Ein knappes „Guten Tag allerseits“, dann geht es los: Meinhard von Gerkan nimmt Platz, daneben sein Anwalt. In den folgenden 75 Minuten wird von Gerkan im Berliner Abgeordnetenhaus ein Statement abgeben. Thema: der Flughafen mit dem für ihn „immer noch schwer auszusprechenden Kurzwort BER“.
Es wird ein Plädoyer für die eigene Unschuld. Und ein Vorwurf an die obersten Verantwortlichen des Pannenflughafens. Er sagt: „Unsere Kündigung war ein unsäglicher Akt der Willkür.“
Es gibt viele, die das anders sehen. Deshalb ist der 79-Jährige am Freitag als Zeuge in den BER-Untersuchungsausschuss geladen. Es geht um die Frage, wie viel der Stararchitekt und seine Firma gmp zum Chaos beigetragen haben.
Der Vorwurf lautet: Planungsfehler, zahlreiche Mängelrügen über die Bauüberwachung, dazu die Insolvenz des technischen Planers IGK-IGR im Februar 2010, die die Planungsgemeinschaft um gmp nicht kompensieren konnte. Im Mai 2012 folgte schließlich die Kündigung für die Chefplaner. Einen Eröffnungstermin für den BER gibt es bis heute nicht.
Kündigung war eine Demütigung
Von Gerkan sieht die Schuld nicht bei sich, sondern bei den Bauherren. Und er sieht seine Kündigung, die ihn „schwer bestürzte“, die eine Demütigung für ihn war, als Hauptgrund für das unendliche Drama in Schönefeld.
Jetzt blickt er mit Spott darauf. „Zwei Jahre ist am Flughafen nichts passiert, außer dass Messingschilder geputzt wurden“, sagt von Gerkan. Man könne nicht so einfach das Know-how von einer Baustelle abziehen. Für ihn sei der einzige Fehler, „dass wir nicht mehr Mitspracherecht eingefordert haben.“
Die Probleme am BER legt er schonungslos offen. Einiges kennt man bereits, unter anderem aus seinem Buch „Black Box BER“. So kritisiert er „Paradigmenwechsel“ in der Flughafenarchitektur. Die sogenannte „Vermallung“, der Wunsch der Flughafengesellschaft nach viel Verkaufsfläche.
Dies hätte unter anderem zu Hunderten Planungsänderungen geführt. Sein Konzept eines Flughafens der kurzen Wege sei durch die „Läden, wo man aufblasbare Gummienten kaufen kann“ nicht realisierbar gewesen.
Seiner Zeit entwachsen
Gleiches gelte für die gestiegenen Sicherheitsanforderungen. Das sei etwa bei seinem Bau des Flughafen Tegel anders gewesen – vor 40 Jahren. Ein bisschen wirkt von Gerkan, als sei er seiner Zeit entwachsen.
Mehrfach betont der Hamburger die Verdienste seiner Firma: Er habe 369 Projekte realisiert, neben dem BER auch fünf Flughäfen. „Alle termin- und kostengerecht“. Da könne es doch nicht sein, dass man am BER versagt habe. Mehr als einmal müssen die Ausschussmitglieder ihn auffordern, nicht abzuschweifen.
Als weiteren Grund nennt er die mangelhafte Kommunikation zu der Flughafen-Geschäftsführung. Regelmäßige Beratungen habe es nicht gegeben, weder mit dem frühere Technikchef Manfred Körtgen noch mit dem geschassten Geschäftsführer Rainer Schwarz. „Ich habe an vielen Sitzungen teilgenommen. Aber nicht an allen, wie bei früheren Projekten“, sagt von Gerkan.
Für den Untersuchungsausschuss ist das ein gefundenes Fressen. „Bemerkenswert ist, dass von Gerkan nach eigener Aussage selbst nur oberflächlich in das Projekt eingebunden war. Dennoch blieb seine Überzeugung unerschütterlich, dass der schlimmste Fehler der Flughafengesellschaft die Kündigung seines Unternehmens gewesen sei“, sagt Stefan Evers, Sprecher der CDU-Fraktion.
Kürzen, nicht frisieren
Besonders interessiert ist der Ausschuss beim Thema Brandschutz. Von Gerkan rechtfertigt das viel kritisierte Konzept, den Rauch nach unten abzusaugen. Die Brandschutzanlage sei nur am Computer geplant worden. Jedoch seien die Luftströme nur schwer vorherzusagen. „Man muss sie ein halbes Jahr lang ausprobieren. Es ist Learning by Doing.“ Für das Innenleben, die elektronische Steuerungstechnik, seien andere verantwortlich gewesen. Er habe aber nur die „Karosserie“ entworfen.
„Insgesamt hat sich die Erkenntnis bestätigt, dass sich der Chefplaner des Flughafens damals wie heute mit Schuldzuweisungen an andere von jeder Verantwortung freizuzeichnen versucht. Aus den Akten ergibt sich jedoch ein anderes Bild“, sagt Frank Zimmermann (SPD). Mehr Erkenntnisgewinn zur Beantwortung der Schuldfrage bringt die Anhörung von Meinhard von Gerkan am Ende nicht. Das war im Vorfeld auch nicht unbedingt zu erwarten gewesen.
Dafür liefert sie noch eine Passage zum Schmunzeln. Ob er von Korruption am BER gewusst habe, will Andreas Otto von den Grünen wissen. Er habe in seinem Buch schließlich von „frisierten Kosten“ geschrieben. Nein, sagt Gerkan, er habe damit den Begriff „Frisieren“ im Sinne eines Friseurbesuchs gemeint. Das habe nichts mit Korruption zu tun, da werde gekürzt.