Das Land Berlin dringt darauf, dass der Aufsichtsrat den Baufortschritt am BER zusätzlich kontrolliert.
Im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft gibt es offenbar Zweifel am geplanten Eröffnungstermin für den neuen Hauptstadtflughafen BER im Herbst 2020. Nach Informationen der Berliner Morgenpost dringt vor allem das Land Berlin als einer der drei staatlichen Gesellschafter darauf, dass der Aufsichtsrat die Baufortschritte zusätzlich kontrolliert. Die Pläne, die der Zeitung exklusiv vorliegen, lesen sich wie ein Misstrauensvotum gegen die Geschäftsführung unter Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup.

Über ein eigens einzurichtendes Aufsichtsratsbüro sollen künftig die Unterlagen für Aufsichtsratssitzungen nach Plausibilitätsgesichtspunkten gesichtet werden – und auch das Reporting der Geschäftsführung an den Aufsichtsrat soll verbessert werden. Im Klartext: Die bisherigen Berichte aus der Flughafengesellschaft über den Baufortschritt am BER und die Einschätzungen des Flughafenchefs reichen Teilen des Kontrollgremiums offenbar nicht aus. Flughafenchef Lütke-Daldrup sieht weiterhin gute Chancen, dass der neue Airport im Oktober 2020 eröffnet werden kann.
„Es gibt in der Berliner Koalition den Wunsch, das Baugeschehen möglichst zeitnah und versiert zu begleiten“, heißt es auf Anfrage in Gesellschafterkreisen. Es dürfe nicht sein, dass das Controlling erst dann aufwacht, wenn es zu spät ist. Bei der Aufsichtsratsitzung am 13. Juli soll nicht nur über die finanzielle Situation am BER gesprochen werden, auf der Tagesordnung steht unter Verschiedenes der Punkt Aufsichtsrats-Controlling.
Erneute Terminverschiebung soll verhindert werden
Der Flughafen sollte mehrmals eröffnen, doch immer wieder türmten sich neue Probleme beim Brandschutz auf. Als der für Juni 2012 terminierte Eröffnungstermin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wenige Wochen vorher abgesagt wurde, musste sich der damalige Aufsichtsrat vorwerfen lassen, seine Kontrollpflichten nicht ausreichend wahrgenommen zu haben. Danach gab es weitere neue Eröffnungstermine, die ebenso gecancelt werden mussten. Das will der derzeitige Aufsichtsrat verhindern.
Für Streit sorgt in dem Kontrollgremium allerdings der Vorschlag aus Berlin, wonach ausgerechnet ein Aufsichtsratsmitglied mit eigenem Beratungsunternehmen für Bauprojekte mit der Leitung betraut werden soll - und dies gegen zusätzliche Vergütung. Der Gesellschaftervertrag sieht eine zusätzliche Vergütung nicht vor, pro Sitzung werden lediglich 128 Euro bezahlt - und Fahrtgeld.
Norbert Preuß, der auf Vorschlag der Grünen im März 2017 als Experte in den Aufsichtsrat entsandt worden war, soll die Aufgabe der zusätzlichen Überwachung übernehmen. Preuß ist erfahren bei Großbauprojekten. Von 1985 bis 1992 war er in am Neubau des Münchner Flughafens beteiligt.
In Brandenburg sorgt das Ansinnen für Empörung. „Das verstößt gegen die Compliance-Regeln“, wird in Kreisen des Flughafen-Mitgesellschafters kritisiert. Vom Bund war bislang keine Stellungnahme zu erhalten. Die Berliner Grünen verteidigen die Idee: Preuß gelte als ausgewiesener Experte und eine vertiefte Prüfung sei im Rahmen der normalen Aufsichtsratsarbeit nicht zu schaffen. Kritiker hingegen verweisen darauf, dass es bereits eigene Ausschüsse des Aufsichtsrats, wie beispielsweise den Projekt- und Finanzausschuss gebe.
Ob die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglied überhaupt rechtlich vertretbar ist, ließ das Land Berlin inzwischen in einem Gutachten klären. Das Ergebnis: Grundsätzlich kann ein Mitglied damit beauftragt werden, im Namen des Aufsichtsrates Aufgaben wie das Baucontrolling wahrzunehmen. Doch die Abgrenzung zur eigenverantwortlichen Tätigkeit der Geschäftsführung und den Befugnissen des Gesamtaufsichtsrates und der Ausschüsse müsse gewahrt sein. Auch dürfe das Mitglied keine Entscheidungen treffen, sondern lediglich vorbereitend tätig sein, um die Aufsichtsrats-Arbeit effektiver zu machen.
Der Verkehrsexperte der Berliner CDU-Fraktion, Stefan Evers, rät dringend davon ab, zur externen Überwachung der Flughafengesellschaft ausgerechnet jemanden aus der Mitte des Aufsichtsrates einzusetzen und dafür zusätzlich zu vergüten. „Wenn dem Aufsichtsrat an mehr Transparenz gelegen ist, dann muss dieser Auftrag öffentlich ausgeschrieben und an unabhängige Experten vergeben werden“, betonte der CDU-Abgeordnete. „Alles andere wäre eine Fortsetzung der BER-Mauschelei mit anderen Mitteln.“
Evers: „Entlassung wäre konsequent“
Der Oppositonspolitiker konstatiert: „Offensichtlich wachsen auch im Aufsichtsrat Zweifel an den rosaroten Darstellungen des Flughafenchefs zum BER-Eröffnungstermin 2020.“ Eine zusätzliche Kontrollinstanz zur Überwachung des Baufortschritts sei ein krasses Misstrauensvotum gegenüber der Geschäftsführung. „Wenn der Aufsichtsrat kein Vertrauen mehr in Herrn Lütke Daldrup hat, dann muss er ihn eigentlich entlassen“, wäre für Evers die Konsequenz.
Bislang steht nur fest, dass für Aufsichtsratschef Rainer Bretschneider in der Flughafengesellschaft ein Büro geschaffen werden soll. Er war in der Potsdamer Staatskanzlei angesiedelt, nun aber soll der neue Senatskanzleichef Martin Gorholt auf die Aufgabe des BER-Koordinators übernehmen. Bretschneider behält im Ruhestand den Flughafen-Aufsichtsratsvorsitz.
Die Flughafengesellschaft wollte zu der Diskussion um die stärkere Kontrolle durch den Aufsichtsrat keine Stellungnahme abgeben.
Der BER könnte auch nach Eröffnung noch Steuergeld kosten