Sie kamen mitten am Tag. Und so schnell wie sie auftauchten, verschwanden sie wieder. Mitten im Weihnachtseinkauf haben am Vormittag des vierten Adventssonnabends mehrere Maskierte das Luxuskaufhaus KaDeWe an der Tauentzienstraße überfallen.
Sie sprühten einem Sicherheitsmann Reizgas ins Gesicht, zerschlugen mehrere Vitrinen in einem Geschäft im Erdgeschoss und flohen blitzschnell wieder in einem Auto, wie ein Polizeisprecher am Sonnabendmittag sagte.
Der Überfall geschah etwa eine Stunde nach Öffnung des Hauses um 9.30 Uhr. An Wochenenden und speziell kurz vor Weihnachten ist das Traditionskaufhaus besonders gut besucht. Die Räuber kannten sich Augenzeugenberichten zufolge sehr gut aus. Sie zerschlugen nach Informationen der Berliner Morgenpost Vitrinen des Luxus-Juweliers Chopard mit mitgebrachten Werkzeugen und raubten Schmuckstücke und Uhren.
Mit hohem Tempo im Fluchtwagen über die Kleiststraße
Nach dem Überfall entkamen die vier Männer unerkannt über den Ausgang an der Ansbacher Straße. Dort soll eine dunkelgraue Limousine der Marke „Audi“ mit geöffneten Türen und einem fünften Komplizen gewartet haben. Eine Zeugin sagte, das Auto sei dann mit hohem Tempo über die Kleiststraße in Richtung Urania davongefahren. Zunächst hatte es geheißen, die Täter seien mit Gaspistolen bewaffnet gewesen. Später stellte sich heraus, dass sie „nur“ Reizgas versprüht hatten.
Mitarbeiter und Kunden verließen kurz nach dem Überfall das KaDeWe. Elf Menschen, darunter ein kleines Kind, wurden in Rettungswagen der Berliner Feuerwehr wegen Augenreizungen ambulant behandelt. Ein Sicherheitsmitarbeiter musste in eine Klinik eingeliefert werden. Er soll direkt mit Reizgas besprüht worden sein. Angaben der Feuerwehr zufolge soll das Gas über die Klimaanlage vom Erdgeschoss aus in mehrere Stockwerke gelangt sein.
Die Polizei hat eine Großfahndung eingeleitet. „Es wurde Beute gemacht“, sagte ein Polizeisprecher. Wie viel und was genau die Räuber mitnahmen, war zunächst unklar. Die Tageseinnahmen des Vortags sollen sich zum Zeitpunkt der Tat noch im KaDeWe befunden haben. Auf diese hatten es die Täter offenbar nicht abgesehen. Der Überfall habe nur wenige Minuten gedauert, sagte eine Polizeisprecherin.
Das KaDeWe wurde nach dem Überfall vorübergehend geschlossen, kurz vor 12 Uhr aber wieder für die Kunden geöffnet. Einzelne Bereiche der Schmuckabteilung sollten für den Rest des Tages geschlossen bleiben, sie wurden von der Polizei mit Stellwänden abgeschirmt. Auch der Eingang an der Ansbacher Straße wurde mit Flatterband abgesperrt.
Berliner Einzelhandel besorgt über Überfälle
Der Berliner Einzelhandel blickt mit Sorge auf die Zunahme von spektakulären Raubüberfällen den vergangenen Monaten. „Wir denken an die betroffenen Mitarbeiter und an die Kunden – für die ist das immer ein Schreck“, sagte der Geschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg (HBB), Nils Busch-Petersen.
„Aber ein so professionelles Kaufhaus wie das KaDeWe kann mit solchen Extremsituationen umgehen. Es geht danach schnell wieder ans Netz.“ Der Handel lebe davon, dass das Haus offen sei. „Wir können uns ja nicht hinter schusssicherem Glas verbarrikadieren“, sagte Busch-Petersen.
