Wann der neue Berliner Großflughafen startklar sein wird, steht in den Sternen. Im Jahr 2014 oder 2015, vielleicht sogar erst 2016? Nachdem die Eröffnung viermal verschoben werden musste, will sich keiner der am Projekt beteiligten Politiker mehr auf einen Termin festlegen. Fest steht dagegen ziemlich sicher, dass der BER zum Zeitpunkt seiner Eröffnung bereits zu klein sein wird. Die Flughafen-Gesellschaft FBB prüft deshalb jetzt, schon vor dem Start mit dem Bau eines sogenannten Satellitenterminals zu beginnen. Geschätzte Kosten: Rund 500 Millionen Euro. Finanzierung: völlig unklar.
In dem Satelliten, der eine Länge von gut 700 Metern und etwa 100.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche haben soll, könnten bis zu 7,5 Millionen Passagiere pro Jahr zusätzlich abgefertigt werden. Nur so kann der Flughafen voraussichtlich das steigende Passagieraufkommen bewältigen. Nicht ausgeschlossen ist mittlerweile auch, dass in dem Gebäude ebenfalls Check-In-Schalter und Gepäckbänder installiert werden. Müsste noch vor der Eröffnung des BER mit dem Ausbau begonnen werden, wäre das ein Fiasko, das in der Geschichte des modernen Flughafenbaus wohl einmalig ist.
>>>Das große Special und die Timeline zum BER<<<
Bereits Ende November hatte die Berliner Morgenpost über ein Gutachten des Flughafenexperten Dieter Faulenbach da Costa berichtet, der vor drohenden Engpässen warnte und von einer „grandiosen Fehlplanung“ sprach. Damals ignorierten die Gesellschafter und die FBB-Geschäftsführung noch den Befund und mokierten sich über den Kritiker. Inzwischen lässt sich die Macht der Fakten nicht mehr verdrängen. Am vergangenen Donnerstag wurde Faulenbach da Costa aus Hessen sogar ins Bundesverkehrsministerium zu Peter Ramsauer (CSU) gebeten. Der scharfzüngige Hesse durfte vor der „Soko BER“ immerhin seine Argumente vortragen.
Nach aktuellem Stand ist der „Willy Brandt“-Airport für lediglich 27 Millionen Passagiere ausgelegt. Diese Marke wird voraussichtlich bereits im kommenden Jahr überschritten. Laut Planfeststellungsbeschluss vom Sommer 2004 hatte man damit erst im Jahr 2020 gerechnet. Aber selbst der Satellit würde der Airport GmbH nur auf mittlere Sicht ein wenig Luft verschaffen. Denn Fachleute prognostizieren in sieben Jahren sogar schon ein Aufkommen von 33 bis 38 Millionen Fluggästen. Die Bedeutung des Luftverkehrsregion Berlin und Brandenburg ist in der Vergangenheit offenbar dramatisch unterschätzt worden.
Rollfeld hat Platz für zwei ähnliche Satelliten
Der Münchener Flughafen „Franz Josef Strauß“ zeigt, dass vorausschauender geplant werden kann. Dort wird gerade ein 123.000 Quadratmeter großer Satellitenterminal mit 52 Gates hochgezogen. Der Grundstein dafür wurde 2011 gelegt, allerdings erst zwei Jahrzehnte nach der Inbetriebnahme der Anlage im Erdinger Moos. Das 650 Millionen Euro teure Bauwerk soll dem süddeutschen Luftdrehkreuz ab dem Jahr 2015 mehr Schubkraft verleihen. Zusätzlich können dann elf Millionen Passagiere abgefertigt werden. Sie sollen dort nur an- oder abreisen, den Check-In, die Sicherheitskontrollen und die Gepäckausgabe aber weiterhin im Terminal 2 nutzen. Zwischen ihm und dem Satelliten ist ein unterirdisches automatisches Transportsystem für die Fluggäste vorgesehen.
Auf dem BER-Gelände ist sogar Platz für zwei ähnliche Satelliten vorhanden. Beide können auf dem bereits fertigen Rollfeld errichtet werden, das dafür jedoch aufgerissen werden müsste. Ein 300 Meter langer Tunnel soll die Außenstationen mit dem Hauptterminal verbinden. Das jedoch würde auch weitere Investitionen im Hauptterminal nötig machen. Es müssten weitere Gepäckbänder und Check-In-Schalter installiert werden. Das Passagieraufkommen im Hauptterminal wiederum kann mit Nachrüstungen noch um drei Millionen auf maximal 30 Millionen gesteigert werden. Damit und mit dem Satelliten würde die Forderung von Ramsauer erfüllt, am BER zusätzlich Platz für mindestens zehn Millionen Fluggäste zu schaffen.
Von dem Satelliten gibt es nur eine Simulation
Allerdings drängt die Zeit. Von dem Berliner Satelliten gibt es bisher lediglich eine Computersimulation. Wie München zeigt, ist bei einem solchen Projekt eine Bauzeit von rund vier Jahren realistisch. Mit anderen Worten: Beim BER wäre eine Fertigstellung kaum vor 2017 möglich, selbst wenn das Vorhaben umgehend ausgeschrieben würde.
