Reinholt Würth mag es fast nicht glauben. „Unglaublich. Was sind denn das für Dummköpfe“, sagt der schwäbische Schrauben-Milliardär. Gerade hat der Selfmade-Unternehmer gehört, wie die deutschen Geschäftsflieger die Zukunft ihrer Zunft am neuen Berliner Flughafen BER in tiefdunklen Farben ausmalen. Für die Firmenflieger, mit denen Vorstände, Spitzenmanager und gefragte Spezialisten auch in Europa unterwegs sind, gibt es am BER keine gesicherte Perspektive. Sie drohen dort den großen Jets bei langen Fahrten über das Rollfeld gefährlich in die Quere zu kommen.
So beschreibt der Geschäftsführer der German Business Aviation Association (GBAA), Hans-Henning Romberg, die Lage. Außerdem sei der Airport mit seiner Eröffnung schon an der Kapazitätsgrenze von 27 Millionen Passagieren, sagt Romberg, einst selber Chef der Berliner Flughäfen und davor Lufthansa-Manager. „Es entwickelt sich da ein Problem.“
„Das ist ja ein Schildbürgerstreich“, schimpft der 77 Jahre alte Würth, eine der letzten noch aktiven Unternehmerpersönlichkeiten des deutschen Wirtschaftswunders. Seit den 60er-Jahren ist er selber im Dienst seines inzwischen weltumspannenden Geschäfts mit Schrauben und Befestigungen im Cockpit unterwegs.
Kein abgedrehter Luxus einiger Superreicher
Aus Sicht Würths und der GBAA ist die Geschäftsfliegerei kein abgedrehter Luxus einiger Superreicher, sondern ein normales „Business Tool“, ein Werkzeug fürs Geschäft. „Bei uns gibt es an Bord keinen Champagner, sondern Käsesemmeln und eine Flasche Sprudel“, sagt der Schwabe Würth, zu dessen Imperium mit 65.000 Beschäftigten auch eine kleine Flotte mit fünf Jets zählt. Eine leistungsfähige Infrastruktur für die kleinen flinken Flugzeuge sei für einen Wirtschaftsstandort von enormer Bedeutung, argumentieren sie.
Am Flugplatz in Schwäbisch Hall, der nach Würths Vater Adolf benannt ist und mitsamt des schlichten grauen Terminalgebäudes und der blitzsauberen Hangars ebenfalls zum Unternehmen gehört, sind die Effekte einer solchen Infrastruktur für Geschäftsflieger zu beobachten. Jenseits des Zauns und der Bundesstraße wächst ein neues Gewerbegebiet, ausgedehnte Werkhallen eines Pharmaunternehmens und andere Betriebe zeugen von der Güte des Standortes mit Luftanschluss. Die Region weist eine Arbeitslosenquote von nur drei Prozent auf. Im nächsten Jahr schreibe der Airport schwarze Zahlen.
Ein Landesplatz als Reserve
Würth mit seinem Stammsitz im nahen Künzelsau hat dort seine Flieger stationiert, aber auch Lidl aus dem etwas weiter entfernten Neckarsulm nutzt die Möglichkeit, seine Führungskräfte rasch in die Welt hinaus zu bringen. Würths Manager müssen oft nach Bozen, Antwerpen oder Sankt Gallen. Mit Linienflügen seien diese Ziele schwieriger zu erreichen. Schnelligkeit und Flexibilität jedoch brächten enorme Vorteile, sagt Würth. Das sei für das Gesamtergebnis enorm vorteilhaft. In diesem Jahr wird Würth rund zehn Milliarden Euro umsetzen und vor Steuern zwischen 400 und 500 Millionen Euro verdienen. Anfang der 90er-Jahre hat der viel beschäftigte Unternehmer „22 volle Arbeitstage“ investiert, um die Landesregierung in Stuttgart davon zu überzeugen, den früheren US-Militärflughafen nach Abzug der Amerikaner für die zivile Luftfahrt zu erhalten.
