Fehlplanung

2,5 Millionen Euro teure Halle am BER wird wieder abgerissen

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Thomas Fülling und Gudrun Mallwitz

Neues Ärgernis im BER-Debakel: Die Leichtbauhalle für weitere Check-In-Schalter wird nicht mehr benötigt. Die Kosten trägt der Steuerzahler.

Nach der erneuten Verschiebung der Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens BER soll jetzt ein erstes Gebäude – ohne je genutzt worden zu sein – wieder abgerissen werden. Die Leichtbauhalle, die nach Angaben der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) 2,5 Millionen Euro gekostet hat, war erst im Frühjahr eiligst zwischen dem Mainpier und Nordpier des Terminals aufgebaut worden, um Platz für 20 zusätzliche Check-In-Schalter und sieben weitere Sicherheitskontrolllinien der Bundespolizei zu schaffen. Bei vorherigen Tests mit Komparsen hatte die FBB überrascht festgestellt, dass die Abfertigungskapazitäten in der Haupthalle des Terminals bei großem Andrang nicht ausreichen. Um bei der damals noch für den 3. Juni 2012 geplanten Eröffnung kein Chaos zu erleben, wurde rasch die Leichtbauhalle im Norden sowie ein weiterer Container mit neun Abfertigungsschaltern südlich des Terminals aufgestellt.

„Geld zum Fenster rausgeworfen“

Experten wie der brandenburgische CDU-Verkehrspolitiker Rainer Genilke kritisieren, dass solch teure Provisorien überhaupt aufgebaut worden sind. „Hier wurde Geld unnötig zum Fenster rausgeworfen“, sagte Genilke Morgenpost Online. Auch die Demontage der völlig unnötigen Halle koste Geld. Für diese Fehlentscheidungen müsse jetzt der Steuerzahler aufkommen.

Beide Provisorien waren Teil eines Notprogramms, welches der FBB-Aufsichtsrat noch im April beschlossen hatte, um den BER ungeachtet aller Mängelanzeigen wie geplant am 3. Juni eröffnen zu können. Doch trotz zusätzlicher Ausgaben in zweistelliger Millionenhöhe konnte der Termin nicht gehalten werden. Hauptgrund dafür war der Zustand der lebenswichtigen Entrauchungsanlage im Terminalgebäude, die nicht wie vorgesehen vollautomatisch funktionierte. In der Folge kam es zu der bekannten, in Industrieländern bislang einmaligen Absage einer Airport-Eröffnung nur dreieinhalb Wochen vor dem angekündigten Termin.

Nach Auffassung vieler Flughafen-Experten war jedoch schon spätestens im Dezember 2011 klar, dass die Probleme speziell beim Brandschutz aber in anderen Bereichen viel zu groß waren, um eine BER-Eröffnung im Frühjahr 2012 noch zu schaffen. „Mit ein wenig mehr Realismus hätten nicht nur bei den Airlines sowie den Händlern und Gewerbetreibenden, sondern auch im eigenen Unternehmen unnütze Ausgaben in Millionenhöhe verhindert werden können“, sagte einer der Experten, der namentlich nicht genannt werden will. Hinzu komme, dass viele der im Frühjahr völlig überhastet in Auftrag gegebenen Arbeiten eher Schaden als Nutzen gebracht hätten. So seien zahlreiche Leitungen in den Kabelschächten ohne Rücksicht auf Brandschutzbelange und zulässige Lasten verlegt worden. Laut dem neuen Technik-Geschäftsführer der FBB, Horst Amann, werde noch viel Zeit und Mühe gebraucht, um die Verlegung der Kabel und Leitungen, die auch für die Brandschutzanlagen gebraucht werden, zu überprüfen. Offiziell sorgt die inzwischen auf den 27. Oktober 2013 verlegte BER-Eröffnung für Mehrkosten von rund 300 Millionen Euro. Die Gesamtausgaben für den BER haben sich bislang von einst 2,4 Milliarden auf inzwischen 4,3 Milliarden Euro fast verdoppelt.

