Berlin. „Schulddrehscheibe“, das ist eine technische Bezeichnung für einen Ort, an dem 800 Kinder aus Prenzlauer Berg dies Basis ihrer Bildung erhalten. Die Schuldrehscheibe, um die es geht, steht auf der Werneuchener Wiese, wo Sportler noch bis vor wenigen Jahren Beachvolleyball spielten. Bis das Aus für diese Nutzung kam.
Zu wichtig war dem Bezirksamt Pankow das im Schnellverfahren entstehende Lern-Gebäude auf Zeit direkt am Volkspark Friedrichshain. 32 Millionen Euro teuer, errichtet mit Bauelementen aus Holz, zu großen Teilen wiederverwertbar. Ein Haus, was immer neue Kinder aus immer neuen Schulen mit Leben füllen sollen. Von der Eröffnung 2023 bis zum Nutzungsende 2034 sollen mindestens drei Lernorte aus Prenzlauer Berg ihre Kinder nacheinander in den Behelfsbau entsenden – während ihre eigenen Klassenräume im Rahmen von Sanierungsarbeiten gesperrt sind.
Lernort am Friedrichshain ersetzt bis zu vier baufällige Schulen in Prenzlauer Berg
Aber wer lernt hier von wann bis wann? Zu dieser Frage des Abgeordneten Andreas Otto (Grüne) hat das Bezirksamt Pankow einen genauen Plan vorgelegt. Als erstes wird von August 2023 bis Dezember 2025 das Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Gymnasium seine Kinder in die aus Fertigteilen zusammengesetzten Klassen schicken. Dann folgt das Gymnasium am Europasportpark von im Zeitraum von Februar 2026 bis Februar 2029. Und vom April 2029 bis Oktober 2031 erfolgt für die Kinder der Tesla-Oberschule - und / oder für diejenigen der Kurt-Schwitters-Schule der dritte Teil der Nutzung.
Viel schief gehen darf bei der Sanierung der Stamm-Schulen in Prenzlauer Berg allerdings nicht – so zeigt es sich am Plan für das Bartholdy-Gymnasium. In dem Moment, wenn die Kinder 2023 aus den Sommerferien in die Schuldrehscheibe wechseln, starten auch die Bauarbeiten in den „Heimat-Klassen“.
Schulsanierung der maroden Bestandsbauten kostet fast 72 Millionen Euro
Beim Ist-Zustand zeigt sich bei allen drei betroffenen Schulen Handlungsdruck, erklärt Staatssekretär Alexander Slotty auf Anfrage von Otto: „Alle vorgenannten Schulen sind aus Sicht des Schulträgers sanierungsbedürftig.“ Trotzdem müssen die Senatsbildungsverwaltung und der Bezirk Pankow Prioritäten benennen. „Es erfolgt eine Abwägung von Bauzustand, schulischer Notwendigkeiten, Einordnung der Maßnahme in das Investitionsprogramm und der Verfügbarkeit von Auslagerungsmöglichkeiten“, sagt Slotty zu den Kriterien.
Nicht nur der Sanierungsstau, auch die Kosten für die Behebung der Mängel sind bei allen Schulen in dieser Region beträchtlich. Für die Sanierung des Gymnasiums am Europa Sportpark sind 23,75 Millionen Euro kalkuliert, für das Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Gymnasium 21 Millionen Euro und für die Tesla-Schule 27 Millionen Euro. So ergibt sich das Gesamtbudget von 71,75 Millionen Euro.
Frage um Nachhaltigkeit der Schule: 26 Eschen sollen für Weg weichen
Und nach 2031? Dann bleiben immer noch drei Jahre bis zum Abbau der Interims-Schule für Prenzlauer Berg. Senat und Bezirk wollen erst später entscheiden, wer die Ausweichfläche in diesem letzten Zeitraum am dringendsten braucht. Bis 2035 sollen die Klassen auf Zeit demontiert sein – und womöglich an anderer Stelle eine neue Schuldrehscheibe bilden. Diese Art der Wiederverwertbarkeit sei ein „wesentliches Kriterium“ des Wettbewerbsverfahrens für das Projekt gewesen betont Slotty.
Es geht also beim Schulprojekt auf der Werbeuchener Wiese auch um Nachhaltigkeit. Und eben darum polarisiert auch die Entscheidung des Bezirks Pankow, eine Zeile von Bäumen an der Nordkante der Schuldrehscheibe zu fällen – damit Kinder aus Prenzlauer Berg einen kurzen Schulweg haben und vom Norden aus auf das Gelände gelangen. 26 von 47 Eschen der kleinen Allee will der Bezirk Pankow dafür opfern. An ihrer Stelle entsteht ein fünf Meter breiter Weg für Radfahrer und Passanten.
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Diese Entscheidung bot vor einigen Monaten Stoff für eine Posse, dargestellt in der Fernsehsendung „Extra 3“. Denn Anwohner, die mit Klebeband Aufrufe gegen die Fällung der Eschen an die Rinde pappten, sollten 50 Euro Strafe zahlen. Wegen mutmaßlicher Beschädigung der Rinde eben dieser fällreifen Bäume. An der Entscheidung, die Bäume zu entfernen, ändert diese Posse laut Bezirksamt allerdings nichts. Denn die Alternative wäre ein weitaus längerer Schulweg um das gesamte Gebäude herum. Damit Kindern solche Erschwernisse erspart bleiben, kam man in Pankow zum Beschluss der jetzigen Lösung. Auf Kosten der 26 Bäume.
Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Fassung des Textes hatten die Angaben für den Umzugszeitraum des Gymnasiums am Europasportpark gefehlt. Wir bitten dies zu entschuldigen.
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