Berlin. Klimaaktivisten der Gruppe Extinction Rebelllion protestieren mit einer neuen Masche gegen die Politik von Verkehrsminister Wissing.

  • Klimaaktivisten von Extinction Rebellion rufen dazu auf, Verkehrsschilder abzuschrauben
  • Auf diese Weise werden zeitlich eingeschränkte Tempolimits plötzlich unbegrenzt wirksam
  • Die Aktion richtet sich gegen die Politik von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP)

Berlin. Leiter an den Pfosten gestellt, Ratsche aus der Tasche geholt, und keine zwei Minuten später fehlt ein Zusatzschild: So gilt Tempo 30 vermeintlich rund um die Uhr in der Schwedenstraße in Berlin-Mitte. Klimaaktivisten von Extinction Rebellion rufen knapp eine Woche vor der Verkehrsministerkonferenz dazu auf, mit einem „Do-it-yourself-Tempolimit“ striktere Geschwindigkeitsbegrenzungen selbst einzuführen. Bereits um den Jahreswechsel waren so Schilder in ganz Deutschland verschwunden. Schwerpunkt in Berlin war Anfang 2023 der Bezirk Pankow.

„Wir fordern den Verkehrsminister und die Verkehrsministerinnenkonferenz auf, endlich Sofortmaßnahmen gegen die Klimakrise einzusetzen“, sagt Amelie Meyer von Extinction Rebellion (XR). Die Klimaaktivisten richten sich damit gegen die Politik von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), der ein Tempolimit bisher ablehnt und das unter anderem mit einem Mangel an Schildern begründet.

Die 28-jährige Amelie Meyer von Extinction Rebellion setzt sich für ein Tempolimit in Deutschland ein.
Die 28-jährige Amelie Meyer von Extinction Rebellion setzt sich für ein Tempolimit in Deutschland ein. © FUNKE Foto Services | Maurizio Gambarini

Dabei sei die Geschwindigkeitsbegrenzung einfach umzusetzen und spare sofort CO2 ein, so die Umweltschützer. Bei einer ähnlichen Aktion Anfang des Jahres sei so auf mehreren Tausend Kilometern Autobahn ein Tempolimit umgesetzt und strengere Geschwindigkeitsbegrenzungen in der Stadt eingeführt worden.

Extinction Rebellion protestiert auch in Berlin gegen Politik der Bundesregierung

Ein Aktivist von Extinction Rebellion schraubt in der Schwedenstraße in Berlin-Mitte ein Zusatzschild ab. Damit soll Tempo 30 rund um die Uhr gelten.
Ein Aktivist von Extinction Rebellion schraubt in der Schwedenstraße in Berlin-Mitte ein Zusatzschild ab. Damit soll Tempo 30 rund um die Uhr gelten. © FUNKE Foto Services | Maurizio Gambarini

Hintergrund der Aktion ist die Verkehrsministerkonferenz, die am 22. und 23. März in Aachen tagt. Dort diskutieren Bundesminister Wissing und seine Kollegen aus den Ländern gemäß vorläufiger Tagesordnung unter anderem über das Thema „Mobilität und Klimaschutz“.

Nach eigenen Angaben schafften es Anfang des Jahres dezentral organisierte Klimaaktivisten, bundesweit auf mehreren Tausenden Kilometern Autobahn ein Tempolimit fortgelten und innerorts an vielen Stellen eine strengere Geschwindigkeitsbegrenzung einzuführen. In Berlin wurden so nach Polizeiangaben binnen weniger Tage 43 entsprechende Schilder abmontiert. Anlass war das Gipfeltreffen der Automobil- und Mobilitätswirtschaft im Kanzleramt.

Der Chef des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, hatte vor wenigen Tagen kritisiert: „Das Verkehrsministerium hat bisher keinen Plan vorgelegt, wie es das Land auf den Pfad bringen möchte, wie er im Klimaschutzgesetz festgelegt ist.“ Eine Studie im Auftrag der Bundesbehörde hatte Anfang des Jahres ergeben, dass ein Tempolimit von 120 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen und Tempo 80 auf Landstraßen 5,1 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen in Deutschland einsparen könnte. Verbrauchssenkend wirke sich dabei auch aus, dass durch die niedrigere Geschwindigkeit die Länge der Route wieder stärker in den Fokus der Autofahrenden rückt, wie auch Alternativen wie Fernbus und Bahn.

Extinction Rebellion ruft dabei unter dem Hashtag #DIYTempolimit“ auf seinen Social-Media-Kanälen die Bevölkerung dazu auf, es ihnen gleich zu tun und entsprechende Verkehrsschilder zu entfernen und veranstaltet „Info-Calls“, um das Vorgehen zu erklären. „Wir haben jahrelang versucht, mit legalen Mitteln etwas zu erreichen“, erklärt Amelie Meyer die Aktion. Im ausbleibenden Erfolg sieht sie die Legitimation für das Handeln der Gruppe. Eine Gefährdung des Straßenverkehrs sehe sie durch die Verringerung des möglichen Tempos nicht.

Die Polizei sieht das naturgemäß anders. Nach Angaben der Behörde erfüllt das Entfernen entsprechender Schilder den Tatbestand der Amtsanmaßung (§ 132 Strafgesetzbuch). Dafür droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Werden die Schilder nicht nur abmontiert, sondern auch mitgenommen oder fallen bei einer Aktion auf die Straße, könnten auch Tatbestände wie Diebstahl und ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gegeben sein.