Unnützer Bau

Mit der jetzt zum Abriss vorgesehenen Leichtbauhalle sowie dem Zelt wollte die FBB die Zahl der Check-In-Schalter auf insgesamt 120 erhöhen. Zuvor hatte sie bei den Probeläufen festgestellt, dass nicht wie erhofft bis zu 60 Passagiere, sondern im Durchschnitt nur 30 Fluggäste pro Schalter und Stunde abgefertigt werden konnten. Die 96 Check-In-Schalter im Hauptterminal könnten, so die ernsthafte Befürchtung, die in Spitzenzeiten erwarteten mehr als 3000 Passagiere pro Stunde nicht bewältigen. Daher entschieden sich die Flughafen-Manager kurzfristig für die provisorischen Zusatzbauten.

Der Bau der 2,5 Millionen Euro teuren Leichtbauhalle stellt sich nun als unnütz heraus. Sie steht zudem in einem Bereich, der eigentlich für Zulieferer vorgesehen ist und damit im Wege. Zusätzliche Kapazitäten für Check-In und Sicherheitskontrollen will die FBB nun in zwei festen Anbauten direkt neben der Haupthalle des Terminals schaffen. Diese waren bereits 2010 geplant worden, weil die EU damals plante, die Sicherheitsvorschriften für die Getränke-Mitnahmen an Bord zu lockern. Für die dafür nötigen Kontrollen sind Scanner erforderlich, mit denen auch Flüssigkeiten auf gefährliche Sprengstoffe untersucht werden können. Weil diese Geräte deutlich mehr Platz benötigen, hatte die FBB die beiden Pavillons links und rechts des Terminal-Haupteingangs in Auftrag gegeben. Die Pavillons werden rechtzeitig vor Oktober 2013 fertig und können für weitere Check-In-Schalter genutzt werden. Für viele Flughafen-Experten war der Aufbau von Containern und Zelten für die Passagierabfertigung von Anfang an eine Fehlinvestition. „Wir sind doch nicht in Somalia. Solche Provisorien sind eines Hauptstadtflughafens völlig unwürdig“, kritisiert Rainer Genilke, der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion.

Allerdings bestehe weiter die Frage, ob die Abfertigungskapazitäten am BER tatsächlich ausreichen werden. Genilke verweist darauf, dass die Flughäfen in München und Frankfurt im Vergleich zum BER über etwa dreimal so viele Check-In-Schalter verfügen würden. Frankfurt fertige zwar im Jahr 54 Millionen Passagiere ab, doch die Hälfte davon, also 27 Millionen Passagiere, seien Umsteiger, die gar nicht zum Check-In müssten. Die Zahl der originären Passagiere sei also in Frankfurt genau so hoch, wie für Schönefeld geplant. „Warum der BER das mit einem Drittel der Schalter bewältigen kann, ist mir nicht schlüssig“, sagt Genilke.

Im Streit um die Finanzierung der Mehrkosten hat der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgefordert, im Zusammenhang mit dem Flughafen-Desaster ihre Pflichten als Mitgesellschafterin wahrzunehmen. „Die gegenwärtige Diskussion, ob sich der Bund aus seiner Verantwortung beim neuen Hauptstadtflughafen stiehlt, wie einige Bemerkungen von schwarz-gelben Koalitionären nahelegen, ist beschämend und verantwortungslos“, sagte Saleh. Der SPD-Politiker erinnerte an die ebenfalls lange Planungs- und Bauphase für den Münchner Flughafen und die Steigerung der Kosten dort. Die Planungsphase habe sich dort über 20 Jahre von 1965 bis 1985 hingezogen. Die Kosten hätten sich zudem in der Zeit bis zur Eröffnung im Mai 1992 auf damals rund sieben Milliarden Mark fast verdreifacht.