Auswirkungen bis in die oberste Etage
Die Kunden des KaDeWe haben die Auswirkungen des spektakulären Überfalls – die Täter versprühten Reizgas – bis in die oberste Etage zu spüren bekommen: „Ich habe mit meiner Frau oben im Café gesessen und Kaffee getrunken“, erzählt der Holländer Tjeerd de Graaf, der im KaDeWe seine Weihnachtseinkäufe machen wollte. „Auf einmal haben viele der etwa 50 Gäste angefangen zu husten und sich die Augen zu reiben. Wir wussten nicht, was geschehen ist. Doch dann sind immer mehr Leute aufgestanden und gegangen.“ Alles sei sehr ruhig verlaufen und keine Panik entstanden. „Wir wurden dann vom Personal begleitet und herausgeführt“, so de Graaf. Gesehen hätten sie nichts. Zum Glück sei niemand ernsthaft verletzt worden.
Ein Besucher aus Braunschweig stand wegen des Überfalls vor verschlossenen Türen. „Betriebswirtschaftlich sage ich nur: An so einem umsatzstarken Tag ist der Verlust durch die verloren gegangenen Einkäufe wahrscheinlich größer als der Wert der gestohlenen Ware“, mutmaßte der verhinderte Kunde.
KaDeWe schon mehrfach Ziel von Kriminellen
Das im Jahr 1907 eröffnete Luxuskaufhaus an der Tauentzienstraße in Schöneberg, das am Sonnabendvormittag überfallen wurde, ist bereits mehrfach das Ziel von Kriminellen geworden.
Der letzte Einbruch in das KaDeWe ist an einem Sonntagmorgen im August dieses Jahres verübt worden. Zwei unbekannte Täter hatten gegen 8.20 Uhr mit Schlagwerkzeugen eine Schaufensterscheibe des Kaufhauses an der seitlichen Fassade in der Passauer Straße zertrümmert und anschließend hochwertige Uhren aus der Auslage entwendet.
Danach flüchteten sie mit ihrer Beute in einem Pkw-Kombi. Ein Zeuge hatte sich zwar das Autokennzeichen gemerkt, doch die Nachforschungen der Kriminalbeamten ergaben schnell, dass die Nummernschilder in der Nacht zuvor in Wilmersdorf gestohlen worden waren. Der Wert der Beute hatte damals nach Angaben der Polizei im fünfstelligen Euro-Bereich gelegen.
Millionenbeute vor fünf Jahren
Die Täter, die am 25. Januar 2009 in das Kaufhaus des Westens einbrachen und Juwelen im Wert von etwa fünf Millionen Euro stahlen, konnten durch einen besonderen Umstand nicht bestraft werden. Sie waren abends unbemerkt über eine Leiter auf das Vordach des Kaufhauses geklettert, hatten ein Fenster aufgehebelt und waren mit einer Strickleiter wieder ins Erdgeschoss hinabgestiegen. Dort konnten die Einbrecher hochwertigen Schmuck und teure Uhren aus den Räumen des Juweliers Christ erbeuten.
Bei der Auswertung von Bildern einer Überwachungskamera konnten die Ermittler drei Täter erkennen. Wenige Wochen später wurden 27-jährige Zwillingsbrüder libanesischer Herkunft durch Zielfahnder in Niedersachsen festgenommen. Doch der Fahndungserfolg war nicht von langer Dauer: Eine DNA-Analyse ergab zwar, dass mindestens einer von ihnen an der Tat in dem Kaufhaus beteiligt war. Aber eine eindeutige Zuordnung, um welchen der beiden Männer es sich dabei gehandelt hatte, war nicht möglich. Denn die DNA der verdächtigen Brüder war, wie immer bei eineiigen Zwillingen, absolut identisch.
Ein von der Staatsanwaltschaft bereits beantragter Haftbefehl konnte daher nicht vollstreckt werden. Deshalb mussten beide Tatverdächtigen wieder freigelassen werden. Von der wertvollen Beute fehlt noch immer jede Spur.