In der Affäre um Brandenburgs Ex-Innenminister Rainer Speer (SPD) gerät nun sein Vorgänger Jörg Schönbohm (CDU) ins Visier der Justiz. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob er von Speers gestohlenem Notebook gewusst hat und sogar geholfen hat, das brisante Material an die Presse zu bringen.

Die Affäre um den gestohlenen Laptop des früheren Innenministers Rainer Speer (SPD) hat die CDU Brandenburg erreicht: Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft gegen Speers Amtsvorgänger Jörg Schönbohm Vorwürfe einer möglichen Strafvereitelung. Dies bestätigte am Dienstag Oberstaatsanwalt Helmut Lange. Speers Anwalt Johannes Eisenberg hat die Behörde eingeschaltet. Er mahnte die Aufnahme von Ermittlungen an. Als Begründung führte er an, Schönbohm habe bei einer Zeugenvernehmung zugegeben, dass er auf dem Tennisplatz von dem im Oktober 2009 verschwundenen Laptop erfahren habe. Er hätte dies damals der Polizei melden müssen, so der Anwalt. Stattdessen aber habe der Ex-Minister seinem Tenniskameraden, einem Bekannten desjenigen, der offenbar im Besitz des Materials war, den Namen von Journalisten beim „Spiegel“ und der „Bild“-Zeitung genannt.

Brisantes Material

Das Material war tatsächlich durchaus brisant: Einige Wochen nach dem Gespräch zwischen den beiden Tennisspielern konfrontierten Journalisten der „Bild“-Zeitung den damaligen Innenminister Rainer Speer mit E-Mails, die offenbar von dessen gestohlenem privatem Laptop stammten. Danach soll der führende Sozialdemokrat keinen regelmäßigen Unterhalt für seine angebliche Tochter gezahlt und der früheren Geliebten immer wieder mal kleinere Geldbeträge zugesteckt haben. Am 23.Oktober schließlich trat der Vertraute von Regierungschef Matthias Platzeck wegen der Unterhaltsaffäre zurück. Einige Wochen später gab er nach einem Vaterschaftstest zu, der Vater der heute 13-Jährigen zu sein.

Die Tennisplatz-Geschichte kursiert seit mehreren Monaten. Erst jetzt aber schlägt sie in Potsdam große Wellen. Nicht nur die SPD und die Linke in der rot-roten Regierung, auch die Grünen zeigen sich empört über die vermeintliche Rolle des früheren Verfassungsministers. Man sei enttäuscht von dem wertkonservativen Schönbohm, hieß es am Dienstag unisono. Am meisten verärgert zeigte sich die SPD, die durch die Unterhaltsaffäre mit Speer ihren wichtigsten Mann nach Ministerpräsident Platzeck verloren hat.

„Das Verhalten von Jörg Schönbohm ist menschlich sehr unanständig“, sagte SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher. Der Ex-General habe sich stets das Image eines Law-and-Order-Ministers gegeben. Dieses Gebilde stürze in sich zusammen. Für die Linken-Fraktionschefin Kerstin Kaiser wäre es „ein politischer Skandal“, bestätige sich die Begebenheit so. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sprach sich angesichts der Fakten für die Aufnahme von staatsanwaltschaftlichen Vorermittlungen aus.

Jörg Schönbohm selbst sieht die Angelegenheit völlig überbewertet. „Mir tut es leid, dass ich am Ende meiner beruflichen Laufbahn so etwas erlebe“, sagte er Morgenpost Online. Das erste Jahr im Ruhestand habe er sich anders vorgestellt. Er wolle sich erst wieder erklären, wenn die Prüfung durch die Justiz abgeschlossen ist.

Die „Süddeutsche Zeitung“ hat Schönbohm noch mit den Sätzen zitiert: „Ich war ein bisschen naiv und ein bisschen doof.“ Offenbar sieht der 73-Jährige es selbst als Fehler an, nicht die Polizei eingeschaltet zu haben. Laut Vernehmungsakten gab er am 14.Oktober 2010 bei einer Zeugenvernehmung zu Protokoll, dass er von einem Mannschaftskameraden im Berliner Tennisclub Blau-Weiß 1899 angesprochen worden sei. Es handelt sich um einen Berliner Unternehmer, der später ebenfalls vernommen wurde.

Aus dem Rockermilieu

Nach bisherigem Kenntnisstand war der passionierte Harley-Motorradfahrer vom Betreiber einer Potsdamer Kneipe angesprochen worden. Es gehe um eine delikate Geschichte über einen Politiker, nämlich Speer. Der Kneipenbesitzer soll das gestohlene Datenmaterial aus dem Rockermilieu zugespielt bekommen haben; er lehnt jedoch jede Aussage ab.

Schönbohm sagte bei seiner damaligen Befragung, er habe seinem Tenniskameraden gesagt, dessen Bekannter solle sich an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft wenden, sollten aus den Computerdaten Straftaten ersichtlich sein. Doch er schaltete nicht selbst die Polizei ein. Auch bestritt er nicht, dem Tennispartner die Namen von Journalisten genannt zu haben. War es Rache an Platzeck und Speer, die nach der Landtagswahl 2009 die CDU nach zehn Jahren aus der Regierung kickten und dafür die Stasi-belastete Linke an die Macht holte?

Jörg Schönbohm mag die Tragweite des Tennisplatz-Gesprächs nicht bewusst gewesen sein, heißt es in der Union. „Man muss sich die Situation vorstellen“, sagte ein führendes CDU-Mitglied. „Er wurde als Privatmann angesprochen und wollte wohl einfach nur einem Freund helfen.“ Glücklich über diese Geschichte ist natürlich niemand in der Union. Selbst wenn Schönbohm strafrechtlich nichts vorzuwerfen wäre, so bleibt doch mehr als nur Unbehagen.

Die CDU-Landeschefin Saskia Ludwig lehnt eine Kommentierung ab: „Solange nicht alles geklärt ist, wird es keine Bewertung von mir geben.“ Auch in der CDU-Landtagsfraktion war Schönbohm kein Thema. SPD-Fraktionschef Holzschuher hält Ludwig vor, seit Monaten die Rolle als Aufklärerin der Nation zu spielen. Jetzt, da ihr eigener Laden betroffen sei, tauche sie ab. Ludwig müsse die Frage beantworten, „ob ein Ex-Polizeiminister unter diesen Umständen noch CDU-Ehrenvorsitzender sein kann“.

CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski schlug zurück: Die SPD solle sich „um die zwielichtigen Elemente in den eigenen Reihen kümmern und nicht den Bock zum Gärtner machen“, so Dombrowski. „Nicht Schönbohm hat ein uneheliches Kind verschwiegen und ist in dubiose Grundstücksgeschäfte verwickelt, sondern die SPD-Ikone Speer.“