Kosten-Schock

Berliner Tier-Altenheim: Russischer Krieg verteuert Futter

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Zwei Kilo Nahrung pro Schnauze brauchen die Doggen Ronja und Ronaldo. Gnadenhof-Grüner Dirk Bufé (l.) und Hartmut Benter aus Pankow rechnen mit 40 Prozent mehr Kosten.

Zwei Kilo Nahrung pro Schnauze brauchen die Doggen Ronja und Ronaldo. Gnadenhof-Grüner Dirk Bufé (l.) und Hartmut Benter aus Pankow rechnen mit 40 Prozent mehr Kosten.

Foto: Thomas Schubert

Inflation trifft Gnadenhof in Berlin-Pankow dreifach hart: Futter und Medizin kosten extra. Selbst der Tod der Tiere wird teurer.

Berlin.  Auch in Zeiten der explodierender Preise bleibt das Ende unvermeidlich. Wenn ein Liebling stirbt, ist es immer noch das Traurigste, was im Altenheim der Tiere geschehen kann. Aber selbst dieser Abschied kostet jetzt extra. 400 Euro verlangten die Krematorien bis vor kurzem für eine Verwertung der sterblichen Überreste von entschlafenen Hunden oder Katzen. Als Basispreis, versteht sich. Nicht einberechnet ist, dass gerade eine Gas-Krise die Zukunftsaussichten der Berliner Wirtschaft verfinstert.

„Krematorien schlagen jetzt eine Energie-Zulage oben drauf. So bezahlen wir bei jedem Todesfall mindestens 24 Euro mehr“, erzählt Hartmut Benter vom makabersten Detail der Teuerung für Tierhalter. Von einer Inflationskrise, die den einzigartigen Gnadenhof in Pankow ähnlich hart trifft wie das Berliner Tierheim Berlin in Falkenberg.

Allerdings ist das 2006 gegründete Altenheim an einer alten Blankenburger Villa praktisch nur ein Zwei-Mann-Betrieb. Putzen, Füttern, Pflegen: Hartmut Benter und sein Lebenspartner Dirk Bufé regeln hier alles selbst. Und stemmen zu zweit sogar noch einen kompletten Neubau des Gnadenhofs im Pankower Gewerbegebiet Am Possenberg. Bei diesem essenziellen Projekt erwarten die beiden Tier-Liebhaber durch den Ukraine-Krieg eine Kostensteigerung von mindestens 200.000 Euro auf 1,7 Millionen Euro.

Eidechsen-Fund könnte Neubau des Altenheims der Tiere in Pankow gefährden

Aber je länger der Baubeginn auf sich warten lässt, desto höher schnellen die Preise. „Wir mussten jetzt erst einmal 12.000 Euro für Gutachten bezahlen“, berichtet Benter von einer Auflage des Bezirksamts Pankow. „Es geht darum, auszuschließen, dass es auf dem Neubaugelände geschützte Eidechsen gibt.“

So gerät das 2018 beschlossene Vorhaben erneut um mehrere Monate im Verzug. „Geschützte Arten, die es vielleicht auf dem Baugrundstück geben könnte verhindern, dass unsere geschützten Arten ein neues Zuhause bekommen“, nimmt es Benter mit Ironie. Tatsächlich genießen einige der greisen Amazonen auf dem Gnadenhof diesen Status.

Inflation bei Tierfutter: Vogel-Besitzer trifft es besonders hart

Womit Dirk Bufé zum Thema Tierfutter überleitet – denn gerade Vogelbesitzer trifft es besonders hart. Inflation durch den Ukraine-Krieg und Getreideknappheit schlägt sich so deutlich in der Rechnung nieder, dass man mit dem Monatsbudget von 8000 Euro für den Heimbetrieb zum ersten Mal in der Geschichte der Institution an die Grenzen stößt. Es beginnt schon damit, dass viele Mitglieder des Fördervereins ihren Beitrag von mindestens 20 Euro nicht mehr bezahlen können und austreten, warnt Bufé. Und es geht damit weiter, dass Privatspender ihr Engagement senken. Nicht nur sie packt beim Blick auf die Tierfutter-Preise der Schreck.

