Morgenpost Online: Herr Kropp, Berlin hat sich große Hoffnungen gemacht, dass die Lufthansa den Sitz ihrer künftigen Direktflug-Tochter an den neuen Hauptstadtflughafen BER legen wird. Nun wird es Köln sein. Die Enttäuschung in der Region ist groß.
Thomas Kropp: Das war keine Entscheidung gegen Berlin, sondern eine für Köln, wo bereits unsere Töchter Germanwings, Eurowings und Cityline ihren Sitz haben.
Morgenpost Online: Warum hat sich die Lufthansa aber nicht für Berlin entschieden?
Thomas Kropp: Hier hat eine ganze Reihe von Gründen eine Rolle gespielt. Am Ende haben aber die hohen Umzugskosten den Ausschlag gegeben. Mehrere Hundert Mitarbeiter hätten den Wohnort wechseln müssen, um ihre Arbeit weiter machen zu können. Das wäre für alle Beteiligten zu aufwendig gewesen.
Morgenpost Online: Warum gab es die Debatte dann überhaupt, wenn nun alles beim Alten bleibt?
Thomas Kropp: Auslöser war unsere Entscheidung, den Europaverkehr der Lufthansa mit unserer Tochtergesellschaft Germanwings zusammenzulegen. Im Zuge dieser Entwicklung haben wir auch die Frage gestellt, ob Köln für den Sitz dieser Verwaltung noch der geeignete Standort ist. Und das ist er.
Morgenpost Online: Wie gut waren denn die Chancen für Berlin überhaupt?
Thomas Kropp: Die Stadt gehörte neben Köln, Hamburg und Düsseldorf zu den insgesamt vier geprüften Standorten. Doch Favorit war immer Köln. Wir mussten abwägen, ob sich die hohen Investitionskosten für eine Standortverlegung bei einer Airline überhaupt lohnen, die in harter Konkurrenz zu anderen Low-Cost-Carriern steht. Zumal sich die Rahmenbedingungen im Luftverkehr nicht gut entwickeln. So ist etwa der Kerosinpreis derzeit so hoch wie nie zuvor.
Morgenpost Online: Haben Berlin und Brandenburg nicht genügend für den neuen Standort gekämpft?
Thomas Kropp: Berlin und Brandenburg haben angeboten, uns im Rahmen der üblichen Wirtschaftsförderung zu unterstützen. Das hätte geholfen, hat aber nicht gereicht.
Morgenpost Online: Wie viele Arbeitsplätze gehen Berlin durch diese Entscheidung verloren?
Thomas Kropp: Überhaupt keine. Köln kann sich freuen, dass die dort bestehenden 380 Arbeitsplätze erhalten bleiben und etwa 100 weitere dazukommen. Aber dadurch geht Berlin nichts verloren. Im Gegenteil: Wir haben in Erwartung des neuen Flughafens BER in Berlin gerade 60 Millionen Euro investiert und 250 neue Mitarbeiter eingestellt.
Morgenpost Online: Das mag sein, aber neue Stellen hätte Berlin ebenso gut gebrauchen können.
Thomas Kropp: Berlin kann sich an dieser Stelle wirklich nicht beschweren. Vor allem nicht im Vergleich zu Köln. Wir haben in Berlin derzeit 3500 Mitarbeiter und in Köln 2300. In Berlin befindet sich etwa die Hauptverwaltung aller Telefon-Center der Lufthansa. Mehrere Hundert Leute sind dafür in Adlershof beschäftigt. Und in Schönefeld haben wir außerdem das zweitgrößte Flugsimulator-Center der Lufthansa aufgebaut, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Morgenpost Online: Hat die erneute Verschiebung der BER-Eröffnung Einfluss auf Ihre Entscheidung gehabt?
Thomas Kropp: Nein, diesen Schluss haben einige in Berlin voreilig gezogen, aber das stimmt nicht. Köln war einfach in der Summe der für dieses Einzelprojekt geeignetere Standort.
Morgenpost Online: Welche Vorteile hat Köln denn gegenüber Berlin?
