Großflughafen

Brandschutz ist nicht einziger Grund für BER-Verschiebung

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Martin Lutz und Viktoria Solms

Foto: Bernd Settnik / dpa

Ein internes Schreiben an Flughafenchef Schwarz vom April offenbart weitere gravierende Mängel. Sie wurden dem Aufsichtsrat vorenthalten.

Es hätte der Befreiungsschlag werden sollen. In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ wehrte sich Flughafenchef Rainer Schwarz am Donnerstag gegen den Vorwurf, den Aufsichtsrat über die Probleme am BER im Unklaren gelassen zu haben. Er verwies auf ein Schreiben der Unternehmensberatung McKinsey, „das uns bescheinigt, dass wir es trotz der kritischen Punkte schaffen können“, so Schwarz. Doch die entscheidende Passage aus dem Brief vom 13. April 2012 lässt Schwarz unerwähnt.

Der ORAT-Probebetrieb, bei dem Mitarbeiter und Komparsen den Flughafen testen, liege „auf Grund projektexterner Umstände massiv hinter der ursprünglichen Planung zurück“, heißt es darin. Dieser Rückstand sei „nicht mehr aufzuholen.“ Für die Berater von McKinsey bestehen „also weiterhin erhebliche und – auf Grund des sehr eingeschränkten Probebetriebs – teilweise noch unvorhersehbare Inbetriebnahmerisiken.“ Doch diesen Teil hält Schwarz offenbar für nebensächlich. Auch dem Aufsichtsrat habe er den Inhalt des Briefes „nicht vorgelesen“, sagte er. Kein Aufsichtsrat habe von ihm je eine „Postbesprechung“ verlangt.

Vielleicht hätte der Aufsichtsrat genau das tun sollen. Denn der Brief liefert einen konkreten Hinweis für den Verdacht, dass wohl nicht nur die Brandschutzanlage die Eröffnung des BER am 3. Juni 2012 unmöglich gemacht hat. In dem Brief listet McKinsey nämlich auf, welche Bereiche des Terminals bis zu welchem Termin fertiggestellt sein müssen, damit der Probebetrieb dort stattfinden kann. Einige dieser Daten liegen sogar noch vor der Aufsichtsratsitzung am 20. April, bei der erst die zusätzlichen 14 Millionen Euro für die Endspurtmaßnahmen bewilligt wurden.

Dabei hätte ab diesen Terminen „in den genannten Bereichen auch ein voller Probebetrieb ohne Einschränkungen möglich sein“ sollen, heißt es weiter. Dazu zählen unter anderem alle Ankunftsbereiche einschließlich der Gepäckausgabe. Hier ließ die Geschäftsführung des Flughafens offenbar wichtige Zeit verstreichen. Der Endspurt ging erst los, als einige der Termine, dessen Einhaltung McKinsey als „zwingend erforderlich“ definiert hatte, schon in der Vergangenheit lagen.

Eindringliche Warnschreiben

Auch ein Warnschreiben von ORAT, der Beratungsgesellschaft des Flughafens München, hat McKinsey an Schwarz und dem damals noch amtierenden technischen Geschäftsführer Manfred Körtgen im März weitergeleitet. ORAT organisierte den Probebetrieb am BER. Die Münchner Berater stellen im März „aufgrund massiven Bauverzugs“ fest, dass „die operative Betriebsfähigkeit des Flughafens deutlich hinter Plan zurück liegt.“ Dadurch entstehe ein „sehr hohes Risiko“ für die geplante Eröffnung im Juni.

Da die Bauarbeiten im Terminal noch in vollem Gange waren, konnte ORAT laut diesem Schreiben keinen zielführenden Probebetrieb durchführen. Bei Beginn des Probebetriebs am 24. November 2011 stand „nur ein Bruchteil der notwendigen Bereiche baulich fertig zur Verfügung.“ Auch die vom Flughafen für Februar 2012 zugesagte komplette bauliche und technische Fertigstellung wurde demnach „ebenfalls deutlich verfehlt.“ Im März war für die Fachleute aus München „weiterhin unklar, wann der Flughafen tatsächlich sinnvoll im Probebetrieb genutzt werden kann.“

Mitte März können laut dem ORAT-Schreiben „die Versäumnisse der letzten vier Monate für eine reibungsarme Inbetriebnahme am 03. Juni 2012 nicht mehr kompensiert werden.“ Diesen Eindruck hat McKinsey der Geschäftsführung des Flughafens laut diesem Schreiben schon im Februar mitgeteilt. Die Entscheidung von Rainer Schwarz und Manfred Körtgen, den Flughafen dennoch im Juni zu eröffnen, kann „vom Flughafen München aus operativer Sicht nicht mitgetragen werden“, heißt es am Ende des Briefes.

Das McKinsey-Schreiben vom 13. April wird in Gesellschafterkreisen als „brisant“ angesehen, weil es Schwarz entgegen seiner eigenen Darstellung „extrem“ belaste. Der Leiter der Soko BER des Bundesverkehrsministeriums, Michael Odenwald, hatte jüngst erklärt, Schwarz sei bereits im März von der Unternehmensberatung auf die Risiken hingewiesen worden. „Es waren nicht die operativen Voraussetzungen geschaffen, dass die Inbetriebnahme hätte gewährleistet werden können“, so Odenwald. In der Aufsichtsratssitzung im April hätte „deutlich gemacht werden müssen, dass es hier auch kritische Punkte gibt.“ Das sei offenbar nicht geschehen. Die Flughafengesellschaft sieht dies anders. Es sei sehr wohl auf mögliche Probleme hingewiesen worden, und man habe darauf mit sogenannten Endspurtmaßnahmen reagiert.