Berlin. Was die S-Bahn angeht, dämmert Tegel in einer Art Halbschlaf, aus dem es nur dreimal pro Stunde für eine Zuglänge kurz aufschreckt. Das macht sich aktuell besonders schmerzlich bemerkbar, wo auf der U6 ab Kurt-Schumacher-Platz wegen der Sanierung bis 2025 Schienenersatzverkehr herrscht.
Die S25 kann nur sehr bedingt als Ersatz einspringen, sie fährt nur im 20-Minuten-Takt. Und das schon seitdem der S-Bahnhof Tegel nach der Wiedervereinigung von den französischen Alliierten übernommen wurde, die von dort Mensch und Material zwischen Frankreich und Berlin transportiert haben. 1995 wurde er S-Bahnhof wieder in Betrieb genommen. Die Gleissituation im S-Bahnnetz ließ zuerst nicht mehr als den 20-Minuten-Takt zu. Doch geplant war aber auch, die durchgehende Zweigleisigkeit und somit die Möglichkeit für den kürzeren Takt auf der Strecke bis zum Jahr 2000 wiederherzustellen.
Nun ist ein großer Schritt in diese Richtung erfolgt: Berlin und Brandenburg haben mit der Deutschen Bahn die Finanzierungsvereinbarung für die Vorplanung über rund 27 Millionen Euro unterzeichnet. Damit wird eine weitere große Teilmaßnahme im Projekt i2030 in die vertiefende Planung überführt. Die umfassenden Untersuchungen der Vorplanung laufen bis zum Jahr 2026.
Ein neuer Bahnhof und das Ende für den Bahnübergang
Bisher fuhr ein Zug von Norden nach Süden 62 Minuten und hielt auf der 39,9 Kilometer langen S25 an 27 Bahnhöfen. Doch nun soll möglicherweise auch noch ein weiterer Stop im Stadtgebiet dazu kommen: In der Vorplanung soll auch die Realisierung eines neuen Bahnhofs „Borsigwalde“ auf Höhe der Holzhauser Straße geprüft werden. Ganz neu diskutiert wird ebenfalls die Frage nach Erhalt oder Auflösung des beschrankten Bahnübergangs an der Gorkistraße in Alt-Tegel.
Und etwas weiter östlich, in Wittenau, wird im Hinblick auf die weitgehend autofrei geplante Bebauung des Geländes der ehemaligen Nervenklinik die Neuerrichtung der barrierefreien Station Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik im Bereich Ollenhauerstraße mit verbesserten Umsteigewegen zur U8 geprüft.
Warum ist die S-Bahn überhaupt zum Teil eingleisig?
Aber warum hat die S-Bahn überhaupt einspurige Strecken, wo sie doch immer hin und zurück fährt? Der Sprecher der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH (VBB) Joachim Radünz antwortet etwas nebulös: „Das zweite Gleis der Strecke von Berlin-Schönholz über Tegel nach Hennigsdorf wurde nach dem Zweiten Weltkrieg demontiert.“
Ganz deutlich formulierte es hingegen der Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für Berlin, Alexander Kaczmarek, in einem Interview mit der Berliner Morgenpost: „Die S-Bahn fährt immer noch auf Basis der demontierten Gleise von 1945, die Russen haben nach dem Krieg ja einiges mitgenommen. Deshalb haben wir im Netz viele eingleisige Strecken, was oft zu Verspätungen führt“.
Seit 2015 ist Alexander Kaczmarek in seinem Posten. Seit 2022 hat er diese Funktion auch für Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern inne. Und nun haben die Länder Berlin und Brandenburg eine Finanzierung für die Vorplanung zum Streckenausbau der S25 vereinbart.
Dabei muss einiges getan werden: Die Bahnhöfe Alt-Reinickendorf, Eichborndamm, Schulzendorf müssten für einen 10-Minuten-Takt ebenfalls zweigleisig ausgebaut werden. Fast wirken sie noch wie einige S-Bahnstrecken zu Mauerzeiten, die dort im Dornröschenschlaf dahindämmerten. Den wenigsten Fahrgästen ist verständlich, warum das nicht schon längst geschehen ist. Auch BVV-Abgeordneter Felix Schönebeck begrüßt das sehr. „Vom Ausbau würden der Bezirk Reinickendorf und die vielen Pendler aus dem Speckgürtel nachhaltig profitieren. Wenn das Angebot attraktiver wird, werden auch mehr Menschen die S-Bahn nutzen. Das wird wiederum den Autoverkehr reduzieren und die Straßen entlasten. Es ist erfreulich, dass das Thema nach vielen Jahren endlich konkret wird und jetzt Fahrt aufnimmt.“
Am Bahnhof Alt-Reinickendorf tut sich schon jetzt etwas
Die Deutsche Bahn will ins Netz investieren und tut es derzeit auch schon. Sogar auf eben jener Strecke. Dort erweitert sie aktuell den S-Bahnhof „Alt-Reinickendorf“: Er erhält bis zum Frühjahr 2023 einen weiteren Zugang zum Bahnsteig, der bisher von einem Zaun in eine normale benutzbare, gepflasterte Hälfte und eine Seite mit wilder Wiese geteilt ist. Der neue Zugang zum Bahnhof entsteht durch das Verlängern der bestehenden Unterführung und den Durchstich. Für Reisende, die von der Flottenstraße kommen, entfällt so ein etwa 600 Meter langer Umweg. Ergänzend wird das Blindenleitsystem erweitert und die Station erhält eine moderne Beleuchtung. Im April 2022 wurde mit den Arbeiten begonnen, im Frühjahr soll es fertig sein.
Bis zum 10-Minuten-Takt wird es länger dauern. Zudem sind noch Fragen offen. VBB-Sprecher Joachim Radünz sagt, dass es die Wahl gebe zwischen einem komplett zweigleisigen Ausbau oder auch nur einem „abschnittsweise zweigleisigen Ausbau“. Aber eins stehe fest: „Beide Ausbauvarianten ermöglichen einen 10-Minuten-Takt der S25 bis nach Hennigsdorf.“ Allerdings erlaubt nur der vollständige zweigleisige Ausbau den neuen Bahnhof an der Holzhauser Straße.
Es ist also noch ein weiter Weg: Nach der Erstellung der Vorplanung 2026 schließt sich der Prozess der abschließenden Variantenentscheidung und Finanzierungssicherung für die folgenden Planungsphasen (Entwurfsplanung/Genehmigungsplanung) an. „Auf Grund der noch erforderlichen Planungs- und Genehmigungsverfahren und der Absicherung erforderlicher Finanzierungen wird eine Realisierung ab 2030 angestrebt“, sagt ein Bahn-Sprecher. Ein konkreter Termin für die Inbetriebnahme kann er aber noch nicht nennen. „Ein Bauzeitraum ergibt sich u.a. in Abhängigkeit der noch zu ermittelnden Bautechnologien, möglichen Sperrpausen und dem noch zu untersetzenden Leistungsumfang.“
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