Vor einem Monat hat der brandenburgische Ministerpräsident einen Schlaganfall erlitten. Danach nahm er sich erstmals nach Jahren eine längere Auszeit. Wie es ihm inzwischen geht, weiß angeblich keiner. Weder in der Staatskanzlei in Potsdam noch beim Landesverband der SPD lässt sich etwas erfragen. „Wir gehen davon aus, dass er kommenden Montag aus dem dreiwöchigen Urlaub zurückkommt“, heißt es nur. Dass Matthias Platzeck zurückkommt, ist tatsächlich so gut wie sicher. Die Frage ist nur: für wie lange?
Bei einer Pressekonferenz ließ der 59-Jährige Ende Juni offen, ob er seine Aufgaben als Ministerpräsident, SPD-Landesvorsitzender und BER-Aufsichtsratschef weiter wahrnehmen wird. Vermutlich wissen nur wenige enge Vertraute, wie sich Matthias Platzeck nach der Erholungspause, den intensiven Gesprächen mit seiner Frau Jeanette Jesorka und der Konsultation seiner Ärzte entschieden hat: Macht er weiter? Wenn ja, gibt er womöglich den Aufsichtsratsvorsitz der Flughafengesellschaft ab?
Schon an diesem Wochenende könnte der Regierungschef in Einzelgesprächen die Weichen für die Zukunft stellen. In der Staatskanzlei herrscht wie in den Potsdamer Ministerien Unsicherheit. „Die meisten von uns gehen davon aus, dass der Ministerpräsident weitermacht“, sagt ein hoher Beamter. Gleichzeitig hält sich allerdings hartnäckig das Gerücht in der rot-roten Landesregierung, dass Platzecks Erkrankung noch weitaus schlimmer ist als bekannt gegeben. Es könnten weitere Schlaganfälle drohen.
Termine stehen noch nicht fest
Nicht einmal für kommende Woche stehen seine Termine fest. Auf Anfrage der Berliner Morgenpost sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Gerlinde Krahnert am Dienstag: „Nach dem Urlaub wird in Abstimmung mit dem Ministerpräsidenten entschieden, wie sich die Woche gestaltet.“ Auch der Termin für die alljährlich geplante brandenburgische Sommerreise mit dem Ministerpräsidenten Anfang August ist immer noch nicht offiziell bekannt gegeben; alles wartet ab. Niemand kann seinen gesundheitlichen Zustand zurzeit einschätzen.
Im Juni ließ er sich mit Kreislaufproblemen im Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikum behandeln. Nach fünf Tagen wurde er entlassen. In einem Interview gab er dann überraschend bekannt: „Wie ich jetzt weiß, waren meine Kreislaufprobleme an jenem Montagmorgen von einem kleinen Schlaganfall verursacht.“ Zunächst hatte er Probleme mit „dem Sehen und dem Laufen“, berichtete er. Sein Zustand soll sich schon bald deutlich verbessert haben. „Die Gesichtsfeldeinschränkungen sind weg. Ich kann wieder gut laufen, habe aber einen leichten Linksdrall“, verkündete Platzeck, als er zehn Tage nach dem Schlaganfall für eine Woche seine Ämter vorübergehend wieder aufnahm.
Er erklärte aber auch, erst nach dem Sommerurlaub entscheiden zu wollen, wie und ob es weitergeht. „Es ist noch mehr Zeit erforderlich, um einzuschätzen, ob ich wieder komplett fit sein werde“, sagte Platzeck. „Ich werde jetzt keine Schnellschüsse machen.“ Das klang ernster als erwartet. In Potsdam wird seither heftig spekuliert.
Mehrere Varianten sind möglich:
Die risikoreichste Variante: Matthias Platzeck behält trotz angeschlagener Gesundheit alle Ämter und versucht kürzerzutreten. Das dürfte ihm bei zwei anstehenden Wahlen – im Herbst Bundestagswahl, ein Jahr später Landtagswahl – und den noch zahlreichen Problemen mit dem Pannenflughafen BER nur schwer gelingen.
Die etwas risikoärmere Variante: Er bleibt vorerst in allen Ämtern, steht nach der Landtagswahl im nächsten Herbst aber nicht mehr als Ministerpräsident zur Verfügung. Er müsste dann bald bekannt geben, dass er als Spitzenkandidat der SPD nicht mehr kandidieren wird. Nur so kann ein Nachfolger bekannt gemacht werden. Innenminister Dietmar Woidke (SPD) gilt derzeit als aussichtsreichster Anwärter. Ihn kennt aber bislang nicht einmal die Hälfte der Brandenburger – rund 46 Prozent, wie Umfragen ergaben. Platzeck ist mit 93 Prozent der bekannteste Politiker.
Die radikale Variante: Platzeck erklärt seinen Rücktritt von allen Ämtern – nach mehr als 20 Jahren in Regierungsverantwortung. Von Februar bis April 1990 war er als Bürgerrechtler Minister ohne Geschäftsbereich für die Grüne Partei in der DDR im Kabinett von Hans Modrow (SED). Im November 1990 berief ihn Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) zum ersten Umweltminister Brandenburgs. Acht Jahre später übernahm er das Oberbürgermeisteramt in Potsdam. Seit Stolpes Rücktritt 2002 führt er die Regierung. 2000 wurde Platzeck Landesvorsitzender der SPD. Von November 2005 bis April 2006 war er auch Chef der Bundes-SPD. Den Posten gab er nach zwei Hörstürzen und einem Zusammenbruch ab. Anfang 2013 übernahm Platzeck den Aufsichtsratsvorsitz für den BER. Klaus Wowereit (SPD) hatte den Posten nach der mehrmals verschobenen Eröffnung niedergelegt.
Die taktische Variante: Er macht aus Gründen der Parteiräson noch bis nach der Bundestagswahl am 22. September weiter. Auch könnte Platzeck die wichtige BER-Aufsichtsratssitzung Anfang Oktober abwarten. Denn dann soll der neue und hoffentlich endgültige Eröffnungstermin des Hauptstadtairports bekannt gegeben werden.
Die unpopuläre Variante: Matthias Platzeck bleibt Ministerpräsident und SPD-Landeschef – und gibt jetzt oder nach Bekanntgabe des Eröffnungstermins bei der Aufsichtsratssitzung im Oktober nur den BER-Aufsichtsratsvorsitz ab. Damit würde er das derzeit wichtigste Projekt aus der Hand geben.