Kinderserie

Wenn ich einmal groß bin, werd’ ich… Pianist

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Annette Kuhn

Foto: Reto Klar

Ein Leben ohne Klavier ist für Daniel unvorstellbar. Seit sechs Jahren sitzt er am Flügel und übt jeden Tag zwei Stunden. Er hat viele Wettbewerbe gewonnen und tritt am 5. Mai in der Philharmonie auf.

Er atmet tief durch. Dann setzt sich Daniel Streicher an den einen der beiden Flügel im Raum und schlägt die Noten auf. Mozart, Klavierkonzert Nr. 21 in C-Dur. Keine leichte Literatur. Schon gar nicht für einen Zehnjährigen. Aber als Daniel anfängt zu spielen, vergisst man schnell sein Alter. Daniel kommt als Jungstudent zweimal in der Woche in die Musikschule Hanns Eisler zu Prof. Galina Iwanzowa. Und er besucht das Musikgymnasium Carl Philipp Emanuel Bach in Mitte. Eine Schule für besonders begabte Nachwuchsmusiker.

Daniel hat schon mehrfach bei „Jugend musiziert“ und anderen Wettbewerben teilgenommen. Er ist im Konzerthaus und im Kammermusiksaal der Philharmonie aufgetreten. Sein nächstes Konzert gibt er dort am 5. Mai, als Solist mit dem jungen Sinfonieorchester Berlin. Das Mozart-Konzert steht dann auf dem Programm.

Talent, aber kein Wunderkind

Der Zehnjährige aus Charlottenburg hat großes Talent, sagt seine Professorin, aber ein Wunderkind sei er nicht. „So ein Begriff schadet doch nur“, sagt sie, sein Talent falle nicht vom Himmel, sondern dahinter stecke harte Arbeit. Zwei Stunden am Tag übt Daniel im Schnitt. Seine Leidenschaft für die Tasten entdeckte Daniel vor sechs Jahren an Silvester. Die Familie war bei Freunden, die ein Cembalo hatten. Als alle um Mitternacht vor die Tür gingen, um Raketen steigen zu lassen, blieb Daniel drin: „Er mochte die Knallerei nicht“, erzählt seine Mutter. Er setzte sich ans Instrument und improvisierte. Danach begann er zu Hause auf dem Flügel zu spielen, und seine Mutter, die selbst Pianistin ist, unterrichtete ihn. Vor zwei Jahren wechselte er zu Galina Iwanzowa.

Montag und Freitag sind Daniels harte Tage. Da hat er direkt nach der Schule Klavierunterricht. Manchmal fällt es ihm schwer, so schnell umzuschalten. Als er die Hände auf die Tasten legt, sind noch Spuren von Tinte zu sehen und auch in Gedanken ist Daniel zuerst noch bei der Mathearbeit, die er am Morgen geschrieben hat. Nach dem Klavierunterricht geht er noch zur Probe des Kinderchores der Staatsoper. Zeit für Freunde oder fürs Nichtstun bleibt ihm kaum. Auch sein Tischtennis-Training hat er aufgegeben. Pausen sind ihm fremd. Vielleicht hat er darum gerade eine Pause in den Noten übersehen, aber Galina Iwanzowa belehrt ihn: „Pausen sind wichtig – sie sind auch Musik.“

Alfred Brendel ist sein Vorbild

Aber Daniel weiß, wieso er so viel übt. „Ich will Pianist werden“, sagt er. Sein großes Vorbild ist Alfred Brendel. Von ihm hat er alle Mozart-Klavierkonzerte auf dem Handy. Etwas anderes als Musik kann er sich nicht vorstellen. „Ich weiß gar nicht mehr, wie es ohne ist“, sagt er, „das Klavier ist für mich wie ein Haus.“ Und doch hadert er manchmal mit diesem Haus. Vor allem wenn eine Stelle nicht klappen will. „Manchmal gebe ich zu schnell auf“, gesteht er. Auch wenn er mal nicht den ersten Platz bei einem Wettbewerb belegt, kann er nur schwer mit der Enttäuschung umgehen. Seine Mutter erinnert sich, wie Daniel sie nach einem Wettbewerb einmal fragte: „Ich hab doch auch gut gespielt – haben die denn nicht genug Preise?“ In solchen Momenten fragt sie sich schon, ob das nicht alles zu schnell und zu früh für ihn ist.

Aber stärker als die Zweifel wiegen bei ihr wohl Stolz und Vertrauen in das Talent ihres Sohnes. Und Daniel selbst hat inzwischen schon eine gewisse Professionalität gewonnen, die für einen Zehnjährigen so ungewöhnlich ist wie sein Spiel: „Es geht doch bei einem Wettbewerb nicht darum, dass man sich gegenseitig an die Wand spielt, sondern dass man seinen Stand erkennt.“ Und ein bisschen Nervenkitzel mache doch schließlich auch Spaß.

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