Nun investiert der offiziell als Aufsichtsratschef der Würth-Stiftung firmierende Patriarch seine Zeit, um auch in Berlin einen angemessenen Platz für die Geschäftsflieger zu schaffen beziehungsweise zu erhalten. Gemeinsam mit der GBAA ist er unterwegs, um bei Politikern und Wirtschaftsbossen für eine Idee zu werben, die Berlins bisherige Flughafenplanung radikal verändern würde: Die nördliche Rollbahn des Flughafens Tegel sollte für den Flugbetrieb offen bleiben, von der Bundeswehr-Flugbereitschaft als Militär- und Regierungsflughafen betrieben und von den Business-Fliegern als Gäste genutzt werden. Das widerspreche auch nicht dem Planfeststellungsbeschluss, argumentieren sie. Der schließe nur den Betrieb eines zweiten Linienflughafens aus. Ein Landesplatz als Reserve sei durchaus zugelassen.
Weil die drei Kilometer lange und modern ausgestattete Nordbahn in Tegel auch von Norden her für die Regierungsflieger erschlossen ist, könnte Berlin im südlichen Teil des Geländes und im Terminal seine Pläne für einen Industrie- und Forschungszentrum dennoch umsetzen. Das Gelände wäre sogar mit einem direkten Anschluss an eine Startbahn besonders attraktiv. „Das wäre für die nächsten zehn bis 20 Jahre ein echter Vorteil“, sagt Steffen Merz, Chef des Würth-Flugbetriebes und des Schwäbisch Haller Flugplatzes. Das Argument, es gebe in Berlin nicht genügend Unternehmen, die so etwas nutzen könnten, lässt der Geschäftsflieger nicht gelten. Das könne sich ja ändern. „Das ist eine Henne- und Ei-Situation“, sagt der frühere Bundeswehr-Pilot.
Chaos auf dem Rollfeld erwartet
Sein Chef Reinhold Würth ist sicher, dass die deutsche Wirtschaft sich für eine solche Lösung engagieren würde. Die Vorstände der großen Konzerne hielten sich zwar in der Diskussion um mögliche Kapazitätsprobleme am BER zurück, seien aber doch in Sorge, ob sie künftig noch schnell und flexibel in die Hauptstadt fliegen könnten. „Ich habe keinen Zweifel, dass die deutsche Wirtschaft bereit wäre, dort in Tegel-Nord einen kuscheligen kleinen General-Aviation-Terminal auf eigene Kosten zu erstellen“, sagt Würth, „ich würde da jedenfalls mitmachen.“ Eine Trennung der Verkehrsarten sei überall sinnvoll.
Die Perspektiven für den BER, die die Experten des Geschäftsfliegerverbandes zeichnen, sind düster. Geschäftsführer Romberg erwartet Chaos auf dem Rollfeld, weil die Fläche insgesamt zu klein sei. Wenn am BER ein Airbus A 330 ablege, müsse der weitere Betrieb stehen, weil der Flieger zu groß sei für die vorgesehenen Rollwege. Und zwischendrin wuseln die kleinen Jets der Businessflieger herum. Deshalb kam im vergangenen Jahr ein Gutachten im Auftrag der Brandenburger Landesregierung zu dem Schluss, dass die Region einen zweiten leistungsfähigen Flugplatz benötige.
Schon heute fühlen sich die Geschäftsleute schlecht aufgehoben in Berlin. Es wird erzählt, dass selbst Leute wie Daimler-Chef Dieter Zetsche Probleme hätten. Als er neulich zur Kanzlerin eilte, durfte ihn sein Pilot nur kurz in Tegel absetzen, musste dann nach Schönefeld weiter fliegen. Denn in Tegel gebe es viel zu wenige Abstellplätze, ob für große oder für kleine Flugzeuge. „Berlin hat aus meiner Sicht die schlechteste Infrastruktur“, sagt der Würth-Flieger Steffen Merz. Am General-Aviation-Terminal gebe es keinen Warteraum und noch nicht mal eine Toilette. „So wie man uns in Tegel behandelt“, sagt der Profi-Flieger, „so behandelt man keinen Hund.“