Veränderter Flugplan

Tegel statt BER – neue Probleme, alter Flughafen

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Thomas Fülling und Viktoria Unterreiner

Foto: PHOTUR

Die Verschiebung des Eröffnungstermins kostet viel Geld und verursacht erheblich mehr Arbeit. Eine Übersicht über die größten Probleme.

Für viele Fluggäste ist die Verschiebung des Eröffnungstermins für den Flughafen Berlin Brandenburg (BER) ärgerlich. Für manche Firma ist sie schlichtweg eine Katastrophe.

Sie haben bereits viel Geld und Zeit investiert, um ab 3. Juni am neuen Hauptstadt-Airport BER südlich von Schönefeld präsent zu sein. Doch daraus wird nun nichts.

Der altehrwürdige Flughafen Tegel, der in gut drei Wochen eigentlich für immer geschlossen werden sollte, ist nun der Retter in höchster Not. Der Airport soll nicht nur für Monate länger geöffnet bleiben, sondern sogar noch zusätzlichen Verkehr bewältigen.

Eine nur schwer lösbare Aufgabe. Das sind die größten Probleme:

Zu wenige Stellflächen

Am guten Willen mangelt es bei Deutschlands größter Airline nicht, wohl aber am Platz. Die Lufthansa will vom 3. Juni an nach wie vor ihren Flugplan ab Berlin deutlich ausweiten. Der Konzern will von Berlin aus künftig 50 Ziele direkt anfliegen.

Die Anzahl der Flugbewegungen soll sich dazu von 650 auf über 1000 in der Woche fast verdoppeln. Dafür braucht die Airline aber Stellflächen für ihre Flugzeuge und sogenannte Slots, also Zeitfenster für Starts und Landungen. Beides ist in Tegel bereits jetzt knapp.

Zurzeit hat die Lufthansa zehn Airbus-Maschinen in Tegel stationiert. Ab Juni sollen mindestens fünf weitere dazukommen. Wo die untergebracht werden können, ist bisher unklar.

Auch über Flugzeitfenster verhandelt Lufthansa mit der Berliner Fluggesellschaft. Es gibt zwar noch freie Slots, doch liegen die zumeist außerhalb der nachgefragten Morgen- und Abendstunden. 60 Millionen Euro hat die Lufthansa in Berlin investiert, um den Standort auszubauen.

Dazu gehören unter anderem ein neuer Technik-Hangar in Schönefeld, die neue BER-Lounge und mehr Personal. Zudem wurden mehrere Hunderttausend Tickets für Flugtermine ab dem 3. Juni bereits verkauft.

„Wir sind fest entschlossen, diese Flüge auch alle durchzuführen“, sagt Lufthansa-Sprecher Wolfgang Weber. Der aktuelle Markführer in der deutschen Hauptstadt, die Air Berlin, steht vor noch größeren Problemen.

Ihren gesamten Flugplan hat die Airline auf ihr neues Luftdrehkreuz BER ausgerichtet. Dieses Konzept könne nicht einfach auf Tegel übertragen werden, heißt es.

Easyjet startet weiter in Schönefeld

Auch die britische Fluggesellschaft Easyjet will trotz der verschobenen Eröffnung des BER nichts an ihren Flügen ab Berlin ändern. „Wir fliegen wie geplant“, sagte der Deutschland-Geschäftsführer von Easyjet, Thomas Haagensen. Auch die beiden neuen Verbindungen nach Rhodos und Mykonos ab 24. Juni blieben im Flugplan bestehen.

Anders als Air Berlin und Lufthansa fliegt Easyjet schon jetzt ausschließlich von Schönefeld. Das soll auch so bleiben. Bis zur Eröffnung des neuen Flughafens werden die Flüge vom alten, benachbarten Terminal in Schönefeld abgewickelt.

Der wichtigste Berliner Flughafen-Dienstleister Globeground hatte Glück im Unglück. Der Stopp des Umzugs von den Alt-Flughäfen zum neuen Terminal in Schönefeld kam gerade noch rechtzeitig. Es seien noch keine wichtigen Geräte von Tegel an den BER geschafft worden, heißt es.

Doch nun geht die ganze Planung von vorne los. Denn aus ganz Deutschland hat Globeground bereits Tieflader und Schwertransporter für die Umzugsnacht angemietet. Globeground steht mit den Speditionen in Verhandlungen. „Wie viele Kosten durch die Verschiebung entstehen, lässt sich derzeit nicht seriös abschätzen“, sagt eine Sprecherin.