>>>Das große Special und die Timeline zum BER<<<
Ist der Großflughafen erst einmal in Betrieb, kann der Bau des Satelliten nur eingeschränkt vorangetrieben werden. Denn der Flugverkehr hat Vorrang. Viele Arbeiten müssten dann in den Stunden des nächtlichen Flugverbots stattfinden. Das treibt die Kosten. Nun rächt sich, dass die Projektverantwortlichen nicht früher auf die dynamische Entwicklung des Passagierkommens der vergangenen Jahre reagiert haben. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck, der Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (beide SPD) jüngst als Aufsichtsratschef der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH ablöste, lässt nun erst einmal eine aktuelle Luftverkehrsprognose erstellen.
Für den neuen Oberaufseher („Entweder das Ding fliegt, oder ich fliege“) dürfte die Erweiterung des BER weniger technisch als vielmehr politisch heikel sein. Denn das Geld für den Satelliten müsste der Steuerzahler aufbringen, was ohne Zustimmung von Bundestag, Potsdamer Landtag und Berliner Abgeordnetenhaus nicht ginge. Viele Parlamentarier fühlen sich schon jetzt verschaukelt. Kostenklarheit sei bei dem Großprojekt ein Fremdwort, klagen sie.
Sanierung der alten Landebahn soll vorgezogen werden
Ein Schreiben Wowereits an das Landesparlament belegt, wie das Problem der Finanzierung bisher bagatellisiert wurde. In dem der Berliner Morgenpost vorliegenden Dokument vom 22. Oktober 2012 gesteht er zwar, dass im aktuellen Budget für den Airport-Bau die Mittel zur „Realisierung eines Satellitenterminals nicht enthalten“ seien. Doch zugleich machte Wowereit den Abgeordneten weis, „eine Refinanzierung des Satelliten“ sei durch „künftige operative Überschüsse“ der Airport-GmbH möglich. Sie musste nach dem zuletzt veröffentlichten Geschäftsbericht bei einem Umsatz von 254 Millionen Euro ein Minus von 75 Millionen Euro verkraften. Das Eigenkapital hat einen bedenklich niedrigen Wert erreicht. Vor diesem Hintergrund ist es auf absehbare Zeit so gut wie unmöglich, dass die GmbH eine 500-Millionen-Investition aus eigener Kraft stemmen kann.
Wowereits Luftbuchung ist den parlamentarischen Haushältern nicht entgangen. Ohnehin müssen sie bald weitere Schecks ausstellen. So wollen die BER-Gesellschafter die neuerliche Verschiebung des Eröffnungstermins dazu nutzen, die Sanierung der alten Start- und Landebahn in Schönefeld vorzuziehen. Das Argument, mit dem die Abgeordneten geködert werden sollen, lautet: Es ist billiger, die Piste vor dem Flugbetrieb auf dem BER zu erneuern. Dies koste „nur“ 100 Millionen Euro. Muss später und damit nachts gebaut werden, wäre es nach dieser Logik rund 40 Millionen Euro teurer. Minister Ramsauer plädiert nun dafür, die Maßnahme vorzuziehen.
Außerplanmäßige Ausgaben für Tegel
Der verschobene Starttermin verursacht jedenfalls außerplanmäßige Ausgaben für die alten Airports Tegel und Schönefeld. Beide werden zwar nur noch für eine Interimszeit gebraucht, müssen aber wegen ihres maroden Zustandes trotzdem renoviert werden. Laut Regierungskreisen schlägt das mit bis zu 40 Millionen Euro zu Buche. Auch die spätere Eröffnung des BER kostet gut 15 Millionen Euro pro Monat.
Summa summarum dürfte ein Gesamtbetrag von nochmals gut einer Milliarde Euro auflaufen, konservativ gerechnet, Satellit inklusive. Damit könnte der BER bald die Fünf-Milliarden-Euro-Marke knacken.
Die weiteren staatlichen Finanzhilfen für das Pannenprojekt im märkischen Sand müssen sich die drei BER-Eigner Berlin, Brandenburg und der Bund aller Voraussicht nach auch wieder in Brüssel absegnen lassen müssen. Hierzulande empfinden das Oppositionspolitiker als „schwere Blamage“, weil sich die Bundesrepublik bereits im zweiten Halbjahr 2012 an die EU wenden musste.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers kündigt im Gespräch mit der Berliner Morgenpost an: „Aufgrund der Verschiebung des Eröffnungstermins halte ich Gespräche in Brüssel für notwendig, um Irritationen bei der EU-Kommission zu vermeiden.“ Der Linke-Politiker, der im Aufsichtsrat der Airport GmbH sitzt, bereitet sich schon auf den Gang nach Brüssel vor. Dort will er mit Ramsauers Verkehrs-Staatssekretär Rainer Bomba (CDU) sondieren, welche finanziellen Spielräume die EU noch sieht.