Es ist schwer zu sagen, was Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am gestrigen Freitagvormittag durch den Kopf gegangen ist. Sie trafen sich mit den anderen Mitgliedern des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft zur letzten Sitzung in diesem Jahr. Der Platz vor dem Terminal des Flughafens BER war von einer dünnen Schneeschicht überzogen. Das Weiß verdeckte die letzten Spuren der Bauarbeiten. Von außen sah der BER aus wie etwas, auf das man eigentlich stolz sein könnte. Doch den beiden Regierungschefs hatte er in diesem Jahr die größte Blamage ihrer Amtszeit eingebracht.
Das Treffen in Schönefeld begann schon am Vormittag und dauerte bis in den Abend hinein. Die Mitglieder bewilligten zusätzliche 250 Millionen Euro für den Bau. Die Summe ist aber bislang durch den Finanzrahmen von 1,2 Milliarden Euro gedeckt, teilte die Flughafengesellschaft mit. Es gibt daher offenbar noch keinen Bedarf an noch höheren Zuschüssen der Gesellschafter.
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Zumal für die derzeit geplante Summe ohnehin noch die Zustimmung der Wettbewerbsbehörde in Brüssel aussteht. Sie muss die weiteren Mittel der Gesellschafter genehmigen, da diese keinen Vorteil gegenüber anderen Flughäfen in Europa darstellen dürfen. „Die Unterlagen liegen der Kommission vor“, sagte Flughafenchef Rainer Schwarz. „Wir rechnen in wenigen Wochen mit einer Entscheidung.“ Recht viel Zeit bleibt ihm allerdings auch nicht mehr. Denn nach derzeitigen Schätzungen reicht das Geld gerade noch bis Ende Januar. Immerhin eine gute Nachricht gab es. Das starke Wachstum an den Berliner Flughäfen hält an. Voraussichtlich wird in diesem Jahr erstmals die Marke von 25 Millionen Fluggästen überschritten.
Technikchef Horst Amann führte die Aufsichtsräte zunächst über die Baustelle, da sie sich mal wieder selbst ein Bild vom Zustand des BER machen wollten. 300 Leute sind dort weiterhin vor allem mit Kabeltrassen und der Brandschutzanlage beschäftigt. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir schon mehr Bauarbeiten sehen, aber wir sind im Plan“, sagte Amann.
Entstehung der Mehrkosten
Amann hatte erst im August seinen Posten angetreten und Manfred Körtgen abgelöst. Von ihm wollten die Mitglieder vor allem wissen, wie die 250 Millionen Euro Mehrkosten beim Bau entstanden sind. Angeblich musste sich Amann durch „Waschkörbe voller Rechnungen und Nachträge“ kämpfen, um den Überblick über die Finanzlage des Flughafens zu gewinnen, heißt es aus Gesellschafterkreisen. In den vergangenen Wochen geriet er nun mit den Baufirmen aneinander, da diese seiner Einschätzung nach überzogene Forderungen stellten. Am Ende ist der Flughafen aber in der schlechteren Verhandlungsposition.
Denn wenn der Bau nicht zügig weitergeht, ist der Starttermin am 27. Oktober 2013 kaum mehr zu halten. Amann wird daher am Ende wohl nichts anderes übrig bleiben, als auf die Forderungen der Firmen einzugehen. Allein diese jüngste Episode machte dem Aufsichtsrat noch einmal deutlich, dass die Finanzen des Flughafens besser kontrolliert werden müssen. Zwar haben die Mitglieder entgegen ihrer Ankündigung dieses Mal dazu keine Entscheidung über den neu zu schaffenden Posten eines Finanzvorstands getroffen. Grundsätzlich sollen sich Berlin, Brandenburg und der Bund aber darüber einig sein.
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Im Vorfeld der Sitzung wurde zudem bekannt, dass einige Mitglieder des Aufsichtsrats künftig ein eigenes Controlling einfordern. Aus dem Grund wollen sie eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragen, ihnen zu bestimmten Finanzfragen des BER Auskunft zu geben. Dafür sollen angeblich 400.000 Euro bereit gestellt werden.
In Berlin traf sich derweil der Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des BER-Debakels zu seiner vierten und letzten Sitzung in diesem Jahr. Zufrieden schienen die Mitglieder selbst nicht zu sein. Das gab zumindest Jutta Matuschek (Linke) offen zu. Der Ausschuss sei „nur im Schneckentempo vorangekommen“, sagte sie. Die Abgeordnete hätte den ersten Fragenkomplex, der sich mit der Standortwahl des BER befasst, am liebsten in der ersten Sitzung des neuen Jahres komplett abgehakt. Doch das werde sich wohl bis Ostern hinziehen, so Matuschek. Sie hatte von Anfang an kritisiert, dass sich der Ausschuss so lange mit der frühen Planungsphase des BER befasst.
Der Ausschussvorsitzende, Martin Delius (Piraten) hält dies hingegen für wichtig, da darauf grundlegende Probleme basierten. Andreas Otto (Grüne) sieht die Hauptursache für das langsame Vorwärtskommen in der angeblich „dünnen Aktenlage“. Zwar sind bislang 140 Aktenordner eingegangen. Doch die relevanten Dokumente für die Zeugenbefragung fehlten noch, so Otto. Seiner Ansicht nach sei zwischen dem Antrag für den Untersuchungsausschuss Ende August bis zur Konstituierung im Oktober zu viel Zeit verstrichen. Die Schuld gibt er der Regierungskoalition. Bei den nächsten drei Sitzungen sollen nun die ersten Zeugen befragt werden.
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In Brandenburg forderte die Abgeordnete der Linken, Kornelia Wehlan, einen eigenen Landtags-Ausschuss für alle Fragen zum BER. In diesem neuen Gremium könnten in gebündelter Form unter anderem Finanzierungsfragen, Baubelange sowie Lärmschutzangelegenheiten konzentriert besprochen werden, sagte die Vorsitzende des Infrastruktur-Ausschusses.
Neue Regel für Taxis
Unterdessen müssen sich Berliner Taxifahrer ab 1. Januar auf eine Änderung einstellen. Sie dürfen dann keine Fahrgäste mehr am Flughafen Schönefeld aufnehmen. Diese Regelung gehört zur neuen Taxenordnung des Landkreises Dahme-Spreewald. Darauf hatte sich der Kreistag laut einer Sprecherin mit großer Mehrheit geeinigt. Gleichzeitig verlieren die Taxiunternehmer des Landkreises ihr Recht, den Flughafen Berlin-Tegel anzufahren.