Berlin. 150 Pflänzchen auf der Pfaueninsel gesetzt: Drei Berliner Institutionen treten dem Artensterben mit gemeinsamer Pflanzaktion entgegen.
Es ist ein typischer Herbsttag; grau und es sieht so aus, als könnte jeden Moment der erste Regentropfen vom Himmel fallen. Nur das Laub sorgt für Farbkleckse in der Herbstlandschaft, als die Vertreterinnen und Vertreter der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), des Botanischen Gartens Berlin (BO) und der Stiftung Naturschutz Berlin (SNB) auf die Pfaueninsel übersetzten. Es ist der Auftakt eines neuen Artenschutzprojekts zwischen den drei Berliner Institutionen, dessen Ziel es ist, bedrohte Wildpflanzen vor dem völligen Verschwinden in Berlin zu retten.
„In Deutschland gibt es ungefähr 4000 Wildpflanzenarten. Gut ein Drittel davon steht auf der roten Liste, ist vom Aussterben bedroht“, erklärt Thomas Borsch, Direktor des Botanischen Gartens Berlin. Insgesamt 150 bedrohte Exemplare dreier vom Aussterben bedrohter Arten, werden bei der Auftakt-Pflanzaktion auf der Pfaueninsel in die Erde gebracht: Deutscher Ginster, Behaarter Ginster und die Duft-Skabiose. Ursprünglich waren sie alle drei in der Umgebung angesiedelt. Allein in Berlin sind über 700 Wildpflanzenarten akut bedroht, weltweit sterben täglich 150 Tier und Pflanzenarten aus.
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„Für die Pflanzen wäre es schön, wenn es heute noch regnen würde“, betont Anna Heinken-Šmídová, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Wildpflanzenschutz-Projekts „WIPs-De“ am Botanischen Garten, dessen Ziel es ist, im Rahmen des „Bundesprogramms Biologische Vielfalt“, ein nationales Schutzprogramm für bedrohte Arten aufzubauen. Es sei sinnvoll, mit dem Auspflanzen bis zum Spätherbst zu warten. Wegen des vielen Regens sei der Boden dann feuchter und die Pflanzen könnten sich bis zum Winter eingewöhnen und seien bereits verwurzelt, wenn der Frühling mit viel Trockenheit käme, erklärt ihre Kollegin Okka Tschöpe.
Der letzte Deutsche Ginster in Berlin wurde vor Bauarbeiten gerettet
Nebenan blöken die Schafe auf der Weidefläche, während das Team des Botanischen Gartens die 50 Ginster-Zwergsträucher auf der Heidefläche hinter dem historischen Rosengarten pflanzt. „Sie kommen in Deutschland nur an wenigen Stellen vor. In Berlin hauptsächlich in Köpenick“, so Thomas Dürbye, Technischer Leiter der Dahlemer Saatgutbank. „Vom Deutschen Ginster gab es nur noch einen Standort in Berlin. Dort wurde er vor Bauarbeiten gerettet“, fügt er hinzu.
Die Ginster wirken klein und etwas kahl in ihren orangen Tontöpfchen. Wirklich groß werden sie nicht, nur zwischen 20 und 30 Zentimeter hoch, erklärt Tschöpe. „Und der aktuelle Anblick ist nicht unbedingt repräsentativ, die Pflanzen ziehen sich im Herbst ein. Das heißt, sie werfen ihre Blätter ab und bereiten sich auf den Winter vor.“

Pflanzen werden nach bestimmten Schema gesetzt
Mithilfe einer weißen, runden Schablone und eines Zollstocks bestimmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pflanz-Teams des Botanischen Gartens in welchem Abstand in einem Kreis zwölf kleine Löcher gegraben werden. Und setzen die Sträucher ein. In die Mitte des Zirkels kommt ein weiteres Ginster-Exemplar. Alle Pflanzen werden entsprechend markiert, sodass zu Forschungszwecken für jede Pflanze einzeln nachvollzogen werden könne, ob sie überlebt hat oder nicht, so Tschöpe. Nach der Einpflanzung kontrolliere man regelmäßig, um Fehler und Probleme zu entdecken und daraus zu lernen. 30 Prozent der Pflanzen würden nicht überleben, so Heinken-Šmídová, weswegen eine dreistellige Zahl an ausgesäten Pflanzen die Chancen für eine stabile Population erhöhe.
Für die Pflanzen ist es erstmal einen „Transplantationsschock“, „wenn man sie aus ihrem kleinen Töpfchen hier in die Wildnis setzt“, so Tschöpe. „Es sind Babypflanzen und sie brauchen im ersten Jahr Pflege durch Gärtner, die im Notfall auch mal gießen können“, so Dürbye. Vom Prinzip her sollten die Wildpflanzen allerdings allein klarkommen. „Doch die klimatische Entwicklung der letzten Jahre ist so, dass man immer wieder eingreifen muss.“
Borsch: „Pfaueninsel bietet gesicherten Rahmen“
Einige Minuten Fußweg liegen zwischen dem ersten und dem zweiten Pflanzort. Nahe der Meierei grasen gemütlich die Wasserbüffel. Hier werden auf einer sogenannten Magerwiese 100 Duft-Skabiosen eingesetzt. Einige von ihnen blühen fliederfarben. „Gerade noch“, so Dürbye. Auch sie werden nach dem gleichen Prinzip in die Erde gebracht und markiert. Im Gegensatz zu den Ginstern, die sandigen, sauren, nährstoffarmen Boden mögen, bevorzugen die Duft-Skabiosen basischen bis kalkhaltigen Boden, erklärt Heinken-Šmídová. „Bundesweit ist nur noch ein Bruchteil der Population der Duft-Skabiosen vorhanden. Im Berliner Raum haben wir zwei Restpopulationen dieser Art, in den Baumbergen und im Havelland. So zu sagen die letzten ihrer Art in unserer Region“, erklärt Borsch vom Botanischen Garten.
Die Stiftung Naturschutz Berlin und der Botanische Garten hätten schon in Vergangenheit viel und gut kooperiert, so Borsch und sagt weiter: „Die Pfaueninsel als Schutzgebiet bietet einen gesicherten Rahmen, dass die mit viel Aufwand angezogenen Pflanzen hier auch eine Zukunft haben“, und betont die kompetente Gebietsbetreuung durch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. „Ich denke wir sind uns auch alle einig, dass es weiter gehen soll.“ Wie genau sei noch offen. Als die letzten Pflanzen in der Erde sind, beginnt es zu tröpfeln. Gute Voraussetzungen für das Pilotprojekt für Artenschutz auf der Pfaueninsel.