Die Kläger geben ihren Widerstand gegen die Flugrouten nicht auf. Auch eine erste Anwohnerin aus Tegel fordert nun Schallschutz.
In den Streit um die Flugrouten vom künftigen Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld hat sich jetzt auch die Europäische Union eingeschaltet. Die EU-Kommission, Generaldirektion Umwelt, hat die deutschen Behörden zu einer Stellungnahme aufgefordert.
Das Schreiben stammt vom 21. August 2012 und liegt Morgenpost Online vor. Der Würzburger Anwalt Wolfgang Baumann hatte im Auftrag des Naturschutzbundes (Nabu), der Grünen Liga und der Friedrichshagener Bürgerinitiative Beschwerde in Brüssel eingereicht. Er bemängelt vor allem, dass bei der Festlegung der künftigen Flugrouten keine Umwelt-Verträglichkeitsprüfung für das ausgewiesene Flora-Fauna-Habitat rund um den Müggelsee und das angrenzende Vogelschutzgebiet durchgeführt worden war.
Entscheidung im November
Die deutschen Behörden haben Brüssel mittlerweile auch geantwortet. Bis November will sich die EU-Kommission Zeit lassen, um das Ergebnis zu prüfen. Bislang werden nur Briefe ausgetauscht, so ein Sprecher. Im November soll entschieden werden, ob der Fall als abgeschlossen gilt oder ein formelles Verfahren eröffnet wird.
Anwalt Baumann hat inzwischen im Auftrag von mehreren Anrainern einen Eilantrag gegen die neuen Schallschutzregelungen im Umfeld des Flughafens beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) eingereicht. „Ich rechne damit, dass das Gericht sich innerhalb der nächsten sechs Wochen damit beschäftigt“, sagte Baumann.
Mit der jüngsten Klage wollen fünf Anwohner aus Berlin, Blankenfelde und Diedersdorf erreichen, dass nach Inbetriebnahme des Airports BER der Maximalpegel von 55 Dezibel in geschlossenen Räumen nie überschritten wird. So sieht es ein Urteil des OVG vor.
Das Brandenburger Infrastrukturministerium habe die Flughafengesellschaft aber angewiesen, das jüngste Urteil des Oberverwaltungsgerichts anders umzusetzen, lautet der Vorwurf. Der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft hatte im August beschlossen, dass der Pegel von 55 Dezibel in den sechs verkehrsreichsten Monaten im Schnitt weniger als 0,5-mal am Tag überschritten werden darf. Das laufe auf 182 Grenzwertüberschreitungen im Jahr hinaus, sagte Baumann.
Bessere Lüfter in den lärmgeschützten Häusern
Der Anwalt fordert auch bessere Lüfter in den lärmgeschützten Häusern. Die derzeit eingebauten oder noch vorgesehenen Geräte erfüllten nicht die gesetzlichen Vorgaben. Baumann forderte das brandenburgische Infrastrukturministerium in einem Brief auf, das bei der Flughafen-Gesellschaft durchzusetzen. „Passiert das nicht, werden wir sowohl gegen das Ministerium als auch gegen die Flughafengesellschaft klagen“, kündigte Baumann an.
Für den Flughafen ist der Streit um den Schallschutz daher längst nicht ausgestanden. Auch der Berliner Anwalt Frank Boermann ist im Auftrag seiner Mandanten entschlossen, den Kampf für den verbesserten Schallschutz fortzusetzen. Er führt eine Musterklage für zwei Anwohner des Flughafens gegen das Brandenburger Infrastrukturministerium. Die Kläger wollen erreichen, dass es niemals am Tag lauter als 55 Dezibel wird. „Das Oberverwaltungsgericht hat im Juni ein klares Urteil gesprochen, das unsere Position unterstützt“, sagt Boermann. Er ist daher optimistisch, Recht zu bekommen. Mit einem Ergebnis rechnet er allerdings nicht vor Sommer 2013. Zudem hat Boermann begonnen, für etwa 500 Familien Gespräche mit der Flughafengesellschaft und dem zuständigen Ministerium in Potsdam zu führen, um zu klären, wie man den Schallschutz weiter umsetzen kann.
Neue Ansprüche aus Tegel
Zumal jetzt auch die Anwohner des noch bestehenden Flughafens Tegel Ansprüche stellen. Laut Berliner Senatsverwaltung stellte eine Anwohnerin aus Tegel einen Antrag auf Lärmschutzmaßnahmen. Nun soll von der obersten Luftfahrtbehörde geprüft werden, ob ein rechtlicher Anspruch besteht. Es ist der erste Antrag dieser Art. Bislang hat es lediglich Anfragen von Anwohnern gegeben.
Grund des Antrages ist die erhöhte Lärmbelastung durch die verspätete Eröffnung des Flughafens BER. Dem Antrag zufolge wird dadurch der zugelassene Dauerschallpegel von 65 Dezibel im Umfeld von Tegel deutlich überschritten.