Prozess

Verurteilter erhält 40.000 Euro Entschädigung

| Lesedauer: 4 Minuten
Steffen Pletl und Hans H. Nibbrig

Er hatte geschwiegen, die Brandstifter geschützt und war daher selbst als Täter verklagt worden. Vier Jahre saß der heute 26-Jährige ab – dann kam heraus, wie die Nacht tatsächlich abgelaufen war, in der ein türkischer Imbiss in Brandenburg abgebrannt war. Nun geht es um die Höhe der Entschädigung.

Mehr als vier Jahre saß ein Brandenburger unschuldig hinter Gittern. Jetzt kann er mit fast 40.000 Euro Entschädigung rechnen. Wegen eines Brandanschlags vor fünf Jahren in Brück (Potsdam-Mittelmark) war der inzwischen 26-Jährige zu acht Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden. Das Landgericht Frankfurt (O.) hat jetzt das Urteil aufgehoben und sprach ihm eine Entschädigung zu. Die Unschuld des Mannes hatte sich erst herausgestellt, nachdem die wahren Täter Geständnisse abgelegt hatten.

Derzeit gelte bei Haftentschädigungen ein Tagessatz von 25 Euro. „Davon wird nichts abgezogen“, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Brandenburg/Havel. Dieser Satz war im Mai durch den Bundestag von 11 Euro auf 25 Euro erhöht worden. Für eine Haftentschädigung müsse ein Antrag bei der Generalstaatsanwaltschaft gestellt werden, so der Sprecher. Das Land habe in diesem Jahr bislang etwa 28.000 Euro für Haftentschädigung aufgebracht. In den Vorjahren seien es jährlich Summen zwischen 30.000 und 40.000 Euro gewesen.

Im ersten Verfahren geschwiegen

Der 26-Jährige hatte im ersten Verfahren geschwiegen, dadurch auch seine beiden Mitangeklagten, die eigentlichen Täter, schützen wollen. Zudem hoffte er angesichts der nach Ansicht seines Verteidigers „dünnen Beweislage“ auf einen Freispruch, berichtete ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die wahren Täter waren zum Zeitpunkt des Brandanschlags in Brück ortsbekannte Skinheads gewesen. Inzwischen haben sie sich nach eigenen Angaben allerdings von der Szene abgewandt. Erst im Gefängnis packten alle an dem Brandanschlag

Beteiligten aus und schilderten erstmals den wahren Ablauf des Tatgeschehens. In dem jetzigen Verfahren wiederholten sie ihre Aussagen glaubhaft, so dass keine Zweifel mehr an der Unschuld des 26-Jährigen bestanden.

Der war zuvor auch mit einer Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gescheitert. Die Karlsruher Richter bestätigten das Urteil des Potsdamer Landgerichts von 2004. Den Anschlag auf den Döner-Imbiss verübten die Täter, indem sie eine Flasche mit einer brennbaren Flüssigkeit in das Fenster der Gaststätte schleuderten. Ein türkischer Mitarbeiter, der dort übernachtete, wurde wach, als die Scheiben barsten. Es gelang ihm, das sich schnell ausbreitende Feuer zu löschen, erlitt dabei aber schwere Schnitt- und Brandverletzungen.

Durch Recherchen eines Journalisten wurde schließlich bekannt, dass die beiden anderen Täter den Anschlag allein verübt hatten. Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin die Wiederaufnahme des Verfahrens. „Das ist äußerst selten“, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Behördenleiter Erardo Rautenberg hatte den Gefangenen vor etwa einem Jahr in der Haft besucht und den Antrag unterstützt.

Ersatz für Vermögensschaden

Nach Medienberichten ist es das erste erfolgreiche Wiederaufnahmeverfahren in Brandenburg. Laut Justizministerium gab es seit 1993 bei Land- und Amtsgerichten mehr als 2200 Anträge auf die Wiederaufnahme von Verfahren. Zudem hat der Betroffene Anspruch auf Ersatz für erlittenen Vermögensschaden, sofern er entsprechende Ausfälle hatte. Diesen Anspruch muss er nachweisen. Sollte es zu einer Entschädigung kommen, würden von diesem Betrag die Kosten für die Verpflegung in der Justizvollzugsanstalt abgezogen – derzeit 6,84 Euro pro Tag.

Wie die Staatsanwaltschaft Frankfurt (O.) mitteilte, war der 26-Jährige zum Zeitpunkt seiner Verurteilung 2004 kein Unbekannter mehr für Polizei und Justiz. Gegen ihn waren zuvor bereits mehrere Ermittlungsverfahren wegen verschiedener Delikte eingeleitet worden, unter anderem wegen des Verdachts der sexuellen Misshandlung von Kindern. Diese Vorwürfe seien nach der Verurteilung wegen des Anschlags nicht weiter verfolgt worden. Er habe die nun verbüßte Haftstrafe gewissermaßen auch als Strafe für frühere Taten angesehen, begründete ein Justizsprecher das beharrliche Schweigen des unschuldig Verurteilten.