Bufé und Benter rechnen vor, was Sache ist: Hirse für die Wellensittiche und Papageien kauften sie bisher in Großpackungen für 80 Euro – nun sollen sie 200 Euro kosten. Selbst billigen Zwieback, den sich Aras schmecken lassen, als seien es köstliche Plätzchen, müssen die Heimbetreiber in Packungen kaufen, die nun 1,99 Euro kosten. „Vor der Krise waren es 99 Cent“, erinnert Benter. Hundefutter verteuerte sich vergleichsweise moderat um 30 oder 40 Prozent. Dosenkost, von der die riesigen Deutschen Doggen Ronja und Ronaldo aber mindestens zwei Kilo pro Tag verschlingen, muss der Gnadenhof nun für 2,29 je Dose besorgen – 1,79 waren es vor dem Ukraine-Krieg. Kurzum: Das Altenheim der Tiere braucht mehr denn je Spenden, darum machen Bufé und Benter kein Geheimnis.

Umkehr des Corona-Haustier-Booms: Pankows Altenheim der Tiere ist schon voll

Wenn früher Anrufer am Telefon waren, die ein paar Kisten Vogelfutter abliefern wollten, sind es in diesem Sommer eher Berliner, die sich von ihren gerade beschafften Tieren wieder trennen wollen. Es ist die gleiche leidige Gegenbewegung zum Corona-Haustier-Boom, wie sie auch das Berliner Tierheim ans Limit bringt. Kaninchen, die im Lockdown Spielgefährten für Kinder sein sollte, sind nun durch die Inflation ein unerwünschter Kostentreiber. „Familien stehen plötzlich bei uns vorm Zaun und sagen: Könnt ihr die Kaninchen nehmen? Wir schaffen es nicht mehr“, erzählt Bufé vom Alltag in den Sommerferien.

Am fehlenden Willen liegt es nicht, dass der Gnadenhof nein sagt. Fakt ist, dass man selbst voll belegt ist, Gehege durch Bauarbeiten an einer benachbarten Brücke beschädigt sind. Und dass man einen Neuanfang Am Posseberg plant. Vor allem will das tierliebe Postboten-Duo Stammbewohnern wie der Amazone Randy oder den Doggen Ronja und Ronja einen würdigen Lebensabend verschaffen. Ein würdiger Ruhestand für Tiersenioren, er ist zu Zeiten des Ukraine-Kriegs teuer erkauft.

Herztabletten für Hunde und Tierarztbesuche – alles kostet extra

„Das Geld wird nicht mehr. Aber was man für sein Geld bekommt, wird weniger“, beschreibt Bufé den Mechanismus. Trotzdem will der Gnadenhof 230 Vögel, 21 Hunde und 19 Katzen bis zum bitteren Ende pflegen. Auch wenn sich Futter, Energie, gerade auch Tier-Medikamente und Tierarztbesuche mehr verteuern als die gleichen Kostenpunkte bei Menschen. Herztabletten für Rüden, Spezialmehl für die Verdauung, Entwässerungsmittel für aufgedunsene Hündinnen: all das muss ins Budget passen, was Bufé und Benter nicht beliebig anheben können.

Berliner Gnadenhof schützt Tier-Senioren vor sengender Hitze

Nun aber – mitten in den Hundstagen – hängt noch ein anderes Problem über den Ställen im Hof der Gnadenhof-Villa. Die Hitze. Tier-Senioren leiden darunter fast noch schlimmer als die menschlichen. „Sie können ja nicht sagen, dass ihnen heiß ist“, sagt Bufé. Der Rat von den Pflegeprofis an alle anderen Berliner mit Haustieren: „Man muss ihnen jede Belastung ersparen.“ Dazu gehört Gassigehen in der prallen Mittagssonne ebenso wie Radfahren mit nebenher trabendem Hund.

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„Neuartige Kühldecken, wie es sie im Handel gibt, können wir eher nicht empfehlen“, sagt Benter. Vierbeiner fänden von selbst die kostengünstigste Lösung. „Sie legen sich einfach auf die Fliesen.“ Nicht etwa, weil ihnen der Preisgalopp bei Tierzubehör bekannt wäre. Sondern einfach aus Instinkt.

Info: Wer dem Altenheim der Tiere in Berlin-Pankow mit Spenden helfen will oder Mitglied im Förderverein werden möchte, kann sich online melden unter:https://www.vogelgnadenhof.de/

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