Tempelhof-Schöneberg. Was ist das Herz Tempelhofs? Der geschichtsträchtige Flughafen mit seiner riesigen Freifläche, der Platz der Luftbrücke, der T-Damm mit seinen Geschäften? Nichts von alledem. Tempelhofs eigentliche Mitte, das historische Zentrum, liegt um das Rathaus herum. Das soll künftig auch erkennbar sein: Bis 2030 sollen um die 180 Millionen Euro in die „Neue Mitte Tempelhof“ investiert werden.
Das Großvorhaben wird – wie viele Neubauprojekte im wachsenden Berlin – kontrovers diskutiert. Die Pläne, die auch gut 500 neue Wohnungen vorsehen, sind für die einen der lange ersehnte Durchbruch für ein lebendiges Zen-trum, andere sind skeptisch.
„Mit dem Neubau vieler Wohnungen und Einrichtungen wie Schwimmbad und Bibliothek ist die ‚Neue Mitte Tempelhof‘ wichtig für Berlin und eines der zentralen Projekte für Tempelhof-Schöneberg“, wirbt Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) für die Neugestaltung. Baustadtrat Jörn Oltmann (Grüne) schwärmt, das Gebiet werde sich zu einem belebten Stadtquartier wandeln – mit gutem und preisgünstigem Wohnraum, lebenswerten Grünräumen, zukunftsfähigen Angeboten und einem Bürgerzentrum mit berlinweiter Ausstrahlung.
„Es gibt aber doch bereits eine tolle Bibliothek aus den 70er-Jahren und auch das Schwimmbad aus den 60er-Jahren ist immer noch wunderbar“, sagt Norbert Gieseking. Er zählt zu den Skeptikern des Projekts. Seit 66 Jahren wohnt er in unmittelbarer Nähe zur geplanten Neuen Mitte um das Rathaus. „Ich kann nicht verstehen, weshalb Gebäude abgerissen werden sollen, die doch ihren Zweck nach einer Sanierung weiterhin gut erfüllen könnten“, betont der 76-Jährige bei einem Spaziergang durch das Gebiet um das Rathaus. Das Argument, sie verursachten durch ihre alte Bauweise hohe Betriebskosten, kann ihn nicht überzeugen.
Im Frühjahr kommt ein Gebietsmanagement
Gieseking und viele andere Anwohner fürchten vor allem auch, dass die schmalen Straßen dem zu erwartenden Verkehr nicht gewachsen sein werden. Denn in dem neuen Quartier sollen nicht nur die neuen Wohnungen entstehen, auch die Polizei wird in einen Neubau nach hinten verlagert. Die Einsatzfahrzeuge müssen dann durch das Wohngebiet. Die derzeit von Grün umgebene Bezirkszentralbibliothek wandert an den Tempelhofer Damm neben das Rathaus, sie soll dort mehr Platz bekommen. Wo heute der Parkplatz der Rathausbediensteten ist, soll später ein berlinweit einzigartiges Kultur- und Bildungshaus stehen. Einziehen könnten auch Volkshochschule und eine kommunale Galerie. „Das wäre ein großer Gewinn“, sagt Kulturstadträtin Jutta Kaddatz (CDU). „Tempelhof hat im Gegensatz zu Schöneberg kaum Räume für Kultur.“
Und noch ein Umzug ist nötig: Das Stadtbad soll den Wohnungen weichen und auf dem Gelände der Kleingartenanlage „Friede und Arbeit“ neu gebaut werden. Die Senatsverwaltung bereitet über ein städtebauliches Gutachterverfahren nun den Bebauungsplan rund ums Rathaus vor. Im Frühjahr soll ein Gebietsmanagement eingesetzt werden, das den „komplexen Planungs- und Umsetzungsprozess“ koordiniert.
Tobias Mette, Vorsitzender der Unternehmer-Initiative Tempelhofer Damm, freut sich schon auf die Neue Mitte: „Wir erhoffen uns eine höhere Aufenthaltsqualität. Hier entsteht das Wohnzimmer des T-Damms.“ Auch Gastronomie soll eröffnen. Der Stadtentwicklungsexperte der SPD-Fraktion Tempelhof-Schöneberg, Christoph Götz, hatte 2012 den Anstoß für das Projekt gegeben. Er sagt: „Es ist die Chance, das Gebiet aufzuwerten und Wohnungen zu bauen.“ Wie geht es weiter? Der rot-rot-grüne Senat legte im September die „Neue Mitte Tempelhof“ als Stadtumbaugebiet fest. Voraussetzung dafür, dass die ersten 32,5 Millionen Euro an Fördergeldern aus Stadtumbaumitteln fließen können: Davon soll zunächst der Spielplatz im Franckepark saniert und erweitert werden – und dann ein Pflege- und Gestaltungskonzept für die umliegenden Parks erarbeitet werden. Doch dieser Plan ist ebenfalls umstritten. Eine Anwohnerinitiative, die auch um den Erhalt des Damwildgeheges kämpft, befürchtet, dass gewachsene Büsche und Bäume einer vereinfachten Pflege zum Opfer fallen sollen.
Inzwischen deutet sich an, dass zumindest das Pfadfinderheim an der Götzstraße erhalten bleibt. Einige Kleingärtner müssen aber weichen. Norbert Gieseking ist auch Vorstandsmitglied des Bezirksverbandes der Kleingärtner e. V. Tempelhof. Er sagt: „Falls wie bislang im Bebauungsplan ausgewiesen, eine Kita auf dem Gebiet der Parzellen der Anlage „Germania“ gebaut werden solle, werden wir zustimmen und den bisherigen Pächtern Alternativen bieten.“ Wenn dort aber etwas anderes als im Bebauungsplan festgesetzt gebaut wird wie derzeit das Gebäude für die Polizei, sei der Verband dazu nicht bereit. „Dann werden wir es auf einen Rechtsstreit ankommen lassen“, kündigt Gieseking an.
Nie mehr was verpassen - treten Sie unserer Facebook-Gruppe Unser Tempelhof-Schöneberg bei
Oltmann: „Tempelhof-Schöneberg ist nicht Treptow-Köpenick“