Flughafenchef Hartmut Mehdorn will den BER weiterhin stückweise eröffnen. Doch ein Großteil soll zeitgleich in Betrieb gehen. Das heißt auch, es wird einen Großumzug von Tegel und Schönefeld geben.
Was genau am neuen Hauptstadtairport BER schiefläuft, ist für Außenstehende kaum mehr nachvollziehbar. Da ist es gut, dass Flughafenchef Hartmut Mehdorn in Bildern sprach, die jeder versteht. Beim wirtschaftspolitischen Frühstück der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin verglich er den BER mit einer Zahnpastatube. „Die müssen Sie hinten ordentlich aufrollen, damit Sie vorne auch ganz gut Zahnpasta herausbekommen“, sagte Mehdorn. Genauso verhalte es sich mit der von ihm favorisierten Teileröffnung: Wenn die Arbeiter am Bau merken, dass die ersten Fluggäste anrücken, geht es schneller vorwärts. So in etwa lautete die Theorie.
Gerade mal 100 Tage steht Hartmut Mehdorn nun an der Spitze der Flughafengesellschaft. Er hat damit eines der schwierigsten Projekte übernommen, die es derzeit für einen Manager in Deutschland gibt. Mit drei staatlichen Gesellschaftern, einer argwöhnischen Öffentlichkeit und einer frustrierten Belegschaft, der er den BER selbst erst wieder schmackhaft machen muss. Doch Mehdorn macht es mit der ihm eigenen Art und ohne Rücksicht auf etwaige Befindlichkeiten. Dass er damit oft genug aneckt, weiß er selbst. „Auch wenn ich jetzt nerve, das Wichtigste ist, dass wir mit dem BER so schnell wie möglich fertig werden“, sagte Mehdorn.
Dem Flughafenchef schwebt dabei eine zeitlich versetzte Teileröffnung vor. So sollen im bereits fertiggestellten Nordflügel des Abfertigungsgebäudes möglicherweise noch in diesem Winter die ersten Passagiere einchecken. „Es ist denkbar, dass es in diesem Jahr noch geht, aber beschlossen ist es noch nicht“, sagte der 70-Jährige.
Mehdorn will dabei klein anfangen. Gerade mal 2000 Passagiere und zehn bis zwölf Maschinen pro Tag würden ihm schon reichen. „Auf diese Weise könnten wir das Zusammenspiel des ganzen Systems testen und in Ruhe etwaige Fehler beseitigen“, so Mehdorn. Auch hätten die Mitarbeiter auf diese Weise die Chance, sich an ihre neue Arbeitsumgebung zu gewöhnen. Dennoch werde es danach noch einen großen Umzug von den beiden alten Flughäfen Tegel und Schönefeld an den BER geben, aber der werde laut Mehdorn vielleicht auch auf zwei bis drei Tage gestreckt.
„Wenn die Notwendigkeit besteht, findet sie immer eine Möglichkeit“
Beim weiteren Betrieb von Tegel lässt Mehdorn nicht locker. Allerdings begeht er nicht den Fehler, selbst den dauerhaften Weiterbetrieb des innerstädtischen Flughafens zu fordern. „Ich treffe hier keine Entscheidung, das ist Sache der Gesellschafter und der Politik“, sagte Mehdorn. Was ihn nicht daran hindert, ganz in seinem Sinne zu argumentieren. Er kenne keine Hauptstadt, die nur zwei Landebahnen habe, sagte er.
Baulich reiche der BER bis 2025 völlig aus, wenn nicht sogar noch länger. Doch das mit den beiden Startbahnen mache ihm Sorgen. Natürlich gebe es andere Möglichkeiten, so könne man etwa Verträge mit Leipzig schließen, um dorthin auszuweichen, wenn eine Bahn gesperrt werden muss. Doch der Zuhörer merkte deutlich, dass ihm das gar nicht gefällt. Das Argument, dass der Planfeststellungsbeschluss eine Schließung von Tegel nach der BER-Eröffnung vorsieht, ließ Mehdorn nicht gelten. „Wenn die Politik etwas ändern will und die Notwendigkeit besteht, findet sie immer eine Möglichkeit“, so der Flughafenchef.
Schnelle Verbindung nach Dresden für Fluggäste aus Polen
Er forderte ein einfacheres Baurecht: „Wir sind in Deutschland überreguliert. Die Baugesetzbücher müssten durch ein Sieb geschickt werden.“ Bei einem Großprojekt entscheide sich bei der Planung der ersten fünf Prozent, wie hoch die Kosten am Ende ausfallen würden, so Mehdorn. Bei Großprojekten wie dem BER sollte man laut Mehdorn künftig Mehrkosten für die Bürgerbeteiligung von Anfang an einrechnen. Denn da gehe es nicht immer nur um technische Probleme. „Wir zahlen einen Aufpreis für Demokratie. Die Wirtschaft muss lernen, das im Zeitetat und auch im Geldetat einzurechnen“, sagte er. „Wir können froh sein, dass wir ihn zahlen müssen. Ich bin ein Freund der Bürgerbeteiligung.“ Der BER müsse jetzt verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen.
Eine Möglichkeit bietet sich beim Nachtflugverbot. Mehdorn zeigte Verständnis für Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der das Volksbegehren für ein strengeres Nachtflugverbot angenommen hat. „Das muss er als Ministerpräsident. Aber ich bin Flughafenchef, und da würde ich den BER am liebsten 24 Stunden lang betreiben“, so Mehdorn. „Da werden wir einen Kompromiss finden müssen.“
Zwei Drittel der Fluggäste werden mit der Bahn an den BER fahren
Flughafen-Architekt Meinhard von Gerkan hatte kritisiert, dass die Flughafengesellschaft während des Baus zahlreiche Änderungswünsche hatte. Das habe seiner Ansicht nach zum Chaos auf der Baustelle beigetragen. Den Vorwurf ließ Mehdorn, der seit März Flughafenchef ist, nicht gelten: „Sie dürfen als Bauherr dem Architekt das Feld nicht kampflos überlassen, sonst laufen ihnen am Ende Termine und Kosten davon.“
Als ehemaliger Bahn-Chef ist es Mehdorn wichtig, dass der Zug direkt unterhalb des BER-Terminals hält. Das ist für einen Flughafen außergewöhnlich und für die Passagiere ein besonderer Komfort. Knapp zwei Drittel der Fluggäste werden Schätzungen zufolge mit der Bahn an den BER fahren. Deshalb setzt sich Mehdorn auch dafür ein, zwischen Berlin und Dresden eine schnelle Zugverbindung zu bauen. Auf der Strecke fährt man bislang mit etwa 60 bis 80 Stundenkilometern. Wenn es hier eine schnelle Verbindung gibt, dürfte das auch die Chancen für den BER erhöhen, Passagiere aus Polen zu gewinnen.