Thomas Kropp: Nicht zuletzt hat auch eine Rolle gespielt, dass in Köln ein 24-Stunden-Flugbetrieb erlaubt ist. Dort können wir rund um die Uhr Passagiere und auch Frachtgüter befördern. Diese Genehmigung gilt bis 2030. Das hat die Waage zwar nicht kippen lassen, ist aber gerade für einen Low-Cost-Flieger wie Germanwings, der viele Ferienziele anfliegt, ein entscheidender Vorteil.
Morgenpost Online: Warum sind die paar Nachtstunden für Sie so wichtig?
Thomas Kropp: Das hängt mit der Auslastung unserer Maschinen zusammen. Wenn wir beispielsweise nach Spanien fliegen, schaffen wir bei dem in Berlin geltenden Nachtflugverbot pro Tag nur zwei Umläufe. Wenn man nachts auch fliegen darf, sind dagegen drei möglich. Das verbessert die Auslastung der Maschinen und die Kostenbilanz.
Morgenpost Online: Hat die Entscheidung für Köln Auswirkungen auf die Flotte?
Thomas Kropp: Nein. Wir haben in Tegel derzeit 15 Lufthansa-Maschinen fest stationiert, eine davon wird im Winter abgezogen. Dafür kommen aber zwei Flieger von Germanwings dazu. Unterm Strich ist das eine Maschine mehr als vorher in Tegel.
Morgenpost Online: Die Lufthansa hat im Sommer ihr Flugangebot von Berlin erheblich ausgeweitet. Wird das Engagement dauerhaft sein?
Thomas Kropp: Wir glauben, dass der Luftverkehr in Berlin weiter stark wachsen wird. Aber dafür muss der Standort attraktiv bleiben. Die neuen Gebühren für Starts und Landungen am neuen Flughafen BER werden bis zu 40 Prozent über denen in Tegel liegen. Das ist auch die absolute Schmerzgrenze.
Morgenpost Online: Die Baukosten für den BER werden sich um mindestens 1,2 Milliarden Euro erhöhen, und in der Politik wurden bereits Stimmen laut, dass die Flughafengesellschaft ihren Beitrag dazu leisten muss.
Thomas Kropp: Ich warne eindringlich davor, dies über eine weitere Erhöhung der Landegebühren zu versuchen. Der BER steht im Wettbewerb zu anderen Flughäfen etwa in Leipzig, Hamburg oder auch Westpolen. Schönefeld darf sich nicht auspreisen!
Morgenpost Online: Würden Sie sich bei nochmals höheren Flughafengebühren von Berlin abwenden?
Thomas Kropp: Wir glauben an Berlin und wollen hier weiter wachsen. Unsere Investitionen sind nicht gefährdet, auch wenn beispielsweise unser neuer Technik-Hangar in Schönefeld seit Monaten ungenutzt leer steht. Falls sich jedoch die Rahmenbedingungen ändern, wird die Lufthansa wie andere Airlines auch ihr Engagement auf den Prüfstand stellen. Das ist ein völlig normaler Vorgang in einem Wirtschaftsunternehmen.
Morgenpost Online: Wie gut sind die neuen Direktverbindungen von Berlin seit Juni angelaufen?
Thomas Kropp: Wir sind sehr zufrieden. Wir haben das Streckenangebot von elf auf 40 Direktziele erhöht. So einen großen Aufbau auf einen Schlag hat es bei der Lufthansa noch nie gegeben.
Morgenpost Online: Halten Sie an allen Strecken fest?
Thomas Kropp: Leichte Anpassungen gibt es immer. So nehmen wir die Verbindung nach Sylt für den Winter raus und werden dafür aber ab Dezember nach Innsbruck fliegen.
Morgenpost Online: Nach der Verschiebung der BER-Eröffnung war es fraglich, ob Tegel dem zusätzlichen Flugaufkommen gewachsen ist. Wie gut sind Sie durch den Sommer gekommen?
Thomas Kropp: Überraschend gut. Alle Mitarbeiter haben sich sehr angestrengt.
Morgenpost Online: Wie gut sind Sie für den kommenden Winter gewappnet?
Thomas Kropp: Der Winter wird spannend. Kritisch ist vor allem die Kapazität der Anlagen zur Enteisung der Flugzeuge. Außerdem wächst der Bedarf an Abstellflächen, doch der Platz ist sehr knapp in Tegel.