Mehr Mitarbeiter erforderlich

Doch das ist nicht die einzige Herausforderung für den Dienstleister, der den größten Teil des Bodenbetriebs an den beiden Flughäfen Tegel und Schönefeld abwickelt. Wenn die Fluglinien an ihrem Vorhaben festhalten und das Streckenangebot zum 3. Juni auch an den alten Standorten erweitern, bräuchte man theoretisch mehr Mitarbeiter.

Bei Globeground will man nun abwarten, bis die Airlines ihre Flugpläne angepasst haben. Erst dann könne man entscheiden, wie mit dem erhöhten Aufkommen umgegangen werde.

Auch die Deutsche Flugsicherung (DFS) hatte erst am Dienstag von der Terminverschiebung für die BER-Eröffnung erfahren. Weltweit müssen jetzt Fluggesellschaften darüber informiert werden, dass sie ab 3. Juni nicht den BER, sondern weiter die beiden alten Berliner Flughäfen in Tegel (mit dem internationalen Kürzel TXL) und Schönefeld (SXF) anfliegen müssen.

Was simpel klingt, ist laut Otterbein „eine sehr komplexe logistische Angelegenheit“. So hat jeder Flughafen eigene An- und Abflugverfahren, die in den Unterlagen der Piloten akribisch aufgelistet werden müssen. Gerade in den elektronische Flug-Management-Systemen der Airlines sind aber längst die neuen BER-Daten integriert, die nun aufwendig durch die alten Daten ersetzt werden müssen.

Zweites Problem: Die Dienstpläne der Fluglotsen, die ab 3. Juni nur noch im neuen Tower in Schönefeld arbeiten sollten, müssen komplett überarbeitet werden. Da mehr als zwei Drittel des Berliner Flugbetriebs nun weiter über Tegel abgewickelt werden, ist plötzlich dort wieder ihr Haupteinsatzort.

Mietverträge schon gekündigt

Die vorerst abgesagte Eröffnung des BER hat die Bundespolizei kurzfristig vor Probleme gestellt. Die Mietverträge für die bisherigen Dienstgebäude an den Flughäfen Tegel und Schönefeld seien bereits zum ursprünglich geplanten Start am 3. Juni gekündigt gewesen, sagte ein Bundespolizeisprecher.

Das müsse nun rückgängig gemacht werden. „Wir müssen uns nun wieder komplett umstellen. Der ganze bisherige Umzugsplan ist dahin.“ Betroffen sind auch etliche Bundespolizeibeamte, die abbeordert waren und nun „zwischengeparkt“ werden müssen.

Rund 750 Beschäftigte sollten Anfang Juni ihren Dienst am Airport antreten. Diese müssen nun bis auf Weiteres weiter Dienst in Tegel und Schönefeld versehen.

Auch die Nahverkehrsunternehmen stehen nach der Terminsabsage für die BER-Eröffnung vor großen Herausforderungen. Denn auch sie haben längst neue Fahrpläne nach Schönefeld vorbereitet.

Wer etwa über die Online-Fahrplanauskunft des Verkehrsverbundes Berlin Brandenburg (www.VBBonline.de) Verbindungen ab 3. Juni nach Schönefeld abfragt, dem werden noch immer Fahrten mit dem RE9 vom Hauptbahnhof bis in den Bahnhof unter dem BER-Terminal angezeigt.

Doch weil der Flughafen nicht öffnet, fährt auch der neue Airport-Express nicht. Immerhin weist ein rotes Warn-Dreieck auf den Infoseiten darauf hin.

Fahrplanauskunft nicht mehr aktuell

Laut VBB-Sprecherin Elke Krokowski werden erst nächste Woche die elektronischen Auskunftssysteme aktualisiert. Bis dahin müsste bei Abfragen von Fahrverbindungen etwa zum Flughafen Tegel ein Reisedatum vor dem 3. Juni eingegeben werden, empfiehlt Krokowski.

BVG, S-Bahn und DB AG haben angekündigt, in vollem Umfang den aktuellen Fahrplan nach „TXL“ und „SXF“ anzubieten. Die Bahn will die Züge, die speziell für den Airport-Express bestellt wurden, schnellstmöglich auf anderen Verbindungen einsetzen.

So werden ab Montag die gereade erst ausglieferten Talent-2-Triebwagen auf der Strecke der Regionalbahn 21 (Berlin–Potsdam–Golm) fahren.