannert beginnt im Haus in der Kottbusser Straße eine neue Ära. Vorbei sind die nervenaufreibenden Zeiten des Gerangels mit den Hausbesetzern im maroden Bethanien am lauschigen Mariannenplatz. Bis heute fühlt sich Tannert von der linksgrünen Bezirkspolitik betrogen, die „diese Gesetzlosigkeit duldete“. Noch besser: die Berggruen-Miete mit 25.000 Euro monatlich für 4000 Quadratmeter ist kostengünstiger als im alten Stammquartier. Natürlich war mit der Kapelle des Bethanien eine andere Atmosphäre verbunden, doch nun ist das Bethanien „mitten im Leben des Urbanen“ angekommen, und die Fenstergalerie, so die Hoffnung, wird kunstaffine „Laufkunstschaft“ mobilisieren. „Die Künstler sind ganz begeistert von der Lage, der Kanal ist nicht weit mit all den angesagten Bars und Restaurants.“ Statt 20 Ateliers gibt es nun 25, hell und großzügig sind sie – mit 40 Quadratmetern aufwärts kein schlechtes Arbeiten für die Stipendiaten, die aus allen Himmelsrichtungen nach Berlin strömen.

Noch stapeln sich in den Geschossen der Verwaltung die Umzugskisten, die Bibliothek der 35 Jahre alten, vom Land unterstützten Institution ist noch ein „work in progress“. Doch Kunst ist schon von heute an zu sehen. Die schön geschwungene und aufgearbeitete wilhelminische Treppe lädt in die großzügige zentrale Ausstellungshalle. Dort präsentieren vier Fotografen anrührende Arbeiten zum Thema „All My Lovin'“. Da geht es um Distanz, Nähe und Gefühle zwischen Paaren, Vätern, Müttern, Kindern.

Auch bei der offiziellen Eröffnung am Freitagabend fühlte sich Nicolas Berggruen sichtlich wohl im Gedränge zwischen Künstlern, Kuratoren und Lokalpolitikern, die bis auf die Straße standen. Das Künstlerhaus werde neue Impulse geben für Kreuzberg, sagte der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit, bei seiner Begrüßungsrede. Es sei eine Stärkung für das Quartier und für die Kunststadt Berlin. Und mischte sich danach mit Nicolas Berggruen unter das bunte, feiernde Künstlervolk. Das Ganze sei „ein guter Einstand für die Umgebung“, findet Bethanien-Chef Tannert. Nach diesem Auftakt dürfte er Recht behalten.

Künstlerhaus Bethanien, Kottbusser Straße 10, Berlin-Kreuzberg. Ausstellungen: bis 4. Juli. Öffnungszeiten: Di-So 14-19 Uhr.