Mamas & Papas

Ein Koalitionsvertrag ist auch in der Familie schwierig

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Hajo Schumacher

Der Sohn unseres Kolumnisten Hajo Schumacher findet, dass ein Achtjähriger nicht häufig genug daddeln kann. Ein Koalitionsvertrag sollte ihn auf andere Ideen bringen.

Wir sind eine technologiefreundliche Familie. Wenn die Eltern bereits mit einer Fernbedienung überfordert sind, haben sich die Kinder um Router, W-Lan und Mikrowelle zu kümmern. Sonst verlieren wir den Anschluss an dieses Internet und müssen als Rentner Handys für China zusammenlöten. Hans findet auch, dass ein Achtjähriger nicht häufig genug an Smartphone, Tablet oder Rechner daddeln kann, wenn er nicht gerade fernsieht. Zocken für Deutschland.

In pädagogischen Fachzeitschriften liest man, dass gelegentlicher Naturkontakt gut für die Entwicklung des Kindes sei, Waldspaziergang mit Volkslied und Stockschnitzen. Wir haben es versucht. Leider waren wir bei den Klassikern nicht textsicher und haben „Westerland“ von den Ärzten angestimmt.

Es nieselte. Die Stöcker erwiesen sich als schnitzresistent. Langsam verheilen die Schnittwunden. Fortschritt, das ist nicht Waldbodenfrost, sondern Zentralheizung und eine Steckdose voller Ökostrom, der unseren Technologiepark antreibt. Er müsse noch eine Runde „Pflanzen gegen Zombies“ spielen, erklärt Hans, sonst könne er sich am Montag auf dem Schulhof nicht blicken lassen.

Klingt nach anspruchsvollem Lernspiel. Wenn alle anderen Eltern ihre Kinder mit Internetspielen coachen, sollten wir unsere Zukunft nicht mit altmodischen Sachen wie Wasserfarben gefährden. Verblödung kann man reparieren, Isolation aber erzeugt lebenslanges Trauma.

Wichtig ist allerdings der dazugehörige Koalitionsvertrag: Bringt der junge Mann Bestnoten, verzichtet er auf morgendliches Trödeln, nimmt er gar ein Vitamin zu sich, dann darf er wochenends jene Minuten abdaddeln, die er zuvor Gitarre geübt hat. Kollateralnutzen: Es herrscht Ruhe, wenn Ohrstöpsel das Gedudel dämpfen. So kann ich mir eine Runde „Papa gegen Sofa“ gönnen.

Ein verschwitzter Kinderfinger in meinem Ohr weckte mich unlängst. Hans hat den Stöpsel entfernt. Er säuselt Zärtlichkeiten wie „...bester Papa der Welt...“. Klingt nach emotionaler Korruption. Aufgeregt erklärt mir Hans, dass sein Dorf zerstört werde, wenn er erst am nächsten Wochenende wieder spielen dürfe. Einige Erklärungen später verstand ich das durchtriebene Geschäftsmodell: Das Online-Spiel ist gratis; erhalten wird das Erbaute aber nur durch tägliche Rückkehr oder durch gebührenpflichtige Schutzmaßnahmen, die das Taschengeld übersteigen.

„Wie wäre es, wenn wir deine Gitarrenminuten in Waldspaziergängen verrechnen?“, fragte ich vorsichtig. Hans winkte mit dem Pflasterfinger. Der kleine Schlauberger wusste, dass er mich in der Falle hatte: Geld her oder der Koalitionsvertrag war dahin. Na gut, ich zahlte - „aber nur dies eine Mal“. Hans grinste. Er wusste, dass er bis in alle Ewigkeit eine soziale Wohltat erobert hatte. Es ist wie mit Chips oder Pkw-Maut: Hat man einmal angefangen, gibt es kein Zurück mehr. So verspielen wir das Erbe unserer Kinder.