Reinickendorf
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Bauprojekt auf dem Bonhoeffer-Gelände nimmt Formen an

| Lesedauer: 5 Minuten
Dirk Krampitz
Auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik sollen ab Mitte 2023 erst die Abriss-, dann die Bauarbeiten beginnen.

Auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik sollen ab Mitte 2023 erst die Abriss-, dann die Bauarbeiten beginnen.

Foto: Dirk Krampitz

Das Bonhoeffer-Gelände soll auch für die Anlieger zugänglicher gemacht werden und trotzdem seinen Parkcharakter behalten.

Berlin. Es ist eine grüne Oase mit altem Baumbestand, zwei S-Bahn-Haltestellen und einer U-Bahn-Station. Das 45 Hektar große Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik ist ein Traum für Immobilienentwickler.

Seit langem ist beschlossen, dass Berlin das Reinickendorfer Gelände vom Klinikkonzern Vivantes kauft, immer wieder wurde es aufgeschoben, nun soll es nach Auskunft von Anne Pietzsch von der Senatsbauverwaltung noch im November vollendet werden.

Ab Mitte des nächsten Jahres will die Gesobau dort dann 600 Wohnungen errichten, die Hälfte davon Sozialwohnungen und insgesamt auch die Hälfte der Wohnungen barrierefrei. 1200 Menschen sollen in den Neubauten künftig wohnen.

Noch steht das Projekt aber ganz am Anfang. Am Freitag hatten das Bezirksamt Reinickendorf, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen sowie die landeseigene Gesobau zu einem Gebietsspaziergang geladen, um die bisherigen Ideen für das Gelände vorzustellen. Rund 50 Interessierte, darunter viele Anrainer, waren gekommen.

Die Skepsis über die bevorstehende Bautätigkeit ist spürbar. Gleich zu Beginn regnet es kritische Fragen: Sind Luxuswohnungen geplant? Was ist mit Parkplätzen? Ein Mitarbeiter des Bezirksamts verteilt Blöcke und Stifte, „damit Sie die Fragen für später notieren können“.

Ein Quartier möglichst ohne Autos

Zuerst einmal beschreibt Christoph Schuster, Bereichsleiter Portfoliomanagement der Gesobau, das sogenannte Städtebauliche Werkstattverfahren, das gerade läuft: „Es wurden mehrere Architektur-Büros beauftragt, sich Gedanken zu machen, wie man den Wohnungsbau sensibel in das Areal einpassen kann.“

Die künftige Bebauung werde im Regelfall dreistöckig, einzelne Gebäude aber auch vierstöckig ausfallen. Heike Sellenthin, Stellvertretende Fachbereichsleiterin Stadtplanung und Denkmalschutz im Bezirksamt Reinickendorf, verspricht: „Es wird Wert darauf gelegt, dass hier nichts gebaut wird, was nicht hinpasst und schon gar kein Hochhaus.“

Neben den Wohnungen werde auch Platz für eine Kita, einen Arzt und Coworking-Spaces geschaffen. Dazu eine oder zwei Quartiersgaragen, wo Bewohner ihre Autos zentral parken und eventuell Lastenräder ausleihen können. Denn der Autoverkehr soll aus dem zukünftigen Wohnquartier möglichst herausgehalten werden, so Schuster. Vivantes wird zudem noch eine vierstöckige Seniorenwohnstätte mit 150 Plätzen bauen. Eine Öffnung des Geländes in Richtung S-Bahnhof Eichborndamm im Südwesten sei angedacht. Die Erschließung für den Autoverkehr erfolgt künftig über die Oranienburger Straße.

Die Anwohner sind skeptisch

Beim Rundgang mit den Bewohnern aus den umgebenden Straßen ist die Sorge vor der Veränderung omnipräsent: Bleibt die 135.000 Quadratmeter große Parkanlage bestehen? Wie viele Bäume werden gefällt? Bleibt der Zaun, der das Gelände bisher umgibt? Das sind die Fragen, die die Interessierten in unterschiedlichen Varianten immer wieder stellen.

Kleinere Veränderungen wird es geben. Die Gesobau möchte das Gelände öffnen, der Zaun zum Olbendorfer Weg wird also verschwinden, die Bäume sollten aber so komplett wie möglich erhalten bleiben. Jeder einzelne wurde untersucht und kartographiert. In zweien wurde der „Heldbock“ gefunden, ein in Deutschland vom Aussterben bedrohter Käfer aus der Familie der Bockkäfer. Somit dürfen diese nicht gefällt werden. „Aber sie stehen auch weit genug weg vom möglichen Bauplatz“, beruhigt Gerald Schulze vom Bausenat. Ohnehin würden nur 30 Prozent des von der Gesobau genutzten Geländes bebaut und der Großteil der Fläche davon ist es bisher auch schon.

Entstehen sollen die Bauten nämlich auf einer Fläche westlich der ehemaligen Klinik, wo derzeit die wegen ihres Grundrisses „Sternhäuser“ genannten ehemaligen Bettenhäuser stehen. Die bauliche Substanz der von 1977 bis 1982 von Gerhard Hänska errichteten Bauten sei einfach zu schlecht und die Grundrisse nicht für den Umbau zu Wohnungen geeignet, sagt Schuster, darum sei ein Neubau wirtschaftlicher.

Das Gelände hat eine dunkle Vergangenheit

Ein neuer Anfang darf hier jedoch nicht den Blick zurück vergessen: Das Gelände hat eine durchaus auch dunkle Geschichte: 1880 war es die erste Nervenheilanstalt Berlins. Bis 2006 war hier eine psychiatrische Klinik, zuletzt unter der Bezeichnung Vivantes Humboldt-Klinikum, Standort Oranienburger Straße.

Viele der Gebäude sind denkmalgeschützt. Während des Nationalsozialismus spielten sie eine zentrale Rolle bei der systematischen Ermordung von Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen. Auf dem südlichen Teil des Geländes findet sich noch der alte, verwilderte Anstaltsfriedhof, der mittlerweile ein Gedenkort ist. Er wird ebenso wie das von einer hohen Mauer und Stacheldraht umgebene Krankenhaus des Maßregelvollzugs auf dem Gelände verbleiben.

Überhaupt soll auch vieles so bleiben, wie es ist. Kathleen Andrä, Projektmanagerin bei der Senatsbauverwaltung, sagt: „Wir können uns im Moment nicht vorstellen, dass hier im Waldbereich viel passiert.“ Man werde die Hauptwege ertüchtigen, „verkehrssicher und erlebbar machen, aber alles sehr behutsam“. Das Areal soll eine Heimat für Käfer, Vögel und Fledermäuse bleiben. Ein Areal für Spaziergänger. Der Koldischteich soll wieder hergerichtet werden und künftig Regenwasser auffangen. „Hier kann ein Habitat für Amphibien entstehen“, sagt Andrä. Aber insgesamt soll der Waldcharakter bleiben. „Das hier wird kein Spielplatz.“

Laut Gesobau sollen die Sternhäuser Mitte bis Ende des Jahres 2023 abgerissen werden, damit geht auch der Rückbau des Tempohomes einher, die derzeit als reguläre Gemeinschaftsunterkunft mit einer Kapazität von 245 Plätzen für Geflüchtete genutzt werden. Danach starten möglichst bald die Arbeiten für den Neubau.

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